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Rechnungslegung/Jahresabschluss
   

Offenlegung des Jahresabschlusses: Ordnungsgeldverfahren nach § 335 HGB

Prof. Dr. Christian Zwirner

Beteiligtenfähigkeit auch bei Löschung der Gesellschaft im Handelsregister; Ordnungsgeld unterliegt dem Übermaßverbot

OLG Köln Beschl. v. 4.9.2024 – 28 Wx 4/24

 

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln bezieht in seiner Entscheidung Stellung zur Beteiligtenfähigkeit von bereits im Handelsregister gelöschten Gesellschaften. Zudem schränkt das OLG Köln den Ermessensspielraum des Bundesamts für Justiz bei der Bemessung von Ordnungsgeldern nach § 335 Abs. 1a S. 1 Nr. 1 HGB aufgrund des verfassungsrechtlichen Übermaßverbots ein, wenn das Ordnungsgeld nicht im Verhältnis zur finanziellen Situation der Gesellschaft steht.


 

Praxis-Info!

Mit seiner Entscheidung vom 4.9.2024 (28 Wx 4/24) äußert sich das OLG Köln zur Beteiligtenfähigkeit von Gesellschaften, die bereits im Handelsregister gelöscht sind. Es geht insoweit um die Frage, ob gelöschten Gesellschaften noch ein Ordnungsgeld auferlegt werden kann. Damit dient die Entscheidung auch allgemein als Orientierung für Gesellschaften in Liquidation und deren Umgang mit der Offenlegungspflicht.

Zudem stellt das OLG Köln klar, dass das Ordnungsgeld zwar grundsätzlich abschreckenden Charakter hat sowie der Transparenz der Märkte dienen soll. Hierfür wurde dem Bundesamt für Justiz auch ein entsprechend weiter gesetzlich zulässiger Ermessensspielraum für drastische Ordnungsgelder bei kapitalmarktorientierten Unternehmen eingeräumt. Allerdings kann das Ermessen nicht schrankenlos gelten, sondern muss innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen des Übermaßverbots verbleiben.

 

 

Sachverhalt

Im vorliegenden Sacherhalt wurde gegen die rechtsbeschwerdeführende Gesellschaft (GmbH & Co. KG) am 2.8.2021 zunächst ein 1. Ordnungsgeld von jeweils 2.500 € wegen der unterbliebenen Veröffentlichung der Jahresabschlüsse für die Jahre 2019 und 2020 angedroht und am 21.2.2022 schließlich festgesetzt. Die Gesellschaft hatte Genussrechte in Höhe von 1,2 Mio. € ausgegeben und war als kapitalmarktorientiertes Unternehmen im Sinne des § 264d HGB anzusehen, weshalb der besondere Ordnungsgeldrahmen des § 335 Abs. 1a HGB einschlägig war. Am 21.2.2022 wurde zugleich ein 2. Ordnungsgeld über jeweils 250.000 € unter Setzung einer Nachfrist von sechs Wochen angedroht. Zum 13.12.2022 wurden sodann die zuvor angedrohten 2. Ordnungsgelder über jeweils 250.000 € festgesetzt und 3. Ordnungsgelder über jeweils 1 Mio. € angedroht. Die Höhe der angedrohten und festgesetzten Ordnungsgelder wurde auf Grundlage eines internen Vermerks des Bundesamts für Justiz festgelegt. Die Staffelung gestaltete sich wie folgt:

  • 1. Festsetzung: 2.500 €
  • 2. Festsetzung: 250.000 €
  • 3. Festsetzung: 500.000 €
  • 4. Festsetzung: 1 Mio. €
  • Jede weitere Festsetzung: Erhöhung um 1 Mio. €, bis der Höchstbetrag erreicht ist.

Die Jahresabschlüsse 2019 und 2020 wurden letztendlich am 29.12.2022 beim Bundesanzeiger zur Veröffentlichung eingereicht. Am 30.1.2023 wurde aufgrund von Unverhältnismäßigkeit der Ordnungsgelder und Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz der Gesellschaft Beschwerde gegen die Ordnungsgelder eingelegt.

Mit – gleichlautenden – Beschlüssen vom 8.1.2024 hat das Landgericht (LG) Bonn die Beschwerde gegen die Ordnungsgeldentscheidung zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Das LG Bonn begründet seine Entscheidung damit, dass die finanzielle Situation des Unternehmens nur ein Aspekt im Rahmen der Bemessung des Ordnungsgelds sei und weitere Kriterien, wie das Maß des Verschuldens sowie die Beharrlichkeit der Publizitätsverweigerung und die wirtschaftliche Bedeutung der Offenlegung, zu beachten sind. Liquiditätsprobleme seien daher kein Grund, um die Herabsetzung des Ordnungsgelds zu rechtfertigen, da Pflichtverletzungen nicht nur sanktioniert werden sollen, sondern hiermit auch Pflichtverletzungen vorgebeugt werden soll.

Daraufhin beantragt die Rechtsbeschwerdeführerin, die Ordnungsgeldentscheidungen des Bundesamtes für Justiz vom 13.12.2022 und die Beschlüsse des LG Bonn vom 8.1.2024 aufzuheben.

 

 

Entscheidungsgründe

Zunächst stellt das OLG Köln fest, dass die Gesellschaft als Personengesellschaft des Handelsrechts (GmbH & Co. KG) trotz zwischenzeitlicher Löschung im Handelsregister weiterhin beteiligtenfähig ist (§ 335a Abs. 3 S. 2 HGB i.V.m. § 8 FamFG). Die Eintragung der Löschung in das Handelsregister ist für die Beendigung der Rechts- und Prozessfähigkeit einer Personengesellschaft nicht konstitutiv, sondern nur deklaratorisch. Unter Rückgriff auf verschiedene Rechtsprechung u.a. zum Steuerrecht und Sozialrecht kommt das OLG Köln zu dem Ergebnis, dass es der Gesellschaft im zugrunde liegenden Fall trotz Löschung im Handelsregister möglich sein muss, die Berechtigung der festgesetzten Ordnungsgelder in dem dafür vorgesehenen gerichtlichen Verfahren überprüfen zu lassen.

Zur Höhe der festgesetzten Ordnungsgelder von jeweils 250.000 € führt das OLG Köln aus: Der Ordnungsgeldrahmen richtet sich im vorliegenden Fall zu Recht nach § 335 Abs. 1a HGB und kann damit weit über den Höchstbetrag von 25.000 € nach § 335 Abs. 1 S. 4 HGB hinausgehen. Für kapitalmarktorientierte Gesellschaften im Sinne des § 264d HGB beträgt (nach § 335 Abs. 1a Nrn. 1 bis 3 HGB) das Ordnungsgeld höchstens den höheren der folgenden Beträge:

  • 10 Mio. €,
  • 5% des jährlichen Gesamtumsatzes des vorangehenden Geschäftsjahres oder
  • das Zweifache des wirtschaftlichen Vorteils aus der unterlassenen Offenlegung.

Auch wenn die Bemessung von Ordnungsgeldern für kapitalmarktorientierte Unternehmen bewusst drastisch ausfallen darf, um die Möglichkeit zum Freikaufen seiner Offenlegungspflichten zu verhindern, und als hinreichende Abschreckung dienen soll, darf der dem Bundesamt für Justiz hierfür eingeräumte Ermessensspielraum nicht über die Grenzen des Übermaßverbots hinaus ausgelegt werden. Für die Höhe des Ordnungsgelds sind insbesondere das Maß des Verschuldens und die finanzielle Situation des Unternehmens sowie die Beharrlichkeit der Publizitätsverweigerung und die wirtschaftliche Bedeutung der Offenlegung zu berücksichtigen. Die Vorschriften des § 335 Abs. 1a S. 1 Nr. 2 und 3 HGB tragen dem Übermaßverbot dadurch Rechnung, dass sich die Ordnungsgeldhöhe an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientiert. Im Gegensatz dazu richtet sich die Festsetzung eines Ordnungsgelds von bis zu 10 Mio. € (§ 335 Abs. 1a S. 1 Nr. 1 HGB) nicht nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sodass der Ermessensspielraum bei der Bemessung des Ordnungsgelds nach § 335 Abs. 1a S. 1 Nr. 1 HGB den Schutzbereich des verfassungsrechtlichen Übermaßverbots verletzen kann. Das ist nach Auffassung des OLG Köln der Fall, wenn durch die Vollstreckung des Ordnungsgelds die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz droht.

Die Regelung des § 335 Abs. 4 S. 3 HGB, wonach bei einer Herabsetzung zwingend nur solche Umstände zu berücksichtigen sind, die vor der Entscheidung des Bundesamts für Justiz eingetreten sind, steht der Überprüfung wegen eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot nicht entgegen. Auch wenn die Regelung auf dem bewusst streng typisierten Verfahren beruht, ist der Geltungsbereich nicht schrankenlos. Im vorliegenden Fall ist die Reduzierung nicht aus allgemeinen Billigkeitserwägungen, sondern aufgrund des verfassungsrechtlichen Übermaßverbots vorzunehmen. Die Sperrwirkung des § 335 Abs. 4 S. 3 HGB greift nach Ausführungen des OLG Köln nur dann, wenn die Ordnungsgelder dem Übermaßverbot gerecht werden. Hierzu maßgeblich war im vorliegenden Fall die finanzielle Situation der Rechtsbeschwerdeführerin, die sich wiederum aus den veröffentlichten Jahresabschlüssen ergeben hat. Das OLG Köln kam im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass das Übermaßverbot nicht gewahrt wurde. Infolgedessen wurde das Ordnungsgeld von jeweils 250.000 € auf jeweils 25.000 € reduziert.

 

 

Praxishinweis:

 

Mit der Entscheidung des OLG Köln vom 4.9.2024 (28 Wx 4/24) zeigt sich für kapitalmarkorientierte Gesellschaften in Liquidation – wie im vorliegenden Fall –, aber insbesondere auch darüber hinaus für nicht kapitalmarktorientierte Gesellschaften in Liquidation, dass die Offenlegungspflicht weiterhin beachtet werden muss und bei Missachtung trotz Liquidation weiterhin Ordnungsgelder drohen. Zudem zeigt das OLG Köln auf, dass dem Ermessen des Bundesamts für Justiz zur Bemessung der Ordnungsgelder dort Grenzen gesetzt sind, wo das Übermaßverbot verletzt wird, weil die Höhe des Ordnungsgelds in keinem Verhältnis zur finanziellen Situation der Gesellschaft steht.

 

WP/StB Prof. Dr. Christian Zwirner,
Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München (www.kleeberg.de)

 

 

BC 2/2025

BC20250208

 

 

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