FG Rheinland-Pfalz Urt. v. 19.9.2023 – 5 K 1800/19 (Revision zugelassen)
„Umsonst ist nicht einmal der Tod – er kostet das Leben“, wie ein deutsches Sprichwort besagt. Im Falle des Todes eines Unternehmens – der Insolvenz – kommen noch weitere tatsächliche Kosten hinzu. So z.B. die Vergütung für einen Insolvenzverwalter. Da der Vergütungsanspruch ab dem Zeitpunkt der Bestellung eintritt, stellt sich die Frage, ob für die Insolvenzverwaltervergütung eine Rückstellung gebildet werden darf.
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Problemstellung
Aufgrund eines Antrags der Krankenkasse wurde über das Vermögen eines Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Schuldner war als Unternehmer selbstständig tätig und beschäftigte acht Mitarbeitende. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb setzte der Insolvenzverwalter eine Rückstellung für Verwaltervergütung an. Dabei teilte er die Verwaltervergütung zwischen der privaten und unternehmerischen Sphäre des Schuldners auf.
Das Finanzamt erkannte die Rückstellung nicht an.
Lösung
Wie schon das Finanzamt lehnt auch das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz die Bildung einer Rückstellung ab. In seiner Urteilsbegründung untersucht das Gericht den Fall aus verschiedenen Perspektiven:
- Betriebliche Veranlassung: Eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten setzt eine betriebliche Veranlassung der Aufwendungen voraus. Analog zur BFH-Rechtsprechung zu den Überschusseinkünften geht das FG Rheinland-Pfalz davon aus, dass auch bei den Gewinneinkünften die Abzugsfähigkeit der Insolvenzverwaltervergütung ausscheidet, wenn zugleich – wie im vorliegenden Ausgangsfall – auch private Schulden bestehen. Die Durchführung eines Regelinsolvenzverfahrens dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, eine Aufteilung in private und betriebliche Sphäre ist daher nicht relevant.
- Einkünfteerzielung: Betriebsausgaben müssen durch die Einkünfteerzielung veranlasst sein, d.h., es muss ein objektiver Zusammenhang zwischen der Einkünfteerzielung und den Ausgaben bestehen. Im Ausgangsfall ist der Auslöser für das Entstehen der Insolvenzverwaltervergütung der Antrag der Krankenkasse zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens, also letztlich die Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit des Steuerpflichtigen. Die Ursache für die Insolvenz ist in der Regel multikausal – z.B. Krankheit, Scheidung, Unwirtschaftlichkeit – und keiner einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre einzeln zuzuordnen. Dies wird im Ausgangsfall auch dadurch verdeutlicht, dass die Insolvenzforderungen betrieblicher und privater Natur sind.
- Verursachungsprinzip: Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist, dass sie im abgelaufenen Wirtschaftsjahr wirtschaftlich verursacht und ihre spätere Geltendmachung gegenüber dem Steuerpflichtigen nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag wahrscheinlich ist. Der Tatbestand, von dessen Verwirklichung ihre Entstehung abhängt, muss somit in dem betreffenden Wirtschaftsjahr im Wesentlichen verwirklicht worden sein. Bei der Insolvenzverwaltervergütung entsteht die Verpflichtung zur Begleichung aus der Masse erst mit Beendigung des Verfahrens. Teilfälligkeiten oder eine Festsetzung der Vergütung nach Zeitabschnitten sieht die Insolvenzordnung (InsO) nicht vor. Im Ausgangsfall lag die Verursachung – also die Beendigung des Verfahrens – noch in der Zukunft. Dass bereits ein Anspruch besteht, ist mangels Fälligkeit nicht von Bedeutung.
Die Bildung einer Rückstellung ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt zu verneinen.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)
BC 12/2023
BC20231208