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Rechnungslegung/Jahresabschluss
   

Gebäude-AfA nach der kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer – ein im Keim erstickter Paukenschlag?!

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BMF 22.2.2023, IV C 3 – S 2196/22/10006 :005

Mit diesem Anwendungsschreiben hat das Bundesfinanzministerium (BMF) eine für den Gebäudeerwerb besonders wichtige und sehr häufig auftretende Frage zur Bemessung der Gebäude-AfA beantwortet: Beim Ansatz der kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer gemäß § 7 Abs. 4 S. 2 EStG können sich die Bilanzierenden (oder auch Einnahmen-Überschuss-Rechner) verschiedener Nachweismethoden bedienen. Das eröffnet in vielen Fällen zwar zunächst betragsmäßig hohe Gestaltungsspielräume. Damit diese aber fiskalisch nicht zu einfach ausgenutzt werden können, hat das BMF eine Gutachterpflicht festgeschrieben.


 

Praxis-Info!

Problemstellung

Anlass für die BMF-Regelung einer je nach Einzelfall höheren AfA bei sog. Bestandsimmobilien ist ein Urteil des BFH vom 28.7.2021 – IX R 25/19, BFH/NV 2022 108. Der BFH hat wie folgt entschieden:

„Steuerpflichtige, die sich nach § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG auf eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer des Gebäudes berufen, können sich jeder Darlegungsmethode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint, soweit daraus Rückschlüsse auf die maßgeblichen Determinanten (z.B. technischer Verschleiß, wirtschaftliche Entwertung, rechtliche Nutzungsbeschränkungen) möglich sind.“

Diese Problemstellung mag sich zwar auch bei Konzernen, wie z.B. BMW, stellen, ist aber insbesondere in Klein- und Kleinstunternehmen von oftmals noch viel größerer Bedeutung, wenn sich z.B. Bäcker, Metzger oder Wirte (sog. BMW-Klientel) entscheiden, von einer Anmietung zum Gebäudeerwerb überzugehen (weitere Anwendungsbeispiele siehe in BC 3/2023). Und es wird sich noch zeigen, dass hiermit – vor allem aktuell im Zusammenhang z.B. mit energiewirtschaftlichen Fördermaßnahmen gesehen – Beträge aufsummieren, die etwa bei der Entscheidung über Miete bzw. Neubau oder Gebrauchterwerb den Ausschlag geben können. So lag es auch im vom BFH entschiedenen Streitfall: Statt ursprünglich angesetzter AfA von ca. 21.700 € wurde auf der Basis verkürzter Nutzungsdauern ein AfA-Betrag von über 35.000 € möglich!

 

Lösung

1. Grundsätze

Nachfolgend geht es hier nur darum (zur ausführlichen Fassung siehe in BC 3/2023), dass die tatsächliche Nutzungsdauer bei einem Gebäude kürzer als die sich aus der Anwendung des AfA-Satzes ergebende Nutzungsdauer ist. In solchen nicht seltenen, aber begründungspflichtigen Ausnahmefällen kann anstelle der AfA nach § 7 Abs. 4 S. 1 EStG die der tatsächlichen Nutzungsdauer entsprechende AfA vorgenommen werden.

 

2. Rechtfertigung einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer

In Abschn. 3 bzw. Rn. 6 bis 16 erläutert das BMF im Detail, dass es für die Bemessung der linearen Gebäude-AfA nach der kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer einer konkreten Rechtfertigung aufgrund der objektiven Gegebenheiten bedarf hier nur darum (ausführlich siehe in BC 2023, 106 ff., Heft 3). Entscheidend ist demnach, ob das Gebäude vor Ablauf des sich aus § 7 Abs. 4 S. 1 EStG oder § 52 Abs. 15 EStG ergebenden AfA-Zeitraums – objektiv betrachtet – technisch oder wirtschaftlich verbraucht ist. Bei der prognostischen Bestimmung der kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer sind – naturgemäß, so möchte man sagen – auch ungewisse künftige Ereignisse zu berücksichtigen, und es ist eine an der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit orientierte Schätzung zugrunde zu legen. Zu berücksichtigen sind hierbei alle – von den Steuerpflichtigen darzulegenden (Beweislast) – technischen und wirtschaftlichen Umstände des betreffenden Gebäudes.

Ferner weist das BMF noch vorsorglich darauf hin, dass bei der Glaubhaftmachung der kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer die Steuerpflichtigen in erhöhtem Maße zur Mitwirkung verpflichtet sind, weil die bei der Schätzung zu berücksichtigenden Faktoren in seinem Einfluss- und Wissensbereich liegen.

 

3. Maßgebliche Kriterien für die Schätzung einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer

In Abschn. 4 bzw. Rn. 17 bis 21 führt das BMF aus, welche Kriterien für die Schätzung einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer wie anzuwenden sind. Den Ausgangspunkt entsprechender Überlegungen bildet stets (BMF: „regelmäßig“) die technische Nutzungsdauer, zu verstehen als Zeitraum, in dem sich das Gebäude substanztechnisch abnutzt. Laut BMF fallen die technische und wirtschaftliche Nutzungsdauer i.d.R. zusammen. Sofern die wirtschaftliche Nutzungsdauer ausnahmsweise kürzer als die technische Nutzungsdauer ist, „können sich die Steuerpflichtigen hierauf berufen“, was so zu verstehen sein dürfte, dass dann wieder entsprechende Begründungs- bzw. Nachweisanforderungen greifen.

Unter Berufung auf die gefestigte BFH-Rechtsprechung nennt das BMF als die Nutzungsdauer bestimmende Einflussfaktoren (sog. maßgebliche Determinanten) den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstands begrenzen können (zu einer tabellarischen Darstellung von Einzelheiten siehe BC 2023, 106 ff., Heft 3).

 

4. Nachweismethoden

Die vom BMF in den vorhergehenden Abschnitten seines Schreibens vom 22.2.2023 erfreulicherweise für die Steuerpflichtigen eröffneten Aussichten, eine kürzere Nutzungsdauer mit der Folge erhöhter AfA-Beträge geltend machen zu können, werden in den abschließenden Rn. 22 bis 24 merklich getrübt. Denn ohne Wenn und Aber fordert die Finanzverwaltung, dass der Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer im Sinne des § 7 Abs. 4 S. 2 EStG durch Vorlage eines Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken oder von Personen, die von einer nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken nach entsprechender Norm zertifiziert worden sind, zu erbringen ist.

Ausführlich wird sodann beschrieben, was alles nicht geeignet ist, um eine verkürzte Nutzungsdauer nachzuweisen:

  • Die bloße Übernahme einer Restnutzungsdauer aus einem Verkehrswertgutachten ist nicht als Nachweis geeignet.
  • Auch der alleinige Verweis auf die Modellansätze für die Gesamtnutzungsdauer in Verbindung mit dem „Modell zur Ermittlung der Restnutzungsdauer bei Modernisierungen nach der Anlage 1 und 2 der Immobilienwertermittlungsverordnung“ ist nicht ausreichend. Dies ist dem BMF so wichtig, dass es sich bei den Worten „nicht ausreichend“ um die einzigen Worte in dem vielseitigen BMF-Schreiben handelt, die in Fettsatz wiedergegeben werden.
  • Einem Gutachten, dessen Zweck sich nicht ausdrücklich auf den Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer richtet und das die maßgeblichen Determinanten (Rn. 17) nicht ausdrücklich berücksichtigt, kann die Anerkennung versagt werden. Hierbei wird auch gefordert, eine mögliche Nachfolgenutzung des Gebäudes und deren Auswirkung auf die Nutzungsdauer einzubeziehen.
  • Die Restnutzungsdauer und die Gesamtnutzungsdauer nach der ImmoWertV entsprechen nicht der tatsächlichen Gesamt- bzw. Restnutzungsdauer eines einzelnen Gebäudes, sondern sind Modellansätze, die nur im Gesamtkontext einer Verkehrswertermittlung zu sachgerechten Ergebnissen führen.
  • Eine isolierte Verwendung der Modelle bzw. Modellansätze der ImmoWertV bzw. der Anlagen zur ImmoWertV für Zwecke des Nachweises einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer im Sinne des § 7 Abs. 4 S. 2 EStG ist nicht sachgerecht. Weshalb hier zwischen „isolierter Verwendung der Modelle“ und wenige Sätze zuvor dem „alleinigen Verweis auf die Modellansätze“ differenziert wird, bleibt unklar.

 

5. Bewertung

In dem BMF-Schreiben wimmelt es von Redundanzen (mehrfaches Vorhandensein derselben Informationen), und an mancher Stelle drängt sich der Verdacht auf, dass es sich bei der nun veröffentlichten Fassung um eine Entwurfsfassung handelt, die redaktionelle Prüfroutinen offenbar nicht durchlaufen hat. Die missratene Gliederungsstruktur des BMF-Schreibens, die auch an der ungewöhnlich auf S. 1 platzierten Anwendungsregelung und den denklogisch falschen Schlussbestimmungen – weil nur aus einem Kurzsatz bestehend – abzulesen ist, lässt solche Zweifel aufkommen.

Der zwingend und inhaltlich tiefreichend geforderte Gutachtereinsatz wird viele der eingangs benannten BMW-Fahrer bzw. BMW-Geschäftsleiter wieder aussteigen lassen, weil der Nachweisaufwand hinsichtlich der kürzeren Nutzungsdauer die Frage aufwirft, ob sich der Aufwand lohnt. Anhand des Falls, der vom BFH entschieden wurde und der nun letztlich zu diesem BMF-Schreiben geführt hat, lässt sich aber aufzeigen, dass der zu erzielende AfA-Vorteil doch beträchtlich sein könnte. Mit der Differenz eines AfA-Volumens von 13.300 € (aus 35.000 € abzgl. 21.700 €, siehe oben) lässt sich auch bei durchschnittlichen Steuersätzen von z.B. nur 20% oder 30% manche Gutachten-Seite finanzieren.

Tatsächlich geht ja der Ansatz des BFH dahin, das Vorliegen eines bestimmten Gutachtens (sog. Bausubstanzgutachten nach ERAB) gerade nicht voraussetzen zu können, sondern jede Darlegungsmethode zuzulassen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint. Dass im Anwendungsschreiben des BMF zu eben diesem Urteil nun einengend – wie hier dargestellt – eine höchst weitreichende Begutachtungspflicht festgeschrieben wird, kann bei nüchterner Betrachtungsweise, die nicht immer selbstverständlich ist (siehe nachfolgend unter den Praxishinweisen), nur verwundern. Wenn sich die Finanzverwaltung nicht selbst korrigiert, dürften aber noch einige Jahre ins Land gehen, bis der BFH Gelegenheit bekommt, seine eigentlich klare Position nochmals klarzustellen.

 

Praxishinweise:

  • Die von der Bundesregierung ursprünglich in 2022 beabsichtigte Streichung der Ausnahmeregelung zum Ansatz einer kürzeren Nutzungsdauer für Gebäudeabschreibung wurde nicht umgesetzt (siehe Jahressteuergesetz 2022, BC 2023, 4 ff., Heft 1). Weiter Bestand haben auch die Regelungen zur Teilwertabschreibung und – hier besonders bedeutsam – zur Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA).
  • Nicht bekannt ist, ob die teilweise recht offensichtlichen redaktionellen Schwächen im BMF-Schreiben der Nähe zum Karneval geschuldet sein könnten und am Tag der Veröffentlichung (Aschermittwoch) womöglich Restalkohol eine Rolle gespielt haben und daher der Blick auf redaktionelle Erfordernisse vernebelt gewesen sein mag. Eine am 23.2.2023 um 17 Uhr versuchte Nachfrage wurde in der zuständigen Abteilung IV C3 des BMF mit Verweis auf die zu dem Zeitpunkt allerdings nicht mehr erreichbare Presseabteilung zu beantwortet.
  • Eine ausführlichere Darstellung hierzu erscheint in der März-Ausgabe BC 2023, 106 ff.

 

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

 

BC 3/2023

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