Dr. Hans-Jürgen Hillmer
Die gesetzliche Festlegung der Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen rückt näher: Die EU-Kommission hat sich in einem sog. Comfort Letter an das BMF befürwortend geäußert.
Praxis-Info!
Problemstellung
Aus Sicht mancher Experten unerwartet früh gibt es schon wieder Neuigkeiten im Zusammenhang mit der Sanierungsgewinnbesteuerung. Nachdem der EuGH im Urteil vom 28.6.2017 (Rs. C-203/16 P) ein Machtwort hinsichtlich der Sanierungsklausel beim Beteiligungserwerb (§ 8c KStG) gesprochen hatte – diese Regelung ist demnach keine (verbotene) Beihilfe, siehe dazu ausführlich hier –, hat nun die EU-Kommission die lange erwartete Einschätzung zur beabsichtigten gesetzlichen Freistellung von Sanierungsgewinnen in einem Schreiben an das BMF abgegeben und die Steuerfreiheit befürwortet. Allerdings heißt befürwortet nicht abschließend gebilligt. Die in Schwierigkeiten befindlichen Unternehmen und ihre Beraterschaft können deshalb zwar einmal kräftig durchatmen, befinden sich aber immer noch in ziemlich gefährlichem Fahrwasser statt am sicheren Ufer.
Lösung
Durch das „Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen“ vom 27.6.2017 wurden mit § 3a EStG („Sanierungserträge“) und § 7b GewStG („Sonderregelung bei der Ermittlung des Gewerbeertrags bei unternehmensbezogener Sanierung“) gesetzliche Regelungen zur Behandlung eines Sanierungsgewinns geschaffen. Diese Regelungen wurden allerdings mit der Vorbehaltsklausel verabschiedet, dass erst eine Zustimmung der EU-Kommission das Inkrafttreten erlaube. Die Zustimmung wurde nun nicht in der Form eines Beschlusses erteilt, sondern in der Form eines sog. Comfort Letter, teilweise übersetzt als „Ermutigungsbrief“ (so im Beitrag der FAZ vom 13.8.2018 über „Kommission erleichtert Unternehmenssanierungen“, dort S. 18). Daraus wird geschlussfolgert, dass die oben genannten gesetzlichen Regelungen aus 2017 nicht automatisch in Kraft treten können, sondern vom deutschen Gesetzgeber in einem zweiten Anlauf durchgesetzt werden müssen.
Erste Reaktionen in der Fachwelt ließen nicht lange auf sich warten. So erklärte der Sanierungsexperte Robert Buchalik eher optimistisch gestimmt noch am frühen Vormittag des 13.8.2018:
- „Mit der jetzt geklärten Wirksamkeit der Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne wird ein erheblicher Fortschritt im Bereich der steuerlichen Beurteilung von Sanierungen insbesondere mittels Insolvenzplan erreicht. Die Unternehmen im Insolvenzplanverfahren verfügen endlich über ertragsteuerliche Planungssicherheit, und bei den derzeit schwebenden Verfahren wird die große Rechtsunsicherheit beseitigt.
- Die Entscheidung ist eine weitere deutliche Erleichterung für Sanierungen in Deutschland, insbesondere im Rahmen von Eigenverwaltungsverfahren. Die Chancen, das Unternehmen dem Unternehmer auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung zu erhalten, erhöhen sich damit signifikant.
- Das Risiko eines Kommanditisten einer KG, bei einer Plansanierung in Eigenverwaltung zur Einkommensteuer auf den Sanierungsgewinn herangezogen zu werden, entfällt völlig.“
Wenig später relativierte dies Christoph Niering, Vorsitzender des Berufsverbands der Insolvenzverwalter Deutschlands (VID), indem er am Nachmittag des 13.8.2018 verlauten ließ, dass die EU-Kommission in dieser für die Sanierung von Unternehmen entscheidenden steuerlichen Frage nur „Steine statt Brot“ gegeben habe:
- „Die informelle Mitteilung in Form eines comfort letters bindet weder nationale noch europäische Gerichte.
- Selbst wenn der deutsche Gesetzgeber sehr schnell die erforderliche gesetzliche Anpassung vornimmt, werden der BFH und der EuGH das letzte Wort bei der Frage der beihilferechtlichen Relevanz haben.“
- Das beschriebene Stimmungsbild mahnt zur Vorsicht. Klar ist jedenfalls, dass der Gesetzgeber nun vor der Notwendigkeit einer sofortigen Gesetzesänderung steht, nachdem er zunächst das Inkrafttreten der Neuregelung von einem förmlichen Beschluss der Kommission abhängig gemacht hatte.
- Folgt man dem VID-Vorsitzenden Niering, sind Hinweise, dass die Finanzämter nun keinen Spielraum mehr hätten und wieder zugunsten der betroffenen Unternehmen entscheiden müssten, vorschnell und nur so lange zu halten, bis die beihilferechtliche Zulässigkeit der Neuregelung vor einem deutschen Gericht infrage gestellt wird.
- Und diese Befürchtung ist nicht unbegründet, nachdem sich der BFH gerade in dieser Sache ungewohnt eifrig gezeigt und sämtliche Versuche des BMF, notleidenden Unternehmen Hilfestellungen zu geben, mit mehrfach gezogenen roten Karten vom Platz gefegt hatte (siehe hier und unter http://rsw.beck.de/rsw/upload/BC/NL18Juli3.htm).
- Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass es zu einem Wiederaufleben der Brunftzeit für weitere Platzhirsch-Bekundungen des BFH kommt. Mit Niering ist darauf zu verweisen, dass der Große Senat des BFH die beihilferechtlichen Fragen ausdrücklich offengelassen und damit die Möglichkeit einer solchen gerichtlichen Klärung bereits angedeutet hatte. Vom EuGH darf hingegen nach der vorzitierten Entscheidung vom 28.6.2017 eher eine sanierungsfreundliche Einstellung erwartet werden, sodass BFH-Richter gut beraten sind, ihr Revier nicht europaweit abzustecken.
|
Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld
BC 9/2018
becklinik407808