BFH-Urteil vom 18.5.2021, I R 62/17
Bei der Ermittlung des fremdüblichen Darlehenszinses für ein unbesichertes Gesellschafterdarlehen ist ein Risikozuschlag bei der Festlegung der Zinshöhe zum Ausgleich der fehlenden Darlehensbesicherung zu berücksichtigen. Die gesetzlich angeordnete Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) steht dem nicht entgegen.
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Problemstellung
Eine GmbH nahm zur Finanzierung einer Unternehmensbeteiligung bei ihrer Alleingesellschafterin, der D-GmbH, ein Darlehen auf. Das Darlehen wurde mit 8% p.a. verzinst (Gesellschafterdarlehen). Die Zinsen waren nicht laufend, sondern erst mit Ablauf des Darlehensvertrags am 31.12.2021 zu entrichten. Sicherheiten waren keine vereinbart.
Daneben erhielt die GmbH ein Bankdarlehen, das mit durchschnittlich 4,78% p.a. verzinst wurde und vollumfänglich – auch von der D-GmbH – besichert war. Überdies bekam sie vom Verkäufer T ein mit 10% p.a. verzinstes Verkäuferdarlehen, das nicht besichert war.
Das Gesellschafterdarlehen war gegenüber allen sonstigen Verbindlichkeiten der GmbH – insbesondere gegenüber den beiden anderen Darlehensverbindlichkeiten – nachrangig. In ihrer Bilanz zum 31.12.2012 wurde das Gesellschafterdarlehen als Zinsverbindlichkeit erfasst.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, fremde Dritte hätten einen Zinssatz von 5% vereinbart. In Höhe von 3% (Differenz zum tatsächlich vereinbarten Zinssatz von 8%) liege eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) gemäß § 8 Abs. 3 S. 2 KStG vor.
Lösung
Eine Kapitalgesellschaft wendet ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zu, wenn sie einen solchen bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (sog. Fremdvergleich). Der Fremdvergleich verlangt nur das „Wegdenken“ der Nahestehensbeziehung.
Das streitige Gesellschafterdarlehen (Zinssatz: 8%) war unbesichert und nachrangig. Insofern fehlt es an einer Vergleichsgrundlage mit dem mit durchschnittlich 4,78% p.a. verzinsten Bankdarlehen. Dieses war besichert und vorrangig zu bedienen.
Ein fremder Dritter vereinbart für gewöhnlich für ein nachrangiges und unbesichertes Darlehen nicht denselben Zins wie für ein besichertes und vorrangiges Darlehen. Dies entspricht allgemeinen Erfahrungssätzen. |
Würde ein fremder Dritte auf dem Verhandlungsweg „freiwillig“ den Vorrang einer Forderung eines anderen Drittgläubigers akzeptieren, würde er mutmaßlich vom Darlehensnehmer einen finanziellen Ausgleich für die Hinnahme dieses Nachteils verlangen. Darüber hinaus würde ein fremder Dritter bei der Festlegung der Kreditbedingungen nicht nur auf die aktuelle Vermögenssituation seines Schuldners abstellen, sondern vor allem dessen künftige wirtschaftliche Entwicklung in den Blick nehmen. Denn sein Ausfallrisiko hängt im Wesentlichen von dieser Entwicklung ab. Da er indes die wirtschaftliche Zukunft seines Schuldners allenfalls prognostizieren könnte, liegt es nahe, dass er bei gegebener Sachlage (Nachrangigkeit des Darlehens, fehlende Sicherheiten) einen höheren „Preis“ für die Überlassung des Kapitals fordern würde als ein abgesicherter Gläubiger. Auf eine „Banküblichkeit“ kommt es hingegen nicht an.
Die gesetzlich angeordnete Nachrangigkeit von Gesellschafterdarlehen (§ 39 Abs. 1 Nr. InsO) ist für den Fremdvergleich rechtlich unbeachtlich. Dies kann nicht die Gestellung von Sicherheiten aushebeln und folglich auch nicht einem Risikozuschlag bei der Festlegung der Zinshöhe entgegenstehen.
[Anm. d. Red.]
BC 11/2021
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