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Körperschaft-/Umwandlungssteuer
   

Referentenentwurf zur Funktionsverlagerungsverordnung: Erhöhtes Risiko von Streitverfahren

Dr. Jens Rubart und Ronald Bernstein

 

Mit der Einführung des steuerlichen Konzepts einer Funktionsverlagerung im Jahr 2008 hat der Gesetzgeber den relevanten Unternehmen signifikanten Mehraufwand bezüglich der Dokumentation, Bewertung und Verteidigung von grenzüberschreitenden Unternehmensrestrukturierungen aufgebürdet. Die Schlagworte „Funktionsverlagerung“, „Übertragung von immateriellen Wirtschaftsgütern“ und der Themenkomplex der (Unternehmens-)Bewertung sind in nahezu jeder steuerlichen Betriebsprüfung relevant.

Mit der Veröffentlichung des Referentenentwurfs zur Neufassung der Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlV) am 5.7.2022 (Bearbeitungsstand: 25.5.2022), der die Einzelheiten zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Sinne des § 1 Abs. 3b AStG regeln soll, stehen dem Steuerzahler weiteres Ungemach und erhöhte Risiken von Streitfällen ins Haus.


 

 

Praxis-Info!

Während die Definition des Begriffs der Funktion unverändert ist und sich auch im Bereich der Durchführung eines hypothetischen (angenommenen) Fremdvergleichs keine Änderungen ergaben, soll im Folgenden auf vier zentrale Aspekte der Neufassung hingewiesen werden, an denen die Verschärfung dieser Verordnung festgemacht werden kann. Aufgezeigt wird, was dies für Praktiker bedeuten kann.

 

 

Streichung des de facto-Wahlrechts einer Nutzungsüberlassung in Zweifelsfällen

Mit der Streichung der Vorschrift des § 4 Abs. 2 FVerlV a.F. wurde der Passus aufgehoben, dass auf Antrag des Steuerpflichtigen von einer Nutzungsüberlassung auszugehen ist, wenn zweifelhaft ist, ob das Transferpaket lediglich zur Nutzung überlassen oder tatsächlich übertragen wurde. Es ist hierbei also davon auszugehen, dass steuerliche Betriebsprüfungen zukünftig sofort auf eine Funktionsübertragung abstellen und entsprechende Einmalzahlungen aus dem Ausland fordern werden, was zu einer sofortigen Besteuerung von ggf. umfangreichen aufgedeckten stillen Reserven bzw. des mit der Funktion verbundenen Goodwills (Geschäfts- oder Firmenwert) und somit bei den betroffenen Unternehmen zu erheblichen Liquiditätsproblemen führen könnte. Darüber hinaus würde auch eine signifikante Gefahr der Doppelbesteuerung entstehen.

 

 

Erhöhte Risiken für Unternehmen der Bau- und Montagebranche

Die Einführung des § 1 Abs. 4 FVerlV, in dem es heißt, dass das übernehmende Unternehmen eigenständig Leistungen zu Preisen gegenüber anderen Unternehmen erbringt, die höher sind als das Entgelt nach der Kostenaufschlagsmethode, birgt insbesondere für Unternehmen in der Bau- und Montagebranche erhöhte Risiken. Nämlich dann, wenn die ausländischen, dienstleistenden Montageunternehmen eigene (Projekt- oder Baustellen-)Leistungen vor Ort erbringen und diese dem Endkunden in Rechnung stellen. Hierbei kann es zu einer Abweichung im internen und externen Rechnungswesen kommen, und zwar dann, wenn die finalen Projektumsätze (= Preise) größer sind als die Preise für die innerkonzernlich bezogenen Produkte und Leistungen. Für den Steuerzahler ergibt sich hier zumindest ein erhöhter Dokumentations- und Planungsaufwand. Denn die verrechneten Leistungen und Vergütungen müssen erläutert und auseinandergehalten werden. Ebenso sollten die Verrechnungspreise derart bestimmt werden, dass die Vergütung des ausländischen Unternehmens dem (Routine-)Funktionsprofil entspricht.

 

 

Wegfall der Preisvergleichsmethode

Wegfall einer auf der Preisvergleichsmethode basierenden Bestimmung des Werts des Transferpakets: Im neu gefassten § 2 FVerlV heißt es: „Für die Bestimmung des Einigungsbereichs ist eine kapitalwertorientierte Bewertungsmethode zu verwenden.“ Hierdurch geht eine auf der Hand liegende und in steuerlichen Betriebsprüfungen akzeptierte Methode verloren, den Wert eines Transferpakets zu bestimmen. Über einen sog. Top-Down-Ansatz lässt sich nämlich oft zunächst ein übergreifender Wert ermitteln, der den gesuchten Wert beinhaltet, um dann über eine Isolierung von anderen nicht-relevanten Wertanteilen den interessierenden relevanten Wertanteil als Residualgröße zu ermitteln. Funktionsverlagerungen gehen erfahrungsgemäß häufig Unternehmenskäufen voraus, in denen ein Preis für das ganze Unternehmen gezahlt wurde, der zwischen zwei unabhängigen Parteien ausgehandelt worden ist. Wenn nun Funktionen oder immaterielle Wirtschaftsgüter des übernommenen Unternehmens im Anschluss ins Ausland übertragen wurden, so war es möglich, den zugehörigen Preis derart zu ermitteln, indem vom Unternehmenskaufpreis der Wert der verbleibenden Routinefunktionen abgezogen wurde.

Das alleinige Abstellen auf kapitalwertorientierte Methoden läuft aber nahezu zwingend auf die Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs und die Durchführung einer erneuten zweiseitigen Bewertung der übertragenen Funktionen hinaus. Der deutliche Mehraufwand aufseiten des Steuerpflichtigen ist dabei noch das geringere Problem. Streitfälle werden sich vor allem dann ergeben, wenn das Ergebnis aus dem hypothetischen Fremdvergleich nicht im Einklang mit dem gezahlten Kaufpreis für das Unternehmen steht.

 

 

Verschärfung der Beweislast zuungunsten des Steuerpflichtigen

So wurde in § 5 FVerlV und § 7 FVerlV die vormals geforderte „Glaubhaftmachung“ mit der verschärften Forderung eines „Nachweises“ seitens des Steuerpflichtigen ersetzt.

  • Gemäß § 5 FVerlV betrifft dies den bei der Wertermittlung zugrunde zu legenden Kapitalisierungszeitraum, was im Zweifel über einen anzunehmenden unendlichen Kapitalisierungszeitraum einen signifikant erhöhenden Effekt auf den Wert des Transferpakets haben könnte.
  • In § 7 FVerlV geht es demgegenüber um den Nachweis, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile übertragen wurden (oder zur Nutzung überlassen wurden). Damit soll die Bestimmung einer Ausgleichszahlung auf Schadensersatz-, Entschädigungs- und Ausgleichsansprüche beschränkt werden.

 

Allein die vier ausgeführten Punkte zeigen sehr deutlich, dass dem Steuerzahler sowohl ein erhöhtes Risiko von Streitfällen als auch ein erheblicher Mehraufwand hinsichtlich der Dokumentation sowie in Fragen von Bewertungen ins Haus stehen. Das größte Risiko geht davon aus, dass die Neufassung der Funktionsverlagerungsverordnung verstärkt auf quantitative Aspekte, anhand derer eine Funktionsverlagerung unterstellt wird, abstellt und weniger die inhaltliche Frage in den Vordergrund rückt, ob de facto eine Funktionsverlagerung vorliegt oder nicht.

 

Dr. Jens Rubart, Associate Director, NERA Economic Consulting, jens.rubart@nera.com

Ronald Bernstein, Principal, NERA Economic Consulting, ronald.bernstein@nera.com

BC 8/2022

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