FG Nürnberg Beschl. v. 8.8.2023 – 8 V 300/23 (Beschwerde beim BFH zugelassen)
Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Reform des Grundsteuergesetzes hat zu einem gesetzgeberischen Flickenteppich mit verschiedenen Bewertungsmodellen geführt. Obwohl die Steuerreform offiziell steuerneutral erfolgen sollte, werden je nach Bewertungsmodell wohl Mehr- oder Minderbelastungen auf Mieter und Eigentümer zukommen, was unweigerlich zu einer Flut von Klagen führen dürfte. Das Finanzgericht (FG) Nürnberg macht nun den Anfang.
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Problemstellung
Nachdem das Bundesverfassungsgericht im April 2018 die bisherige grundsteuerliche Bewertung von Immobilien für verfassungswidrig erklärt hatte, verabschiedete der Gesetzgeber im November 2019 das Grundsteuer-Reformgesetz, welches Öffnungsklauseln bei den Bewertungsverfahren für die Bundesländer vorsieht. Dies führte dazu, dass in Deutschland nunmehr mindestens fünf verschiedene grundsteuerliche Bewertungsmodelle zur Anwendung kommen (vgl. ausführlich Schmid, BC 2022, 399 ff., Heft 9):
- Bundesmodell mit Abweichungen
- Flächenmodell mit Grundstück und Gebäude (Bayern)
- Wohnlagenmodell, Flächen-Faktor- bzw. Flächen-Lagen-Modell (Hamburg, Hessen, Niedersachen)
- Modifiziertes Bodenwertmodell (Baden-Württemberg).
In Bayern hat nun der Eigentümer mehrerer Immobilien gerichtlich seine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Bayerischen Grundsteuergesetzes (BayGrStG) hinsichtlich der Bescheide über die Grundsteueräquivalenzbeträge sowie den Grundsteuermessbetrag prüfen lassen. Der Antragsteller führte dabei an, dass das bayerische Flächenmodell zu einer ungerechten Lastenverteilung führe, da die Werte lediglich flächenorientiert ermittelt werden. Eine Differenzierung nach Wohnlagen findet nicht statt. Hierdurch wird die Grundsteuerbelastung in „Bestlagen“ sinken, während sie „am Standrand“ deutlich ansteigen werde, was zu einer erheblichen Mehrbelastung der dortigen Mieter und Eigentümer führen werde. Der Antragsteller begehrt daher die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der ergangenen Grundsteuerbescheide.
Lösung
Das FG Nürnberg versagt dem Antragsteller die AdV, da aus Sicht des Gerichts keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des BayGrStG bestehen.
Bei der Neuregelung der Grundsteuer steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu, welcher auch eine Typisierungskompetenz beinhaltet. Bei der Wahl des geeigneten Maßstabs darf sich der Gesetzgeber von Praktikabilitätserwägungen leiten lassen, die je nach Zahl der zu erfassenden Bewertungsvorgänge an Bedeutung gewinnen und so auch in größerem Umfang Typisierungen und Pauschalierungen rechtfertigen können.
Das BayGrStG bewegt sich innerhalb dieses gesetzgeberischen Rahmens. Es vermeidet dabei die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Berücksichtigung der Bodenrichtwerte. Soweit vom Kläger eine Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips angeführt wird, vermag das Finanzgericht dem nicht zu folgen. So besteht z.B. die Möglichkeit, Ansprüche aus dem Grundsteuerschuldverhältnis zu erfassen, soweit durch den Systemwechsel im konkreten Einzelfall eine unangemessen hohe Steuerbelastung eintritt.
Aus Sicht des FG Nürnberg erleidet der Antragsteller durch die angefochtene Festsetzung der Grundsteueräquivalenzbeträge sowie der Grundsteuermessbeträge keine (nicht wiedergutzumachenden) Nachteile von erheblichem Gewicht. Eine AdV ist daher nicht geboten.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)
BC 9/2023
BC2023912