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Gewerbesteuer/Grunderwerbsteuer
   

Gewerbesteuer auf Ausschüttungen einer Kapitalgesellschaft

Dr. Martin Weiss

FG Düsseldorf Urt. v. 24.11.2022 – 14 K 392/22 G,F, BeckRS 2022, 41193

 

Bei Eintritt in die Rechtsstellung einer übertragenden Gesellschaft ist nach den Vorschriften des UmwStG wegen Zurechnung der Vorbesitzzeiten eine Kürzung des Gewinns gemäß § 9 Nr. 2a GewStG (sog. Schachtelprivileg) auch dann vorzunehmen, wenn die Beteiligung bei der übernehmenden Gesellschaft nicht „zu Beginn des Erhebungszeitraumes“ bestand.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die Gewerbesteuer ist eine „von der Person des Betriebsinhabers unabhängige Objektsteuer“ (BFH Urt. v. 17.7.2013 – X R 40/10, BStBl. 2013 II 883, Rz. 73). Sie soll nur den Betrieb als solchen, losgelöst von den Beziehungen zu einem bestimmten Rechtsträger, erfassen (BFH Urt. v. 26.3.2015 – IV R 3/12, BStBl. 2016 II 553, Rz. 20). Die Tätigkeit von Kapitalgesellschaften ist nach der gesetzlichen Regelung des § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG „stets und in vollem Umfang“ als Gewerbebetrieb anzusehen. Hiermit unterliegen die im Inland ansässigen Kapitalgesellschaften vollumfänglich der Gewerbesteuer. Ihre (effektive) Belastung richtet sich dabei nach den Hebesätzen der Gemeinden, in denen sie Betriebsstätten unterhalten. Durch die sog. „Zerlegung“ (§§ 28 ff. GewStG) wird der Gewerbesteuermessbetrag im Wesentlichen anhand der jeweils in den Betriebsstätten gezahlten Arbeitslöhne auf die Gemeinden verteilt. Die typische effektive Belastung liegt bei ca. 15%.

Wenn die so bereits mit Gewerbesteuer belasteten Kapitalgesellschaften ihre Gewinne ausschütten, können diese beim Gesellschafter erneut der Gewerbesteuer unterliegen, wenn dieser ebenfalls einen Gewerbebetrieb unterhält. Um diese „wirtschaftliche Doppelbesteuerung“ zu vermeiden, hält das Gewerbesteuergesetz die Hinzurechnung des § 8 Nr. 5 GewStG und die Kürzung des § 9 Nr. 2a GewStG bereit. Allerdings stellt dieses Regime Anforderungen in Form einer Beteiligungsquote von mindestens 15%. Diese kann zudem nur zu einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich dem Beginn des Erhebungszeitraums, erfüllt werden. Erhebungszeitraum ist in den meisten Fällen das Kalenderjahr (§ 14 S. 2 GewStG).

Erwirbt der Gewerbebetrieb erst während des laufenden Erhebungszeitraums die Anteile an einer Kapitalgesellschaft und schüttet diese noch innerhalb desselben Erhebungszeitraums aus, schreibt das Gewerbesteuergesetz eine volle Gewerbesteuerpflicht der Dividende beim empfangenden Gewerbebetrieb durch Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG vor. Damit ist die Dividende effektiv zweimal gewerbesteuerlich erfasst worden. Diese gewerbesteuerlichen Vorschriften sind nach Auffassung der Rechtsprechung „starr“ und „keiner Auslegung zugänglich“ (FG Baden-Württemberg Urt. v. 25.3.2010 – 3 K 1386/07, DStRE 2011, 300, rkr.). Verfassungsgemäß ist die Regelung nach Auffassung des BFH trotzdem (BFH Urt. v. 18.12.2019 – I R 29/17, DStR 2020, 1910).

Was passiert, wenn der Gewerbebetrieb die Anteile zwar während des laufenden Erhebungszeitraums, aber nicht durch einen Kauf, sondern durch einen Umwandlungsvorgang unter dem Umwandlungssteuergesetz erlangt? Im Unterschied zum Erwerb durch Kauf sieht dieses häufig eine Rechtsnachfolge in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Gesellschaft vor (§ 4 Abs. 2 S. 1 UmwStG). Als Beispiele nennt das Gesetz die Bewertung der übernommenen Wirtschaftsgüter (§ 6 EStG), die Absetzungen für Abnutzung (§ 7 EStG) und die den steuerlichen Gewinn mindernden Rücklagen (z.B. § 6b EStG).

Ob auch der für § 9 Nr. 2a GewStG relevante Zeitpunkt „Beginn des Erhebungszeitraums“ von der Rechtsnachfolge des Umwandlungssteuergesetzes umfasst ist, ist umstritten. § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG enthält eine „Sonderregel“, die die „Dauer der Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen“ der übertragenden Gesellschaft bei der Übernehmerin zur Anrechnung bringt. Aus dieser Regelung hat der BFH im Umkehrschluss gefolgert, dass „Zeitpunkte“ – wie der Beginn eines Erhebungszeitraums – gerade nicht anzurechnen sind (BFH Urt. v. 16.4.2014 – I R 44/13, DStR 2014, 1229).

Anderer Auffassung ist jetzt das FG Düsseldorf – in Übereinstimmung mit einigen Kommentierungen der genannten BFH-Rechtsprechung (Weiss/Brühl, Ubg 2018, 22). Nach einem im April 2016 vollzogenen Anteilstausch (§ 21 UmwStG) hatte die Kapitalgesellschaft, deren Anteile eingebracht worden waren, bereits im September 2016 eine Ausschüttung geleistet. Das Finanzamt unterwarf diese Ausschüttung bei der übernehmenden Gesellschaft vollumfänglich der Gewerbesteuer, da nach der genannten Rechtsprechung des BFH keine Rechtsnachfolge in dem Zeitpunkt „Beginn des Erhebungszeitraums“ unter dem Umwandlungssteuergesetz möglich sei.

 

 

Lösung

Das FG Düsseldorf hat der Klägerin hingegen recht gegeben. Die Regelung des § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG verdrängt nach Ansicht des FG nicht die grundsätzliche Rechtsnachfolge nach dem Umwandlungssteuergesetz. Der Eintritt in die Rechtsstellung umfasst seiner Ansicht nach alle Attribute, die von steuerlicher Bedeutung sind. Dies umfasst auch Zeitpunkte, zu denen eine Schachtelbeteiligung bestand. Da der Einbringende bereits zum 1.1.2016 zu 100% an der eingebrachten Kapitalgesellschaft („erworbene Gesellschaft“) beteiligt gewesen sei, könne die klagende Übernehmerin das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg in Anspruch nehmen.

 

 

Praxishinweise:

  • Da das FG Düsseldorf von einer ständigen Rechtsprechung des BFH abweicht, hat es die Revision zum BFH zugelassen (§ 115 Abs. 2 FGO). Die Meinungen zu der Streitfrage im Schrifttum sind geteilt (z.B. Brandis/Heuermann/Gosch, 164. EL November 2022, GewStG, § 9, Rn. 175).
  • Bei der Körperschaftsteuer findet mit § 8b Abs. 1 KStG ebenfalls ein Schachtelprivileg Anwendung. Auch insoweit wird ein Zeitbezug für die Beteiligung gefordert, da diese „zu Beginn des Kalenderjahres“ im Umfang von mindestens 10% bestanden haben muss (§ 8b Abs. 4 S. 1 KStG). Allerdings wird die Problematik einer möglichen Rechtsnachfolge abgemildert, da § 8b Abs. 4 S. 6 KStG einen Rückbezug von während des Kalenderjahres erworbenen Beteiligungen auf den Beginn des Kalenderjahres zulässt. Eine solche Möglichkeit gibt es im Gewerbesteuerrecht gerade nicht.
  • Bei Ausschüttungen aus ausländischen Kapitalgesellschaften gelten gemäß § 9 Nr. 7 GewStG dieselben Regeln wie bei inländischen leistenden Gesellschaften, was das FG Düsseldorf in Rz. 23 seines Urteils noch nicht berücksichtigt hat. Seit den Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2019 stimmen die Bedingungen der beiden Vorschriften genau überein. Ist mit dem ausländischen Staat ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen, kann auch nach diesem Schutz vor der Gewerbesteuer erreicht werden (BFH Urt. v. 23.6.2010 – I R 71/09, DStR 2010, 1665).

 

 

Dr. Martin Weiss, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht, Dipl.-Kfm., Verlag C.H.BECK, München

 

 

 

BC 3/2023

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