LSG Berlin Urt. v. 4.7.2024 – L 9 KR 78/23 (Revision nicht zugelassen)
Das Aufwendungsausgleichsgesetz regelt, unter welchen Voraussetzungen Arbeitgebern die Kosten für Entgeltfortzahlungen erstattet werden können. Eine dieser Voraussetzungen ist, dass die Entgeltfortzahlung für Arbeitnehmer erfolgt sein muss. Umstritten war, ob der Fremdgeschäftsführer einer GmbH in diesem Zusammenhang als Arbeitnehmer anzusehen ist. Das Landessozialgericht (LSG) Berlin schafft mit seinem Urteil nun Klarheit in dieser Frage.
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Problemstellung
Eine GmbH wurde von einem alleinigen Geschäftsführer geführt, welcher keinen Anteil an der Gesellschaft hielt. Sein Geschäftsführervertrag sah unter anderem die folgende Klausel vor:
§ 7 Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit
Der Geschäftsführer hat im Falle einer ärztlich festgestellten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Monaten. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung umfasst sämtliche finanziellen Leistungen gemäß § 5.
Auf entsprechende Anträge der GmbH nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) wurden ihr Arbeitgeberaufwendungen in Höhe von insgesamt 17.822,53 €, welche jeweils durch Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall an ihren Geschäftsführer entstanden waren, erstattet. Diese Erstattungsbeträge wurden später mit der Begründung zurückgefordert, ein Fremdgeschäftsführer sei kein Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg.
Lösung
Auch das LSG Berlin kommt zu dem Schluss, dass ein Fremdgeschäftsführer kein Arbeitnehmer im Sinne des AAG sei. Grundsätzlich ist der Begriff des Arbeitnehmers im AAG nicht eigenständig definiert. Er bestimmt sich vielmehr nach den Grundsätzen des Arbeitsrechts. Danach ist Arbeitnehmer, wer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.
Bei einem Geschäftsführer fehlt es in der Regel an einer solchen Weisungsgebundenheit. Der Geschäftsführer einer GmbH nimmt als deren gesetzlicher Vertreter eine Arbeitgeberfunktion wahr. Er hat deshalb keine arbeitnehmerähnliche, sondern eine arbeitgebergleiche Stellung. Bei einem Fremdgeschäftsführer liegt eine arbeitgeberähnliche Stellung vor. Diese schließt eine Klassifizierung als Arbeitnehmer aus.
Eine Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen ist deswegen ausgeschlossen. Aufgrund der klaren Gesetzeslage kann sich die Klägerin auch nicht auf Unwissen berufen. Auch eine arbeitsvertragliche Vereinbarung kann die arbeitgeberähnliche Stellung eines Fremdgeschäftsführers nicht ändern.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Risk Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)
BC 10/2024
BC20241012