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Virtuelle Währungen und Token: Einzelfragen zur steuerlichen Behandlung

Dr. Christopher Arendt und Kerstin Weidenbach-Koschnike

BMF-Schreiben vom 10.5.2022, IV C 1 – S  2256/19/10003 :001; DOK 2022/0493899

 

Das Bundesfinanzministerium hat mit Schreiben vom 10.5.2022 seine Auffassung zur ertragsteuerlichen Behandlung von Kryptowährungen (virtuelle Währungen, z.B. Bitcoin) und sonstigen Token (sonstige virtuelle Werteinheiten) veröffentlicht.

Nachdem bereits im Jahr 2021 ein entsprechender Entwurf veröffentlicht worden war, hat das Finanzministerium nunmehr seine ertragsteuerliche Einordnung zu dieser neuen Anlageklasse mitgeteilt und diese mit einer erläuternden Begriffsdefinition versehen.

 

Das 23-seitige Schreiben hat offensichtlich den Anspruch, auch über die technischen Hintergründe der Krypto-Geschäfte aufzuklären; so nimmt der Erläuterungsteil mithin die ersten 10 Seiten ein. Auf den verbleibenden 13 Seiten werden dann die vielfältigen Möglichkeiten zur Einnahmenerzielung jeweils aus der Sicht des Privat- und des Betriebsvermögens ertragsteuerlich gewürdigt.

Das Schreiben ist gerade für den Einstieg in diese neue Anlagewelt hilfreich. Allerdings bleiben bedauerlicherweise viele Einzelfragen unbeantwortet. Dies gilt insbesondere für das auch auf dem deutschen Markt immer stärker aufkommende Geschäftsfeld der NFT’s (Non-Fungible-Token – Zuordnung eines entsprechenden Gegenstands (z.B. digitales Kunstwerk) oder eines Rechts (z.B. Urheberrecht für Musik) zum Inhaber des jeweiligen Tokens). Gerade hier gibt es viele Besonderheiten zu berücksichtigen, die auch steuerlich Bedeutung haben. Es bleiben daher viele Fragen zur Besteuerung im Bereich Krypto ungeklärt.

 

 

Praxis-Info!

Das auf den ersten Blick Wesentliche anbei:

  • Alle Vorgänge in der Kryptowelt können eine steuerliche Relevanz haben: Es bleibt dabei, dass sämtliche in der Kryptowelt vorgenommenen Anschaffungs- und Tauschvorgänge nach Auffassung des Finanzministeriums steuerrelevant bleiben. Die gesamten Vorgänge innerhalb der Wallet („Geldbörse“) sind deshalb steuerlich zu betrachten und zu würdigen. Der u.a. in Österreich nunmehr im Wesentlichen verfolgte Ansatz, nur dann eine steuerrechtliche Bedeutung zu unterstellen, wenn die „Kryptocoins“ aus der Wallet zurück in eine Fiat-Währung (z.B. EUR, USD) getauscht werden, hat sich offensichtlich nicht in der Finanzverwaltung durchgesetzt.
  • 10-jährige Haltefrist fällt (vorläufig?): Als Erleichterung ist die Auffassung des Finanzministeriums einzuordnen, nach der die 10-jährige Haltefrist (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 EStG) keine Anwendung finden soll. Die in der Norm angelegten Abgrenzungsfragen stellen sich folglich (einstweilen) nicht. Das heißt: Alle Token, die im Privatvermögen gehalten werden, sind unabhängig von ihrer Verwendung nach einem Jahr steuerfrei veräußerbar. Hier wird mit Interesse zu verfolgen sein, ob diese Ansicht so Bestand haben wird; denn die Steuerfreiheit hat zur Kehrseite, dass auch etwaige Verluste über den 10-Jahreszeitraum nicht mehr geltend gemacht werden können. Es ist durchaus denkbar, dass Steuerpflichtige zur steuerlichen Anerkennung ihrer Verluste auf die 10-jährige Haltefrist klagen werden.
  • Trennung zwischen Privat- und gewerblichen Geschäften bleibt im Einzelfall schwierig: Eine saubere Abgrenzung zwischen privater und gewerblicher Tätigkeit gelingt auch mit dem neuen Schreiben nicht. Da das Mining („Goldschürfen“) und Forging („Schmieden“) weiterhin als gewerbliche Tätigkeiten angesehen werden, stellt sich die steuerliche Frage, ob man daneben überhaupt noch Token „im Privaten“ halten kann. Die Bestimmung des Umfangs des steuerlichen Gewerbebetriebs birgt nicht nur für Mitunternehmerschaften steuerliche Risiken. Insoweit sind jedenfalls die damit in Verbindung stehenden Token von der einjährigen Spekulationspflicht ausgenommen und stets der steuerlichen Berücksichtigung unterworfen.
  • Neue Möglichkeit der Bestimmung der Verbrauchsfolge: Jedenfalls ist die Bestimmung des Veräußerungsgewinns auch über die „Durchschnittsmethode“ anstelle der First-in-First-out-Methode (FiFo) als Erleichterung zu verstehen. Insoweit besteht jetzt ein Wahlrecht für den Steuerpflichtigen. Das ist auch für den NFT-Markt von großer Bedeutung, bei dem der Erwerb von Kryptocoins (Ethereum) regelmäßig nur eine (wenn auch steuerlich erhebliche) Zwischenstation ist. Auch die Klarstellung, dass nunmehr eine walletbezogene Betrachtung für die Verbrauchsfolge zulässig ist und nicht auf den Steuerpflichtigen (der mehrere Wallet verwenden kann) insgesamt abzustellen ist, ist hilfreich.
  • Steuerliche Probleme der Airdrops: Bei den Airdrops (unentgeltliche Verteilung von Einheiten einer virtuellen Währung oder Token) geht die Finanzverwaltung nunmehr im Grundsatz bereits beim „Drop“ von einem steuererheblichen Vorgang aus. Jedenfalls wird die Verknüpfung einer Wallet als ausreichende „Mitwirkung“ für die Anforderungen der sonstigen Einkünfte (§ 22 Nr. 3 EStG) gesehen. Der erhaltene Airdrop ist dann mit dem Marktwert zu bestimmen, was ganz erhebliche Fragen zu dessen Bestimmung (nicht nur im NFT-Bereich) aufwirft. Als Folgewirkung wird der Airdrop dann auch der einjährigen Spekulationsfrist unterworfen. Der Airdrop kann in diesen Fällen erst nach einem Jahr (Haltedauer) steuerfrei veräußert werden. Diese steuerliche Würdigung des Finanzministeriums birgt eine erhebliche steuerliche Gefahr für die Trader, denn wenn der Kurs des Airdrops nach der Zuteilung einbricht und der Airdrop innerhalb der Jahresfrist veräußert wird, ist eine Verlustverrechnung (Erhalt: Airdrop = Gewinn aus § 22 Nr. 3 EStG, Airdrop-Verkauf = Verlust aus § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG) aufgrund der unterschiedlichen Einkunftsarten ausgeschlossen (§ 22 Nr. 3 S. 3 EStG).
  • Dokumentationspflichten: Hier gibt es bedauerlicherweise keine konkreten Hinweise seitens des Finanzministeriums. Es wird aber erwartet, dass ein weiteres Schreiben dieses Thema gesondert behandeln wird.

 

Dr. Christopher Arendt, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Geschäftsführer der Acconsis GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft, Geschäftsführer der Acconsis GmbH Steuerberatungsgesellschaft

 

Dipl.-Kffr. Kerstin Weidenbach-Koschnike, Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin, Geschäftsführerin der Acconsis GmbH Steuerberatungsgesellschaft, Geschäftsführerin der Acconsis GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

 

 

BC 6/2022 

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