Kernpunkte der neuen EU-Bilanzrichtlinie |
Stichworte | EU-Bilanzrichtlinie | Erläuterungen/Ausnahmen/ Wahlrechte | (Eventuelle) HGB-Auswirkungen |
Wirtschaftliche Betrachtung | Art. 6 Abs. 1 Buchst. h i.V.m. Art. 6 Abs. 3 | Posten der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung sind unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Gehalts des/der zu Grunde liegenden Geschäftsvorfalls/Vereinbarung zu bilanzieren. Art. 6 Abs. 3 EU-Bilanzrichtlinie gestattet den EU-Mitgliedstaaten allerdings, Unternehmen von der Anwendung auszunehmen. Ob damit eine Ausnahme aller Unternehmen möglich ist, erscheint fragwürdig. | Bislang ist neben dem Kriterium des wirtschaftlichen Eigentümers auch der Aspekt des rechtlichen Eigentums zu berücksichtigen. Die rechtliche Verfügungsgewalt über einen Vermögensgegenstand tritt allerdings in den Hintergrund, wenn zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum an einem Vermögensgegenstand nicht zusammenliegen. Folge: geringe praktische Auswirkungen auf das HGB |
Wesentlichkeits-grundsatz | Art. 6 Abs. 1 Buchst. j i.V.m. Art. 6 Abs. 4 | Wesentlichkeitsgrundsatz für Ansatz, Bewertung, Darstellung, Offenlegung und Konsolidierung in Anlehnung an die IFRS. Gemäß Art. 6 Abs. 4 EU-Bilanzrichtlinie wird den EU-Mitgliedstaaten gestattet, den Anwendungsbereich des Wesentlichkeitsgrundsatzes auf die Darstellung und Offenlegung zu begrenzen. Letztlich besteht damit ein Mitgliedstaatenwahlrecht zur Einführung des Grundsatzes für Ansatz, Bewertung und Konsolidierung. | Der Grundsatz ist zwar bereits in der Generalnorm des § 264 HGB enthalten und einzelne Vorschriften des HGB stellen ausdrücklich auf das Kriterium der Wesentlichkeit ab, seine Bedeutung in Deutschland weicht infolge seiner engen Auslegung durch Rechtspraxis, Schrifttum und Wirtschaftsprüfer aber erheblich von jener innerhalb der IFRS ab. Abzuwarten bleibt allerdings, welche Bedeutung dem Grundsatz künftig (mindestens) beizumessen sein wird. |
Overriding principle | Art. 6 Abs. 3 und 4 | Zur Einhaltung der „Fair Presentation“ als oberstem Bilanzierungsgrundsatz darf – in Anlehnung an die IFRS – sogar von Einzelvorschriften abgewichen werden, sofern die Einhaltung dieser nicht ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens ergibt. Den Mitgliedstaaten wird gestattet, Ausnahmefälle zu bezeichnen (mit Festlegung von Ausnahmeregelungen). | In Deutschland gilt bislang der Vorrang von Einzelregelungen, etwa aus dem Handels-, Aktien- oder GmbH-Recht, sowie der GoB vor der Generalnorm des § 264 HGB. Aus HGB-Sicht stehen somit tiefgreifende Änderung(en) bevor. Die eventuelle Einführung einer „Generalregelung“ – in Anlehnung an die Neuregelung des § 264 Abs. 2 Satz 4 HGB in der Fassung des MicroBilG –, die etwa vorsehen könnte, dass bei Einhaltung der handelsrechtlichen Normen stets die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermutet werden kann, dürfte auf Dauer nicht zu halten sein. |
Größenklassen-zuordnung | Art. 3 Abs. 1 bis 3 | Die maximal zulässigen Schwellenwerte für die Größenklassenzuordnung im Einzelabschluss (siehe Tabelle 1 unten) werden um 3,90-23,97% angehoben. Hinsichtlich der Grenzwerte zwischen kleinen und mittleren Unternehmen besteht dabei ein Mitgliedstaatenwahlrecht in Form einer Schwellenwertspanne, was im Extremfall zu einer Absenkung der Werte führen kann. | Der deutsche Gesetzgeber hat sich in der Vergangenheit jedoch an den möglichen Maximalwerten orientiert, und ein abweichendes Verhalten ist nicht zu erwarten, sodass sich voraussichtlich eine mitunter deutliche Anhebung der Grenzwerte ergeben wird. Beispiel: Bezüglich der Bilanzsumme für kleine Unternehmen ist die Tabelle 1 dementsprechend so zu lesen: Der deutsche Gesetzgeber muss den HGB-Wert von 4,84 Mio. € nicht anheben (weil >4 Mio. €), kann ihn aber anheben (auf 6 Mio. €). Für mittlere Unternehmen besteht demzufolge noch Anpassungspotenzial von 4,84 Mio. € auf 6 Mio. € (bei der Bilanzsumme) und von 9,68 Mio. € auf 12 Mio. € (beim Umsatz). |
Art. 23 Abs. 1, 2 i.V.m. Art. 3 Abs. 4 bis 6 | Die maximal zulässigen Schwellenwertgrenzen für eine Konzernrechnungslegungspflicht (Tabelle 2 unten) werden ebenfalls angehoben. Mitgliedstaaten können dabei entweder nur kleine Gruppen oder kleine und mittlere Gruppen von der Konzernrechnungslegungspflicht befreien. Zusätzlich steht ein weiteres Mitgliedstaatenwahlrecht in Form einer Schwellenwertspanne zur Verfügung. | Analog zum Einzelabschluss ist mit einer Anpassung des HGB an die Höchstgrenzen (hier nur maximal 3,90%) zu rechnen. Beispiel: von 46,2 Mio. € auf 48 Mio. € bzw. von 38,5 Mio. € auf 40 Mio. € bei der Umsatzgrenze. |
Bewertung von Vermögensgegen-ständen | Art. 6 Abs. 1 Buchst. i, Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b, Art. 7 Abs. 1 | Beibehaltung des Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzips. Neben der bereits jetzt zulässigen Bewertung zum beizulegenden Zeitwert wird künftig auch die Neubewertung des Anlagevermögens gestattet. Bewertungsalternativen für die nationalen Gesetzgeber: - zwingende Vorschrift oder
- Unternehmenswahlrecht oder
- Begrenzung der Anwendung auf bestimmte Unternehmenskategorien und im Falle der Bewertung zum beizulegenden Zeitwert zudem auf bestimmte Arten von Vermögensgegenständen.
| Eine Anpassung des HGB ist bedingt durch die Ausgestaltung als Mitgliedstaatenwahlrecht nicht erforderlich, aber möglich. Ein Wechsel hin zur umfassenden Bewertung zum beizulegenden Zeitwert oder einer Neubewertung des Anlagevermögens ist jedoch kaum zu erwarten. |
Bewertung von Rückstellungen | Art. 12 Abs. 12 Satz 3 | Bewertung mit dem besten Schätzwert der Aufwendungen, die wahrscheinlich eintreten werden, bzw. im Falle einer Verbindlichkeit mit dem am Bilanzstichtag erforderlichen Abgeltungsbetrag. | Da künftige Preis- und Kostenverhältnisse bereits jetzt zu berücksichtigen und auch Wahrscheinlichkeitsberechnungen zulässig sind, ergeben sich aus deutscher Sicht trotz Anpassungsnotwendigkeit keine großen Auswirkungen. |
Bilanz-Gliederung | Art. 9 Abs. 2 i.V.m. den Anhängen III und IV | Zwei Mindestgliederungen zulässig: - Gliederung gemäß Anhang III: Entspricht im Wesentlichen der des § 266 HGB, bedingt aber neue/andere Untergliederungen und Ausweispositionen, welche eine Anpassung der Kontenzuordnungen erfordern werden.
- Alternativgliederung nach Anhang IV: Rüttelt an den Grundfesten der deutschen Vorstellung von einer Bilanz: Sie sieht eine vertikale Bilanz unter Abkehr von der Aufteilung in Aktiv- und Passivseite vor.
Die Mindestgliederung kann sowohl zwingend vorgeschrieben als auch lediglich erlaubt werden. | Mit einer zwingenden oder optionalen Anwendung der vertikalen Alternativgliederung gemäß HGB ist nicht zu rechnen. |
GuV-Gliederung | Art. 13 Abs. 1 i.V.m. den Anhängen V und VI, Art. 6 Abs. 1 Buchst. f | Die Unterscheidung zwischen ordentlichen und außerordentlichen Posten wird aufgegeben. Betrag und Wesensart von Ertrags- oder Aufwandsposten von außerordentlicher Größenordnung oder außerordentlichem Stellenwert sind künftig im Anhang anzugeben. | Sowohl § 275 HGB als auch die Anhangvorschriften müssen entsprechend geändert werden. Mit einer Abschaffung des Wahlrechts zwischen dem Gesamtkostenverfahren (GKV) und dem Umsatzkostenverfahren (UKV) ist indes nicht zu rechnen. |
Anhang | Art. 16, 17, 18 | Anstatt Erleichterungen in Abhängigkeit der Größenklasse zu definieren, geht die EU-Bilanzrichtlinie den umgekehrten Weg – sie knüpft Angabepflichten von vornherein an die Größenklasse: - Anhangangaben für alle Unternehmen,
- zusätzliche Angabepflichten nur für mittlere und große Unternehmen sowie Unternehmen von öffentlichem Interesse,
- zusätzliche Angabepflichten ausschließlich für große Unternehmen und Unternehmen von öffentlichem Interesse.
Gestattet wird jedoch die Erweiterung des Anhangs von kleinen Unternehmen um 5 Angaben (aus den zusätzlichen Angabepflichten nur für mittlere und große Unternehmen). | Aus Sicht des HGB ergibt sich die Pflicht zur (teilweisen) Streichung der Befreiung mittlerer Unternehmen von der Pflicht zur Berichterstattung über Geschäfte des Unternehmens mit nahe stehenden Unternehmen und Personen (Art. 17 Abs. 1 Buchst. r EU-Bilanzrichtlinie). Derzeit durch § 289 Abs. 1 Nr. 1 HGB lediglich im Lagebericht vorgeschrieben, künftig dagegen bereits im Anhang (ab mittlerer Größe) zu berichten ist zudem über wesentliche Ereignisse am Ende des Jahres, die weder in der GuV noch in der Bilanz widergespiegelt sind (Art. 17 Abs. 1 Buchstabe p EU-Bilanzrichtlinie). |
Country-by-country-Reporting | Art. 42 ff. | Verbindlicher Bericht über Zahlungen an staatliche Stellen. Dieser ist allerdings nur von großen Unternehmen und Unternehmen von öffentlichem Interesse aus der mineralgewinnenden Industrie und der Industrie des Holzeinschlags von Primärwäldern auszufertigen und offenzulegen. Der jährliche Bericht hat dabei (gemäß Art. 43 Abs. 1 EU-Bilanzrichtlinie) alle Zahlungen, Zahlungsreihen sowie Sachleistungen mit einem Volumen von 100.000 € oder mehr zu enthalten. Die Berichtspflicht auf Ebene von Tochterunternehmen kann aber entfallen, sofern ein übergeordnetes Konzernunternehmen, das dem Recht eines Mitgliedstaats unterliegt, einen entsprechenden Bericht aufstellt und offenlegt, der die Zahlungen des Tochterunternehmens an staatliche Stellen enthält (Art. 42 Abs. 2 EU-Bilanzrichtlinie). | Neu für das HGB: begrenzte Auswirkungen auf große Unternehmen und Unternehmen von öffentlichem Interesse aus der mineralgewinnenden Industrie und der Industrie des Holzeinschlags von Primärwäldern. |