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Außenprüfung/Abgabenordnung
   

Keine Unterbrechung der Außenprüfung bei nur ein Prüfungsjahr betreffenden Prüfungshandlungen

BC-Redaktion

BFH-Urteil vom 26.4.2017, I R 76/15

 

  1. Auch sog. qualifizierte Prüfungshandlungen, die nur ein Prüfungsjahr betreffen, führen dazu, dass die Außenprüfung insgesamt – also auch bezogen auf andere Prüfungsjahre – als nicht unmittelbar nach dem Prüfungsbeginn unterbrochen im Sinne des § 171 Abs. 4 Satz 2 AO gilt.
  2. Die Entgegennahme von Buchführungsdaten am Prüfungsort ist eine vom Prüfer veranlasste und damit für den Steuerpflichtigen erkennbar auf die Ermittlung des Steuerfalls gerichtete Handlung, die dem von der Rechtsprechung als qualifizierte Prüfungshandlung anerkannten Verlangen nach der Übergabe von Belegen und Unterlagen gleichsteht.
  3. Wurden Buchführungsdaten vor ihrem Ausdruck zunächst in ein Programm eingelesen und dann programmseitig einer Plausibilitätskontrolle unterzogen, liegt eine dem Prüfer zuzurechnende qualifizierte Prüfungshandlung vor.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Am 1.11.2006 erging an eine AG eine Prüfungsanordnung für die Jahre 2001 und 2002 (Streitjahre = Prüfungsjahre). Die AG war u.a. an zwei KG, der KG 1 bzw. der KG 2, beteiligt. Am 13.12.2006 erschien die Prüferin bei der AG und nahm einen Datenträger (CD mit Buchführungsdaten für 2001 und 2002) in Empfang.

Die Prüferin fertigte handschriftliche Notizen und druckte zunächst am 20. und 21.12.2006 Daten der AG betreffend „Periode 2001–2002“ aus. Die Handakte enthält weiterhin Datenausdrucke mit Datum 16.1.2007 zum Jahr 2001, die sich laut Stichwort mit der „Anwachsung von Anteilen“ befassten. Zudem befindet sich dort jeweils eine Kopie der Jahresabschlüsse der Kommanditgesellschaften (KG 1 und KG 2) zum 31.12.2001. Weitere Ausdrucke erfolgten am 18.4.2008 und dann erst wieder am 26. und 27.11.2009, 7.12.2009 und 30.11.2010.

Insgesamt wurden zwischen dem 30.10.2006 und dem 22.1.2007 elf Vorbereitungs-/Prüfungstage durchgeführt.

Mit Schreiben vom 10.12.2009 wandte sich die Prüferin erstmals seit der Entgegennahme der Daten-CD am 13.12.2006 an die AG und teilte mit, die bereits begonnene Prüfung fortsetzen zu wollen und dafür Erläuterungen zu den Wertberichtigungen zu benötigen. Die AG lehnte eine Antwort auf die Fragen unter Hinweis auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung ab, da die steuerliche Außenprüfung vor Ablauf der Festsetzungsfrist nicht ernsthaft begonnen worden sei. Im Übrigen sei die Prüfung jedenfalls ohne ihr Verschulden für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten unterbrochen worden.

 

 

Lösung

Eine Festsetzungsverjährung ist für die Streitjahre nicht eingetreten. Im vorliegenden Streitfall begann die Festsetzungsfrist

  • für das Streitjahr 2001 infolge der Abgabe der gesetzlich vorgeschriebenen Erklärung am 14.1.2003 mit Ablauf des 31.12.2003,
  • für das Streitjahr 2002 infolge der Abgabe der Erklärung am 8.4.2004 mit Ablauf des 31.12.2004 (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO).

Die Festsetzungsfrist endete gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO nach vier Jahren am 31.12.2007 bzw. 31.12.2008. Ausnahme: Ihr Ablauf wird nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO durch den Beginn der steuerlichen Außenprüfung, die sich auf die steuerlichen Verhältnisse der Streitjahre erstreckt, gehemmt. Die Ablaufhemmung tritt indessen nicht ein, wenn die Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn aus Gründen, die die Finanzbehörde zu vertreten hat, für die Dauer von mehr als sechs Monaten unterbrochen wird (§ 171 Abs. 4 Satz 2 AO).

Der Ablauf der für die Streitjahre jeweils maßgeblichen Festsetzungsfrist war im Streitfall nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO durch den noch in 2006 anzunehmenden Beginn der Außenprüfung gehemmt.

 

 

Beginn einer Außenprüfung

Mit einer Außenprüfung ist tatsächlich noch nicht begonnen, wenn der Prüfer erscheint und die Prüfungsanordnung übergibt. Dies ist erst dann der Fall, wenn er nach der Übergabe oder Übersendung der Prüfungsanordnung Handlungen zur Ermittlung des Steuerfalls vornimmt. Als Prüfungshandlungen kommen das informative Gespräch, das Verlangen nach Belegen und Unterlagen oder Auskünften, gegebenenfalls auch von Dritten, in Betracht.

Insofern hat die Prüferin die Außenprüfung im Streitfall am 13.12.2006 durch ihr Erscheinen am Prüfungsort und die – nach entsprechender Aufforderung erfolgte – Entgegennahme einer CD mit beide Prüfungsjahre betreffenden Buchführungsdaten der AG begonnen (qualifizierte Prüfungshandlung durch Anforderung und Entgegennahme der Daten-CD).

 

 

Unterbrechung einer Außenprüfung

Unabhängig vom Zeitaufwand ist eine Unterbrechung unmittelbar nach Beginn der Prüfung dann anzunehmen, wenn der Prüfer über Vorbereitungshandlungen, allgemeine Informationen über die betrieblichen Verhältnisse, das Rechnungswesen und die Buchführung und/oder die Sichtung der Unterlagen des zu prüfenden Steuerfalls bzw. ein allgemeines Aktenstudium nicht hinausgekommen ist.

Eine Außenprüfung ist danach nicht mehr unmittelbar nach Beginn unterbrochen, wenn die Prüfungshandlungen hinsichtlich des Umfangs und Zeitaufwands – gemessen an dem gesamten Prüfungsstoff – erhebliches Gewicht erreicht oder erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt haben. Ausreichend ist hierbei, dass Ermittlungsergebnisse vorliegen, an die bei der Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden kann.

Vor diesem Hintergrund ist die Prüfung der AG bezogen auf das Streitjahr 2001 nicht unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen worden; eine spätere Unterbrechung der Prüfung lässt die eingetretene Ablaufhemmung hiervon unberührt. Die Prüferin hat am 20. und 21.12.2006 und sodann wieder am 16.1.2007 das Jahr 2001 betreffende Ausdrucke vorgenommen und einzelne Positionen mit amtsinternen Daten abgeglichen. Da es sich um Datenausdrucke unter dem Verfahren IDEA handelt, ist insoweit davon auszugehen, dass die Prüferin die Buchführungsdaten der AG vor dem Ausdruck zunächst in dieses Programm eingelesen und sodann einer vom Programm vorgesehenen Plausibilitätskontrolle unterzogen hat. Bereits insoweit handelt es sich um eine qualifizierte Prüfungshandlung, die der Prüferin als derjenigen Person, die die Plausibilitätskontrolle und den nachfolgenden Datenausdruck veranlasst hat, zuzurechnen ist.

Die Prüfung führte zu ersten auswertbaren Ergebnissen, an die bei der Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden konnte (hier: ordnungsgemäße Erfassung der Anwachsungen in den Büchern der AG).

 

 

Praxishinweise:

  • Ob im Streitfall auch für das Streitjahr 2002 qualifizierte Prüfungshandlungen (hier: durch Einlesen der entsprechenden Buchführungsdaten und eine Plausibilitätskontrolle) vorgelegen haben, ist nicht ausschlaggebend. Denn die das Prüfungsjahr 2001 betreffenden qualifizierten Prüfungshandlungen haben zur Folge, dass die Außenprüfung insgesamt – also auch bezogen auf das Streitjahr 2002 – als nicht unmittelbar nach dem Prüfungsbeginn unterbrochen gilt.
  • Sowohl die Lohnsteuer-Nachschau als auch die Umsatzsteuer-Nachschau sind keine steuerlichen Außenprüfungen. Beide Fälle führen daher nicht zur Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 4 AO.

 

[Anm. d. Red.]                    

 

 

BC 10/2017 

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