FG Münster, Urteil vom 17.6.2019, 4 K 3539/16 F (Revision zugelassen)
Mithilfe einer verbindlichen Auskunft lassen sich die steuerlichen Folgen eines noch nicht verwirklichten Sachverhalts frühzeitig mit den Finanzbehörden abklären. Doch ist eine solche verbindliche Auskunft auch dann bindend, wenn das die Auskunft erteilende Finanzamt örtlich gar nicht zuständig war?
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Problemstellung
Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, welche mit einer Beteiligung von 5,8% Kommanditistin der beigeladenen Gesellschaft war. Die Klägerin stellte eine verbindliche Auskunft beim für sie örtlich zuständigen Finanzamt bezüglich der erfolgsneutralen Übertragung einer § 6b-Rücklage (Reinvestitionsrücklage) von der beigeladenen Gesellschaft auf die Klägerin. Der Sachverhalt wurde anschließend verwirklicht.
Im Rahmen einer späteren steuerlichen Außenprüfung bei der beigeladenen Gesellschaft kam der Prüfer zu einem von der erteilten verbindlichen Auskunft abweichenden Ergebnis, welches entsprechend veranlagt wurde. Der Einspruch wurde u.a. mit der Begründung abgelehnt, dass das Finanzamt der Klägerin örtlich nicht für die beigeladene Gesellschaft zuständig ist. Die verbindliche Auskunft habe mangels Beteiligung des für die beigeladene Gesellschaft zuständigen Finanzamts keine Bindungswirkung.
Lösung
Aus Sicht des Finanzgerichts (FG) Münster steht der Bindungswirkung der Auskunft nicht entgegen, dass die verbindliche Auskunft von einem örtlich nicht zuständigen Finanzamt erteilt worden ist. So ist z.B. laut BFH-Rechtsprechung eine verbindliche Auskunft, die vor einem Wohnsitzwechsel vom zuständigen Finanzamt erteilt wurde, gegenüber dem nach dem erfolgten Wohnsitzwechsel zuständigen Finanzamt bindend. Zwar gehen § 2 Abs. 1 S. 1 StAuskV und der Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zu § 89 AEAO unter Nr. 3.6.5 S. 4 ausdrücklich davon aus, dass Auskünfte unzuständiger Behörden von vornherein keine Bindungswirkung entfalten können. Doch kann aus Sicht des FG Münster hieraus keine generelle Einschränkung der Wirksamkeit eines Verwaltungsakts abgeleitet werden. Eine solche Einschränkung wäre aus Sicht des FG Münster nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Es würde auch dem Prinzip der Rechtsklarheit entgegenstehen. Ferner besteht die Bindungswirkung gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 StAuskV für die Besteuerung des Antragstellers und nicht für das die Auskunft erteilende Finanzamt.
Somit ist im Ausgangsfall die erteilte verbindliche Auskunft weiterhin bindend.
Es bleibt zu hoffen, dass sich der BFH der Auffassung des Finanzgerichts anschließt. Sinn und Zweck einer verbindlichen Auskunft ist es, einen fraglichen Sachverhalt vorab zu klären. Gerade steuerliche Laien müssen sich dabei auf die Auskunft verlassen können, ohne vorher prüfen zu müssen, ob das Finanzamt überhaupt für die Erteilung der Auskunft zuständig war. Im Zweifelsfall müsste dieser Punkt vom Finanzamt selber vor Erteilung der Auskunft geprüft werden. |
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 8/2019
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