FG Hessen, Urteil vom 10.9.2019, 4 K 1318/18 (Revision zugelassen)
Vergessene Angaben in der Steuererklärung können zu höheren Steuern führen. Ärgerlich ist, wenn der Fehler erst nach Eintritt der Bestandskraft bemerkt wird. Unter bestimmten Voraussetzungen ist aber auch dann eine Korrektur möglich. Doch sind diese Voraussetzungen bei vergessenen Abschreibungen gegeben?
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Problemstellung
Die Kläger erzielen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. In ihrer Einkommensteuererklärung 2014 versäumten sie aus Unachtsamkeit, in der Anlage V die jährliche AfA zu erklären.
Das Finanzamt hatte bereits seit dem Jahr 2004 eine bis zum Jahr 2036 reichende AfA-Tabelle in seinem EDV-System zur Steuernummer der Kläger als festsetzungsnahe Daten hinterlegt. Der elektronische Prüfhinweis „Die geltend gemachten Absetzungen bei den Einkünften aus V u. V (…) stimmen nicht mit dem AfA-Betrag in den festsetzungsnahen Daten überein. Bitte prüfen und gegebenenfalls die festsetzungsnahen Daten aktualisieren“ wurde vom zuständigen Sachbearbeiter bei der Veranlagung ignoriert.
Die Kläger sind der Meinung, das Vergessen der AfA-Angabe stelle eine offenbare Unrichtigkeit dar, welche das Finanzamt als eigene übernommen habe. Somit sei der bestandskräftige Bescheid nach § 129 AO zu berichtigen. Aus Sicht des Finanzamts handelt es sich dagegen um einen Ermittlungsfehler, so dass eine Korrektur nach § 129 AO ausgeschlossen sei.
Lösung
Das Finanzgericht (FG) Hessen folgt der Auffassung der Kläger. Eine Unrichtigkeit ist offenbar, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist. Ist eine solche Unrichtigkeit für das Finanzamt erkennbar und wird trotzdem übernommen, so ist die Unrichtigkeit dem Finanzamt als eigene zuzurechnen. Eine offenbare Unrichtigkeit liegt allerdings nicht vor, wenn die mehr als theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums gegeben ist. Es muss sich um einen mechanischen Fehler handeln.
Im Ausgangsfall lagen die richtigen AfA-Beträge dem Finanzamt in den festsetzungsnahen Daten zum Zeitpunkt der Veranlagung vor und wurden vom EDV-System automatisch hinzugezogen, was aus dem elektronischen Prüfhinweis ersichtlich ist. Es kann sich daher nicht um einen Ermittlungsfehler handeln. Vielmehr stellt das Übergehen des elektronischen Prüfhinweises durch den Sacharbeiter eine offenbare Unrichtigkeit des Finanzamts dar. Somit ist der Steuerbescheid nach § 129 AO zu berichtigen.
Laut BFH-Rechtsprechung ist bei einem reinen Vorliegen von elektronisch gespeicherten Daten nicht automatisch von einer Hinzuziehung zur Veranlagung auszugehen. Entscheidend ist aus Sicht des FG Hessen aber, dass im Ausgangsfall der elektronische Prüfhinweis auf einen Abgleich der hinterlegten Daten mit der Steuererklärung schließen lässt. Dadurch sind die hinterlegten Daten als bei der Veranlagung präsent zu werten. |
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 12/2019
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