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Außenprüfung/Abgabenordnung
   

EU-rechtswidrig einbehaltene Steuern sind mit 6% zu verzinsen

Christian Thurow

FG Köln, Urteil vom 17.11.2021, 2 K 1544/20 (Revision zugelassen, Az. BFH: I R 50/21)

 

Zu seiner großen Überraschung muss der britische Premierminister Boris Johnson gerade feststellen, dass von ihm tatsächlich erwartet wird, sich ebenfalls an die von seiner Regierungsmannschaft erlassenen Corona-Regeln zu halten. Eine ähnliche Überraschung scheinen die Steuerbehörden zu erleben. Wie bekannt, sind zu spät gezahlte Steuern grundsätzlich zu verzinsen. Wer konnte ahnen, dass sich daraus auch Konsequenzen für zu Unrecht erhobene und über einen längeren Zeitraum einbehaltene Steuern ergeben könnten?


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Eine in Österreich ansässige Gesellschaft stellte im Zeitraum 2009 bis 2012 beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) verschiedene Anträge auf Freistellung und Erstattung von deutscher Kapitalertragsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag. Diese Anträge wurden zunächst unter Hinweis auf die Vorschrift des § 50d Abs. 3 EStG abgelehnt. Nachdem der EuGH die Unvereinbarkeit des § 50d Abs. 3 EStG mit dem Unionsrecht festgestellt hatte, kam es im Jahr 2018 zu einer Erstattung.

Aus Sicht der Klägerin waren die erstatteten Steuern zusätzlich zu verzinsen. Das BZSt lehnte eine Verzinsung ab. Nachdem es über den hiergegen eingelegten Einspruch nicht entschieden hatte, wandte sich die Klägerin nach knapp 20 Monaten mit einer sog. Untätigkeitsklage an das Finanzgericht Köln.

 

 

Lösung

Das Finanzgericht (FG) Köln folgt der Auffassung der Klägerin und spricht ihr einen Verzinsungsanspruch zu. Dem Steuerpflichtigen steht grundsätzlich eine angemessene Entschädigung für die Einbußen, die er durch die zu Unrecht gezahlte Steuer erlitten hat, zu. Die Höhe der Einbuße hängt dabei entscheidend von der Dauer der zu Unrecht einbehaltenen Steuer ab. In Ermangelung einschlägiger Verzinsungsmodalitäten ist auf die allgemein gültigen Verzinsungsgrundsätze von 0,5% je Kalendermonat (6% p.a.) zurückzugreifen. Bei der Ermittlung des Zinslaufs ist den Behörden eine angemessene Bearbeitungszeit zuzugestehen. In Anlehnung an ein BFH-Urteil zur Energiesteuerentlastung geht das FG Köln hierbei von einer angemessenen Bearbeitungszeit von vier Monaten und 10 Arbeitstagen aus.

Im Ausgangsfall hatte die Klägerin im strittigen Steuerzeitraum eine Freistellungsbescheinigung beantragt und erhalten, welche später jedoch widerrufen wurde. Bis zum Zeitpunkt der Erteilung der Freistellungsbescheinigung beginnt der Zinslauf unter Berücksichtigung der oben genannten angemessenen Bearbeitungszeit. Ab der Erteilung der Freistellungsbescheinigung beginnt der Zinslauf dagegen direkt mit dem Einbehalt der Steuern. Zum Steuereinbehalt kam es nach dem zu Unrecht erfolgten Widerruf der Freistellungsbescheinigung. Hätte diese Bestand gehabt, wäre es ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zu einem Abzug gekommen. Eine Bearbeitungszeit ist den Behörden daher in diesem Fall nicht zuzugestehen.

 

Praxishinweis:

Gemäß § 233a AO werden nicht nur Steuernachforderungen, sondern auch Steuererstattungen verzinst. Der Anspruch auf Zinsen wegen Steuererstattungen entsteht (nach § 233a Abs. 1 AO) in der Regel erst dann, wenn die Festsetzung einer Betriebssteuer zu einer Steuererstattung führt. Vor der Steuerfestsetzung ist für gewöhnlich rechtlich kein Zinsanspruch entstanden. Gleichwohl ist aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine Zinsforderung auszuweisen, wenn die in § 233a Abs. 2 S. 1 AO genannte Frist von 15 Monaten nach dem Ende des Kalenderjahres, für das der Steuererstattungsanspruch entstanden ist, abgelaufen ist.

Steuererstattungszinsen führen allerdings – wie Guthabenzinsen überhaupt – zu steuerpflichtigen Einkünften, während Nachzahlungszinsen auf Steuernachforderungen nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen (vgl. Thurow, BC 2021, 161, Heft 4).

 

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

BC 2/2022

becklink445161

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