BFH-Urteil vom 4.5.2022, I R 46/18
Für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft mit einem Gegenstandswert von über 10.000 € fällt eine Gebühr an (§ 89 Abs. 5 AO). Die Höhe der Gebühr richtet sich dabei nach dem Gerichtskostengesetz (GKG). Bei einem Gegenstandswert von über 500.000 € erhöht sich die Gebühr um 198 € (vor dem 1.1.2021: 180 €) je weitere 50.000 € Gegenstandswert (§ 34 GKG). Doch was, wenn der Antrag kurz vor Erteilung der Auskunft zurückgezogen wird?
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Problemstellung
Eine KG stellte (im Jahr 2013) den Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft im Zusammenhang mit einer steuerlichen Entstrickung von Wirtschaftsgütern. Unstreitig war bei der Berechnung des Gegenstandswerts der Höchstbetrag von 30 Mio. € (§ 39 Abs. 2 GKG) anzusetzen, was zu einer Gebühr von über 100.000 € geführt hätte (Maximalgebühr bei einem Gegenstandswert von 30 Mio. € im Streitfall: 109.736 €; seit 1.1.2021: 120.721 €). Nach eingehender Prüfung der Anfrage durch die Finanzbehörde und 156 angefallenen Arbeitsstunden zeichnete sich deutlich eine negative Auskunft ab. Es wurden auch alternative Sachverhaltsgestaltungen diskutiert.
Kurz vor Abschluss der Bearbeitung zog die KG dann ihren Antrag zurück. Das Finanzamt ging davon aus, dass zum Abschluss der Arbeiten noch rund 10 bis 15 Arbeitsstunden benötigt worden wären. Dies berücksichtigte das Finanzamt, indem es die eigentliche Gebühr für die Erteilung der verbindlichen Auskunft (109.736 €) um 10% auf rund 98.000 € senkte (genau: 98.762 €).
Aus Sicht des Klägers und des erstinstanzlichen Finanzgerichts war durch die Rücknahme des Antrags der Gebührenzweck der Vorteilsabschöpfung entfallen, sodass die Gebühr nunmehr lediglich zur Kostendeckung diene. Aus diesem Grund sei lediglich die Zeitgebühr in Höhe von 100 € x 156 Stunden = 15.600 € abzurechnen.
Lösung
Der BFH widerspricht der Auffassung von Kläger und erstinstanzlichem Finanzgericht. Ein grundsätzlicher Wechsel zwischen Wert- und Zeitgebühr ist in § 89 AO nicht vorgesehen. Auch im Fall einer sich nur abzeichnenden Negativauskunft ergibt sich für den Steuerpflichtigen bereits ein Vorteil, da er eine drohende Steuerbelastung vermeiden kann, indem er den dargelegten Sachverhalt nicht verwirklicht.
Soweit die Finanzbehörde noch nicht mit der Bearbeitung des Antrags begonnen hat, ist die Gebühr auf Null zu ermäßigen. Wurde aber bereits mit der Bearbeitung des Antrags begonnen, ist der bis zur Rücknahme des Antrags angefallene Bearbeitungsaufwand angemessen zu berücksichtigen und die Gebühr anteilig zu ermäßigen. Diesem Kriterium hat die Finanzbehörde im Ausgangsfall durch die Reduzierung der Gebühr auf Basis des Anteils der geschätzten noch ausstehenden Arbeitsstunden am gesamten Arbeitsaufwand Rechnung getragen. Die Reduzierung liegt dabei im Ermessen des Finanzamts und ist im Ausgangsfall nicht zu beanstanden.
Der BFH weist darauf hin, dass das erstinstanzliche Finanzgericht lediglich die Ermessensentscheidung prüfen kann, aber nicht selbst eine Ermessensentscheidung treffen darf.
Der BFH hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
- In der Regel sollte ein ordentlicher und gewissenhafter Kaufmann keine Waren oder Leistungen bestellen, ohne vorher den Preis zu kennen. Wird also die Beantragung einer verbindlichen Auskunft in Erwägung gezogen, so sollte auch hier im Vorfeld die zu erwartende Gebühr ermittelt werden, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden. Hierfür können kostenfreie Gebührenrechner für die verbindliche Auskunft im Internet herangezogen werden.
- Im Streitfall (2013) errechnet sich die Gebühr für eine Erteilung der verbindlichen Auskunft bei Überschreitung des Höchstbetrags von 30 Mio. € (Gegenstandswert) wie folgt:
Bis 500.000 € laut Anlage 2 zum Gerichtskostengesetz vor dem 1.1.2021 | 3.536 € | Ab 500.000 € Erhöhung um 180 € für jeden angefangenen Betrag von weiteren 50.000 € (vgl. § 34 GKG – bis 31.12.2020!): 180 € * 2 * 10 (für 1 Mio. €) * 29,5 (bezogen auf 30 Mio. € - 0,5 Mio. €) = | + 106.200 € | Summe | = 109.736 € |
- Zum 1.1.2021 wurden die Gebühren laut Gerichtskostengesetz um 10% angehoben (siehe § 34 GKG und Anlage 2 zu § 34 Abs. 1 S. 3 GKG).
- Ist ein Gegenstandswert nicht ermittelbar, so fällt – ab zwei Stunden Bearbeitungszeit – eine Zeitgebühr von 50 € je angefangene halbe Stunde Bearbeitungszeit an (§ 89 Abs. 6 AO). Der Steuerpflichtige kann hier durch gute Dokumentation des Sachverhalts zeitaufwendige Rückfragen vermeiden und so zu einer Reduzierung der Kosten beitragen.
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Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)
BC 9/2022
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