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Arbeits-/Sozialrecht
   

Arbeitsverträge auf dem Prüfstand – Das „neue“ Nachweisgesetz ab 1.8.2022

Katharina Mönius

 

Zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/1152 nimmt der deutsche Gesetzgeber weitreichende Änderungen im Arbeitsrecht vor. Dies betrifft insbesondere eine Aktualisierung des Nachweisgesetzes (NachwG). Ab dem 1.8.2022 gelten strengere Fristen für die schriftliche (!) Aushändigung der Mindestarbeitsbedingungen an Arbeitnehmer, deren Katalog zudem deutlich erweitert wurde. Betroffen sind sowohl neue als auch bestehende Arbeitsverhältnisse. Bei Verstößen gegen die neuen Regelungen drohen dem Arbeitgeber künftig saftige Bußgelder.


 

 

Praxis-Info!

Aufgrund des drohenden Auslaufens der Umsetzungsfrist der Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der EU („EU-Arbeitsbedingungenrichtlinie“) sah sich auch der deutsche Gesetzgeber nun gezwungen, umfassende gesetzliche Änderungen vorzunehmen, um den dort festgelegten Maßgaben nachzukommen. Ziel der EU-Arbeitsbedingungenrichtlinie ist es, durch umfassende Informations- und Dokumentationspflichten der Arbeitgeber transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer zu schaffen. Die gesetzlichen Regelungen hierzu waren in Deutschland bisher zwar recht weit vorangeschritten, ein Verstoß hiergegen blieb allerdings bisher sanktionslos. Dies führte nicht zuletzt dazu, dass es weiterhin Fallgestaltungen gab, in denen Arbeitnehmer über keine oder sehr „dürftige“ Arbeitsverträge verfügten. Herzstück der Regelungen zu den Informations- und Dokumentationspflichten des Arbeitgebers ist – und war – das NachwG. Durch die jüngste Gesetzesänderung ergeben sich hierbei nun allerdings einige Änderungen. Diese sollen nachfolgend insbesondere aus Arbeitgebersicht näher beleuchtet werden.

(Hinweis: Die weiteren gesetzlichen Änderungen wie etwa des Berufsbildungsgesetzes oder des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes sind nicht Gegenstand dieses Artikels.)

 

 

Was ist generell neu?

Geändert wurde hauptsächlich der Umfang der dem Arbeitnehmer bekanntzugebenden wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses. Neuregelungen gab es zudem hinsichtlich der dabei einzuhaltenden Fristen. Flankiert werden die vorbezeichneten Verpflichtungen durch Sanktionsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden bei Verstößen des Arbeitgebers.

 

 

Was sind die neuen wesentlichen Vertragsbedingungen?

Die wesentlichen Vertragsbedingungen für Arbeitsverhältnisse, die ab 1.8.2022 schriftlich niederzulegen sind gemäß § 2 Abs. 1 NachwG:

  1. Name und Anschrift der Vertragsparteien
  2. Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses
  3. Bei befristeten Arbeitsverhältnissen: die vorhersehbare Dauer oder das Enddatum des Arbeitsverhältnisses
  4. Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden oder seinen Arbeitsort frei wählen kann
  5. Kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit
  6. Dauer der Probezeit, sofern vereinbart
  7. Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Form der Auszahlung
  8. Vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen
  9. Bei Arbeit auf Abruf nach § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes:
    – die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat,
    – die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden,
    – der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist, und
    – die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat.
  10. Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen, sofern vereinbart
  11. Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs
  12. Ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung
  13. Name und Anschrift des Versorgungsträgers der betrieblichen Altersversorgung, wenn der Arbeitgeber eine solche zusagt. Die Nachweispflicht entfällt, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist
  14. Angaben zum bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltenden Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage
  15. Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen.

Wie genau die neuen Regelungen praktisch umgesetzt werden müssen, bleibt allerdings offen. Sowohl das NachwG als auch die zugehörige Gesetzesbegründung schweigen hierzu.

Neu sind auch die umfassenden zusätzlichen Regelungen bei einer nicht nur kurzfristigen Auslandstätigkeit des Arbeitnehmers, etwa im Rahmen von Entsendungen. Waren bisher die Regelungen des NachwG hierzu eher dürftig, bestimmt das neue NachwG nun in seinem neuen § 2 Abs. 3 NachwG insbesondere für Entsendungen zusätzliche Mindestanforderungen. Dies betrifft etwa die Angabe des Mindestlohns des Entsendelandes wie auch die Angabe des Links zu der einzigen offiziellen nationalen Website des Entsendelandes, die die zwingenden Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Entsendelandes für entsandte Arbeitnehmer angibt.

 

 

Was bedeutet das „neue“ Schriftformerfordernis betreffend die wesentlichen Vertragsbedingungen? Müssen jetzt alle Arbeitsverträge schriftlich abgefasst werden?

Obwohl die dem NachwG zugrunde liegende Arbeitsbedingungenrichtlinie auch die elektronische Form zur Erfüllung der Nachweispflichten hinsichtlich der wesentlichen Arbeitsbedingungen vorgesehen hat, wird seitens des deutschen Gesetzgebers auch weiterhin an der strengen Schriftform festgehalten. Für die Praxis bedeutet das: Die geltenden wesentlichen Vertragsbedingungen sind schriftlich auf Papier niederzulegen und arbeitgeberseitig im Original zu unterzeichnen. Das NachwG verlangt demgegenüber nicht, dass die Arbeitsverträge als solche nun von beiden Parteien handschriftlich unterschrieben werden müssen. Die Dokumentations- und Nachweispflichten des Arbeitgebers nach dem NachwG entfallen jedoch, wenn dem Arbeitnehmer bereits ein schriftlicher Arbeitsvertrag mit den wesentlichen Arbeitsbedingungen ausgehändigt wurde. Der Arbeitsvertrag selbst könnte also künftig auch weiterhin noch mündlich oder mittels elektronischer Signatur abgeschlossen werden, soweit das Gesetz keine zwingende Schriftform, wie etwa bei befristeten Arbeitsverhältnissen, vorsieht. In der Praxis wird es sich jedoch regelmäßig anbieten, direkt einen schriftlichen Arbeitsvertrag abzuschließen.

 

 

Und was nun? Für wen gilt das NachwG? Was mache ich mit meinen „Alt-Mitarbeitern“? Brauche ich jetzt neue Arbeitsverträge?

Das NachwG betrifft jeden Arbeitnehmer; hierunter fallen zukünftig auch kurzfristige Beschäftigungen (wie Aushilfe/Minijob). Die bisherigen Ausnahmen wurden aufgehoben. Im Rahmen von neuen Arbeitsverhältnissen, d.h. beginnend ab dem 1.8.2022, ist auf die schriftliche Aushändigung der wesentlichen Arbeitsbedingungen an die „Neu-Mitarbeiter“ innerhalb der entsprechenden Fristen (siehe unten) zu achten. Bei Altarbeitsverhältnissen, d.h. solchen, die bereits vor dem 1.8.2022 bestanden haben, ergibt sich zunächst kein Handlungsbedarf. Alt-Mitarbeiter können verlangen, dass der Arbeitgeber sie über die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich unterrichtet. Ein aktives Tätigwerden des Arbeitgebers ist nicht erforderlich. Demnach bedarf es keines Neuabschlusses von schriftlichen Arbeitsverträgen für die Alt-Mitarbeiter. Faktisch kann der Arbeitgeber daher das Verlangen der Alt-Mitarbeiter abwarten. Nichtsdestotrotz empfiehlt es sich, ein Musterdokument vorzuhalten, welches die wesentlichen Arbeitsbedingungen enthält, um bei Bedarf schnell auf ein Verlangen des Alt-Mitarbeiters reagieren zu können – denn auch hier gelten Fristen! (siehe unten)

 

 

Was gibt es für Fristen für die Aushändigung der wesentlichen Arbeitsbedingungen an die Arbeitnehmer?

Bei Neu-Mitarbeitern gibt es unterschiedliche Fristen für die Aushändigung der wesentlichen Arbeitsbedingungen, unterteilt nach deren „Art“. Dies bedeutet, den Neu-Mitarbeitern ist ein schriftliches Dokument auszuhändigen

  • bereits am ersten Tag der Arbeitsleistung über die Vertragsparteien, Vergütung und Arbeitszeit,
  • sieben Tage nach dem vereinbarten Arbeitsbeginn über wesentliche Arbeitsbedingungen nach § 2 S. 2 Nrn. 2 bis 6, 9 und 10 NachwG (siehe oben),
  • spätestens einen Monat nach vereinbartem Arbeitsbeginn über die restlichen wesentlichen Arbeitsbedingungen des § 2 S. 2 NachwG (siehe oben).

Alt-Mitarbeitern sind die wesentlichen Arbeitsbedingungen nach § 2 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1 bis 10 NachwG spätestens am siebten Tag nach Zugang des Verlangens beim Arbeitgeber schriftlich auszuhändigen, die übrigen wesentlichen Arbeitsbedingungen nach § 2 Abs. 1 S. 2 NachwG spätestens einen Monat nach Zugang des Verlangens.

 

 

Was droht mir als Arbeitgeber bei Verstößen?

Waren Verstöße des Arbeitgebers gegen die Dokumentations- und Nachweispflichten bisher nahezu folgenlos, da Arbeitnehmer ihre Arbeitgeber nur selten auf die Einhaltung von deren Pflichten nach dem NachwG in Anspruch genommen haben, werden diese ab dem 1.8.2022 als Ordnungswidrigkeit behandelt und können mit einem Bußgeld von bis zu € 2.000,00 im Einzelfall geahndet werden.

 

 

Fazit

In der Praxis sind die Auswirkungen der neuen Gesetzgebung nicht unerheblich und gehen mit einem erhöhten Arbeitsaufwand für Arbeitgeber einher. Ab dem 1.8.2022 gilt es, die neuen Nachweispflichten zu erfüllen und dabei ausdrücklich auf das Schriftformerfordernis zu achten. Dies dürfte angesichts der fortschreitenden Digitalisierung der Arbeitswelt wohl eher als Rückschritt des Gesetzgebers zu werten sein. Lösungsmöglichkeiten bieten sich hier etwa in der Erteilung entsprechender Vollmachten zugunsten der HR-/Personalabteilung zur Unterzeichnung von Arbeitsverträgen an. Offene Fragen hinsichtlich des Umfangs und des Detaillierungsgrads der Pflichtangaben werden von den Arbeitsgerichten zu klären sein. Hier weist das NachwG leider Lücken auf, die auch die Gesetzesbegründung nicht beantworten kann. Inwieweit und in welcher Höhe die zuständigen Aufsichtsbehörden Verstöße gegen das Nachweisgesetz ahnden, bleibt abzuwarten. In jedem Fall sollten sich Arbeitgeber umgehend daran machen, ihre Arbeitsvertragsvorlagen an die neue Gesetzeslage anzupassen, um Bußgelder zu vermeiden.

 

RAin Katharina Mönius, Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München (www.kleeberg.de)

 

BC 9/2022 

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