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Arbeits-/Sozialrecht
   

Fristlose Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug – die Bedeutung der Aufrichtigkeit für Rechnungswesenpraktiker

Christian Thurow

LAG Hamm Urt. v. 27.1.2023 – 13 Sa 1007/22 (Revision nicht zugelassen)

 

Vielen Lesern wird das Sprichwort „Ehrlich währt am längsten“ vertraut sein. Dabei ist Ehrlichkeit kein einfacher Dauerzustand. Jeder Mensch kommt im Laufe seines Lebens in eine Vielzahl von Situationen, wo es gilt, sich zu entscheiden – eine ehrliche Antwort mit unter Umständen unangenehmen Folgen oder doch eher eine Notlüge als einfacher Ausweg. Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm unterstreicht nun erneut die Bedeutung des „Vertrauensverhältnisses“ und zeigt, dass Ehrlichkeit wirklich länger währt.

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Eine Raumpflegerin mit achtjähriger Betriebszugehörigkeit und einem Grad der Behinderung von 100% machte eine rund 10-minütige Pause in einem nahen Café, ohne sich vorher aus dem elektronischen Arbeitszeiterfassungssystem des Arbeitgebers auszustempeln. Kollegen gegenüber gab sie vor, etwas im Gebäude zu erledigen. Nachdem der Vorgesetzte erfahren hatte, dass dies regelmäßig erfolgte, dokumentierte er die Abwesenheit der Klägerin mit seinem Mobiltelefon. Auf ihr Verhalten durch den Vorgesetzten angesprochen, leugnete die Klägerin die Abwesenheit zunächst. Erst als ihr die Fotoaufnahmen gezeigt wurden, gab die Klägerin ihr Verhalten zu. Der Arbeitgeber kündigte ihr daraufhin fristlos.

 

 

Lösung

Die fristlose Kündigung ohne Abmahnung ist aus Sicht des LAG Hamm gerechtfertigt. Ein vorsätzlicher Verstoß gegen die korrekte Dokumentation der Arbeitszeit kann schon an sich ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung im Sinne von § 626 BGB sein. Erschwerend kommt hier das anfängliche Leugnen der Klägerin hinzu. Die Kombination aus vorsätzlicher Täuschung und Leugnung resultiert in einem irreparablen Vertrauensbruch. Eine Abmahnung war daher nicht notwendig.

 

 

Praxishinweise:

Investoren, Kreditgeber, Lieferanten und viele weitere Geschäftspartner müssen sich auf das Zahlenwerk eines Unternehmens – also Bilanz, GuV, Monatsberichte etc. – verlassen können. Das Vertrauen in die Zahlen kann dabei nur dann erreicht werden, wenn auch ein Vertrauen in die Integrität der Mitarbeitenden im Rechnungswesen besteht. Integrität heißt nicht Unfehlbarkeit – wir alle machen Fehler. Wichtig ist, wie wir mit unseren Fehlern umgehen. Melden und berichtigen wir sie? Verschweigen wir sie, oder versuchen wir, sie jemand anderem anzuhängen? Das Urteil des LAG Hamm zeigt, dass ein Leugnen von Fehlern oder Fehlverhalten das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nachhaltig erschüttert. An einem offenen, reumütigem Umgang mit den eigenen Fehlern führt also kein Weg vorbei. Hinzu kommt, dass verschwiegene Fehler nicht nur einen Vertrauensbruch bewirken, sondern gerade im Rechnungswesen auch zu einer Fehlbilanzierung führen können.

Vorgesetzte können durch ihr Verhalten einen wichtigen Beitrag zu einer solchen Fehlerkultur leisten. Es hilft nicht, den „geständigen“ Arbeitnehmer über Gebühr in den Senkel zu stellen. Wichtig ist, die Ursache des Fehlers zu erkennen und eine Wiederholung zu vermeiden. Ein schönes Beispiel hierfür ist eine dem amerikanischen Automobilunternehmer Henry Ford zugeschriebene Anekdote:

Ein Mitarbeiter von Ford verursachte durch einen Fehler einen Millionenschaden. Sobald er seinen Fehler bemerkt hatte, meldete er ihn. Nachdem er in das Büro von Henry Ford zitiert wurde, rechnete er fest mit seiner Kündigung. Darauf angesprochen antwortete Ford: „Sie kündigen? Nachdem ich gerade Millionen in Ihre Ausbildung investiert habe?“

In Anekdoten wie vor dem Arbeitsgericht: „Ehrlich währt am längsten.“


Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 6/2023

BC2023602

 

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