CHB_RSW_Logo_mit_Welle_trans
JuS_Logobasis_Linsenreflex
Menü

Rechnungslegung/Jahresabschluss
   

Künstliche Intelligenz in der Beratung und in der Buchhaltung

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

Aktuelle Eindrücke von einer BDU-Fachverbandssitzung vom 15.6.2023 in Wiesbaden

 

ChatGPT ist ein Begriff, der seit einigen Monaten in aller Munde ist und auch die Finanz-Fachwelt vor viele Fragen stellt. Der Einsatz von KI (Künstliche Intelligenz) in der Beratung war Gegenstand der Sommersitzung des BDU-Fachverbands Sanierungs- und Insolvenzberatung.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Mit den neuesten Entwicklungen beim Einsatz von KI in der juristischen Arbeitsweise und bei der Unternehmensberatung eröffnete der BDU-Fachverband Sanierungs- und Insolvenzberatung seine diesjährige Sommersitzung, die am 15.6.2023 in Wiesbaden begann und am 16.6.2023 fortgesetzt wurde.

Britta Grauke (in Deutschland bei Restrukturierungen tätig, meist in Kooperation mit Banken) eröffnete das Programm mit einem Einblick in die Einsatzmöglichkeiten in der juristischen Beratung aus Sicht einer international agierenden Anwaltskanzlei (Weil, Gotshal & Mangers LLP). Es folgte die Perspektive der Unternehmensberatung von Philipp Wendland (Deloitte GmbH WPG). Es ergeben sich viele Chancen, aber auch immense Probleme beim Einsatz der neuen KI-Generation, die als sog. generative KI bezeichnet wird.

 

 

Lösung

Die Referentin Grauke ließ keine Zweifel aufkommen: ChatGPT werde zu ganz gravierenden Änderungen in der juristischen Tagesarbeit führen. Unterschieden wird wie folgt: Erkennt die KI etwas oder schafft sie etwas? Letzteres sei charakteristisch für die neue sog. Generative KI. Auswirkungen wird es z.B. geben bei der Effektivitätsgewinnung, bei der Automatisierung von Entscheidungen (z.B. Kreditvergaben), bei KI-gesteuerten Investitionen, bei der algorithmischen Automatisierung der Personalauswahl, beim Einsatz autonomer Transportmittel. Entstehen wird die Abhängigkeit von externen Systemen und Plattformen – und ein extremer Strombedarf für die Verarbeitung der Milliarden von Daten. Fraglich ist nicht mehr, ob diese Effekte kommen, sondern nur noch, wie wir damit umgehen.

Einschnitte sind insbesondere bei sog. Kopfarbeitern zu erwarten (Buchhaltung sei aber weniger betroffen, weil die Systeme schon digitalisiert sind). Die juristische Arbeitsweise wird durch KI begleitet (Vertragserstellung) oder auch ersetzt, beispielsweise Einsatz von „Kira“ bei der Due Diligence (sorgfältigen Analyse und Bewertung z.B. eines Kaufobjekts u.a. mittels Finanz-, Planungs-, Markt- und Rechtsanalysen). Eingescannte Unterlagen (die allerdings auch gefälscht sein können) werden bei der KI-gestützten Due Diligence maschinell ausgewertet. Als bisherige Anwendungsbereiche benannte Grauke aus juristischer Sicht insbesondere die Datenerfassung (auch großer Datenmengen), Vertragsprüfungen, Compliance-Prüfungen sowie die Erstellung von Musterschriftsätzen. Die Aufgabe besteht jeweils darin: Erkennen, Ordnen und Zusammenfassen von Informationen. Neu bei generativer KI ist das Erstellen von komplexen Arbeitsprodukten, so das Erstellen von rechtlichen Texten im „Stil des Verfassers“ oder die Suche nach Präzedenzfällen sowie die Durchführung von Simulationen. Als weitere juristische Anwendungsfälle in der Strafverfolgung erläuterte sie kurz das Profiling und die intelligente Gesichtserkennung.

Grauke befasste sich dann mit dem rechtlichen Rahmen, etwa der bisher gänzlich fehlenden Regulierung (mit Ausnahme des Datenschutzrechts) und berufsrechtlichen Vorgaben. Davon zu unterscheiden sind rechtliche Fragen beim KI-Einsatz, so die Haftung, der Schutz von Betriebsgeheimnissen (in der Cloud) und die Einhaltung der regulatorischen Vorgaben bei der Anwendung. Man müsse als KI eingesetzte Maschinen überwachen wie jüngere Kollegen, die eingearbeitet werden. Besonders wichtig ist die Zustimmung des Mandanten zur KI-Verwendung bei der Bearbeitung der Rechtssache.

Abschließend wurden die Einsatzbedingungen zusammenfassend wie folgt aufgeführt:

  • Ausreichende Richtigkeitsgewähr/geringe Fehlertoleranz
  • Kenntnis der KI-Grenzen
  • Informierte Entscheidungen über den Umgang mit der KI
  • Einbindung der Mandanten und vertragliche Absicherung
  • Einhaltung der regulatorischen Vorgaben.

Mit der KI in der Unternehmensberatung wurde der Programmteil durch Philipp Wendland fortgesetzt. Er betonte, dass generative KI auch Bildmodellierungen umfasst, nicht nur Sprachmodelle. Audio-Systeme können aus drei-sekündigen Wortmitteilungen beliebige Sätze formen. Maschinelles Lernen sei bisher ein Lernen aus Beispielen. Auch Wendland betonte, dass generative KI „erschaffen“ kann, wie z.B. ChatGPT einen Text erschaffen kann (GPT = Generative Pre-trained Transformation – deutsch: Generativer vorgefertigter Transformator). Alle Ergebnisse bedürfen der Validierung (Überprüfung). Etwa 90% werden derzeit richtig sein. Risiken liegen in der Verfügbarkeit von Daten (bisher nur Stand 2021 bei ChatGPT, ein in 2022 berufener CFO wird als solcher also nicht gefunden). Ursache-/Wirkungsbeziehungen können nicht gewährleistet werden. Ein Jobkiller wird – so das Fazit von Wendland – ChatGPT nicht sein, es wird aber die Arbeit verändern.

 

 

Praxishinweise:

  • Wie erwähnt, sah die Referentin Grauke die Arbeitsplätze in der Buchhaltung ausdrücklich nicht als durch die neue KI-Generation bedroht an, da hier die Digitalisierung bereits weit fortgeschrittener sei als in der Juristerei.
  • Interessanterweise veröffentlichte das Beratungsunternehmen Rödl & Partner kurz zuvor am 12.6.2023 im Wirtschaftsmagazin Entrepreneur Juni/Juli einen Ausblick auf KI als Schwerpunktthema der Entrepreneur-Ausgabe im Oktober 2023 (siehe unter https://www.roedl.de/themen/entrepreneur/internationalisierung-2023/ausblick-kuenstliche-intelligenz-entrepreneur?utm_medium=email&utm_campaign=Entrepreneur&utm_source=Juni%2fJuli+2023). Danach liegt die größte Chance für den Einsatz von KI in der Buchhaltung in ihrer Verwendung zur Automatisierung von Entscheidungen zur Klassifizierung von Geschäftsvorfällen (z.B. Zuweisung eines Buchhaltungskontos oder die Klassifizierung einer Betriebsausgabe anhand von Informationen auf einer Rechnung), ohne dass ein Mensch eingreifen muss. Man spreche hier also von einer vollständigen Automatisierung für bestimmte Dokumentenströme. Für diese Art der Prognose werden auch „Algorithmen der Worteinbettung“ verwendet, mit denen Wörter in für den Computer verständliche Binärwerte umgewandelt werden können. Mit ihnen kann der Computer ein Wort verstehen, indem er es in Beziehung zu anderen auf einer n-dimensionalen Ebene sieht. Es werden auch „Record Enrichment-Methoden“ (Anreicherung von Datensätzen) angewandt, bei denen die Quellinformationen angereichert werden, indem z.B. die Nummer des Lieferanten heruntergeladen und im Modell verwendet wird. Es laufe derzeit ein Forschungsprojekt zur Verarbeitung von Eingangsrechnungen.

 

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

BC 7/2023

BC2023713

 

 

Rubriken

Menü

Anzeigen

BC Newsletter

beck-online Bilanzrecht PLUS

Menü