BFH-Urteil vom 15.6.2016, I R 64/14
Auch Gemeinkosten sind als Veräußerungskosten zu qualifizieren, wenn ein Veranlassungszusammenhang zwischen Kosten und Veräußerung besteht. Die Prüfung, ob ein solcher Zusammenhang tatsächlich besteht, kann aber unterbleiben, wenn der Geschäftszweck einer Kapitalgesellschaft ausschließlich in der Gründung und Veräußerung von Vorratsgesellschaften besteht.
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Problemstellung
Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf von Kapitalgesellschaften sind (gemäß § 8b Abs. 2 KStG) steuerfrei. Folgerichtig dürfen die mit dem Verkauf im Zusammenhang stehenden Veräußerungskosten den steuerlichen Gewinn auch nicht mindern. Der Begriff „Veräußerungskosten“ ist dabei nicht näher im Gesetz definiert. Die laufende BFH-Rechtsprechung konkretisiert die Veräußerungskosten dahingehend, dass ein Veranlassungszusammenhang mit der Veräußerung gegeben sein muss. Das heißt: Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine größere Nähe der Kosten zu der Veräußerung oder zum laufenden Gewinn vorliegt.
Im Ausgangsfall ging es um die Frage, ob die Gemeinkosten (z.B. allgemeine Verwaltungs- und Personalkosten) von sog. Vorratsgesellschaften (zum Verkauf bestimmte Gesellschaften, die noch keine Geschäftstätigkeit aufgenommen haben) als laufender Aufwand oder als Veräußerungskosten zu erfassen sind. Eine ausführliche Darstellung des Streitfalls und des erstinstanzlichen Urteils des FG Köln vom 1.10.2014 (10 K 3593/12) finden Sie im BC-Newsletter vom 20.11.2014. Charakteristisch für den Ausgangsfall ist, dass der Geschäftszweck der Klägerin ausschließlich in der Gründung und Veräußerung von Vorratsgesellschaften besteht.
In seinem Urteil gab das FG Köln der Klägerin recht, wies aber zugleich darauf hin, dass hierdurch eine Besteuerungslücke entsteht. Laut dem erstinstanzlichen Urteil konnten nämlich die Aufwendungen steuerlich geltend gemacht werden, während der Gewinn aus der Veräußerung der Vorratsgesellschaften steuerfrei ist. Hiergegen hat das Finanzamt Revision eingelegt.
Lösung
Der BFH gibt der Revision des Finanzamts statt und verwirft das Urteil des FG Köln. Neben allgemeinen Ausführungen zu § 8b Abs. 2 KStG widmet sich der BFH in seinem Urteil der Frage: Handelt es sich bei den sonstigen Verwaltungskosten, wie Miete, Personalkosten und sonstige laufende Aufwendungen des Geschäftsbetriebs – den sog. Gemeinkosten –, um Veräußerungskosten? Gemäß gängiger BFH-Rechtsprechung ist dabei zu prüfen, ob die angefallenen Kosten näher mit der Veräußerung oder dem laufenden Gewinn im Zusammenhang stehen. Diese Prüfung kann aber unterbleiben, wenn der Geschäftszweck einer Gesellschaft ausschließlich in der Gründung und Veräußerung von Vorratskapitalgesellschaften besteht. Zwar lassen sich in diesem Fall die Gemeinkosten der Vorratsgesellschaften nicht direkt einem Veräußerungsvorgang zuordnen. Da aber der ausschließliche Geschäftszweck in der Veräußerung besteht, sind die Gemeinkosten regelmäßig als durch die Veräußerung veranlasst anzusehen und somit in ihrer Gesamtheit den Veräußerungskosten zuzuordnen. Die Tatsache, dass die Gemeinkosten auch dann anfallen, wenn keine Veräußerung erfolgt, steht dem nicht entgegen.
Das FG Köln ist in seinem Urteil auch von der Überlegung ausgegangen, dass die Gemeinkosten der Vorratsgesellschaften auch auf Ebene der Muttergesellschaft hätten anfallen können. In diesem Fall wären sie steuerlich abzugsfähig gewesen. Laut FG Köln müssten deshalb auch die Kosten auf Ebene der Vorratsgesellschaft abzugsfähig sein. Der BFH widerspricht dieser Argumentation in seinem Urteil, da hier die rechtlichen Wirkungen des körperschaftsteuerlichen Organverhältnisses vernachlässigt werden. Diese bestehen gerade darin, dass eine Organgesellschaft eigenständiges Körperschaftsteuersubjekt bleibt und ihren körperschaftsteuerlichen Gewinn selbstständig ermittelt.
Somit sind im Ausgangsfall die Gemeinkosten als Veräußerungskosten im Sinne des § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG zu qualifizieren.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Vice President Audit, Operations & Reporting, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 11/2016
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