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Einkommen-/Lohnsteuer
   

Zum Betriebsstättenbegriff nach Inkrafttreten des neuen Reisekostenrechts

Christian Thurow

FG Rheinland-Pfalz Urt. v. 19.6.2024 – 1 K 1219/21 (Revision zugelassen)

 

An welchem Ort befindet sich bei einem selbstständigen Unternehmensberater die Betriebsstätte?  Laut einem aktuellen Urteil vertreten die Kläger und das Bundesfinanzministerium zusammen mit dem Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz unterschiedliche Auffassungen hierüber. Der BFH wird deshalb zur Klärung beitragen müssen.



 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Der Kläger übte eine Tätigkeit als selbstständiger Berater aus. In den Streitjahren 2016 bis 2018 war er ausschließlich für die T-AG tätig, wobei er in der Regel vier Tage pro Woche am Sitz der T-AG und einen Tag im Home-Office verbrachte.

Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung vertrat der Betriebsprüfer die Auffassung, dass die vom Kläger geltend gemachten Mehraufwendungen für Verpflegung und Familienheimfahrten zu kürzen seien. Seit Inkrafttreten des neuen Reisekostenrechts im Jahr 2013 sei klargestellt, dass Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte keine Reisekosten darstellen. Als Betriebsstätte gilt dabei die von der Wohnung getrennte dauerhafte Tätigkeitsstätte des Steuerpflichtigen. Es muss sich um eine ortsfeste betriebliche Einrichtung des Steuerpflichtigen, des Auftraggebers oder eines vom Auftraggeber bestimmten Dritten handeln, von wo aus die steuerlich relevante Tätigkeit dauerhaft ausgeübt werde. Gemessen an diesem Kriterium stelle der Sitz der T-AG in den Streitjahren eine Betriebsstätte des Klägers dar.

Aus Sicht des Klägers konnte aufgrund der Befristung des Beratungsverhältnisses keine Betriebsstätte am Sitz der T-AG vorliegen, da eine Dauerhaftigkeit nicht gegeben sei. Das Bundesfinanzministerium hat in einem Schreiben (BMF 23.12.2014, BStBl. I 2015, 26) die Ansicht vertreten, dass sich der Betriebsstättenbegriff im Sinne des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG unter Rückgriff auf den Begriff der „ersten Tätigkeitsstätte“ im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 1, Abs. 4 S. 1 EStG definiert. Da dem Kläger der Ort seiner Tätigkeitsausübung vertraglich freigestellt war, würde der Sitz der T-AG hier keine erste Tätigkeitsstätte – und folglich auch keine Betriebsstätte – darstellen.

 

 

Lösung

Das FG Rheinland-Pfalz folgt in seinem Urteil der Auffassung der steuerlichen Betriebsprüfung. Aus Sicht der Finanzrichter würde eine unterschiedslose Auslegung der Begriffe der „ersten Tätigkeitsstätte“ im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG und der „Betriebsstätte“ im Sinne des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 S. 1 EStG den bestehenden Unterschieden zwischen Arbeitnehmern und Gewinnermittlern aber nicht gerecht. So sind selbstständige Gewerbetreibende keinen dienst- bzw. arbeitsrechtlichen Festlegungen bezüglich ihres Arbeitsplatzes unterworfen. Die Bestimmung einer „ersten Betriebsstätte“ könnte somit nur anhand qualitativer Kriterien erfolgen. Da selbstständige Gewerbetreibende nicht dauerhaft einem Arbeitgeber zugeordnet sind, würde quasi niemals eine Betriebsstätte außerhalb der Räumlichkeiten des Selbstständigen vorliegen.

Vielmehr ist entscheidend, dass eine vertragliche Mindestlaufzeit vorliegt, welche es dem Selbstständigen erlaubt, mit einer gewissen Nachhaltigkeit von einem Ort aus zu arbeiten. Im Ausgangsfall war der Kläger über mehrere Jahre an einem Ort tätig. Insofern lag aus Sicht des FG Rheinland-Pfalz eine Betriebsstätte des Klägers in den Räumlichkeiten der T-AG vor. Zu Recht hat das Finanzamt daher den Abzug von Reise- und Verpflegungsmehraufwendungen begrenzt.

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Risk Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

BC 9/2024 

BC20240909

 

 

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