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Außenprüfung/Abgabenordnung
   

Steuerliche Außenprüfung: Aufforderung, elektronische Daten zur Verfügung zu stellen

Christian Thurow

FG Münster, Urteil vom 7.11.2014, 14 K 2901/13 AO (rkr.)

 

Betriebsprüfer verlangen häufig Informationen aus den Buchführungs- und Warenwirtschaftssystemen in elektronisch aufbereiteter Form. Doch nicht immer ist dies gerechtfertigt, wie das FG Münster in einem aktuellen Urteil festgestellt hat.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Bei einer Apotheke wurden die Warenbewegungen, Inventuren sowie die Tages- und Monatsabschlüsse mithilfe eines Warenwirtschaftssystems aufgezeichnet bzw. erstellt. Ein Modul zur Aufbereitung der Daten in elektronischer Form (z.B. Excel, Access oder Word) hatte die Apotheke nicht erworben.

Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung wurden dem Prüfer sämtliche angeforderten Unterlagen in schriftlicher Form vorgelegt. Ferner erhielt der Prüfer uneingeschränkten Zugang zum Warenwirtschaftssystem. Ein Ansprechpartner im Datenzentrum stand für Systemfragen jederzeit zur Verfügung. Aufgrund des fehlenden Moduls konnte der Betriebsprüfer jedoch nicht über die Daten des Warenwirtschaftssystems in aufbereiteter elektronischer Form verfügen. Unter Berufung auf § 147 Abs. 6 Satz 2 AO forderte der Prüfer die Apotheke dennoch auf, die Daten in aufbereiteter elektronischer Form zur Verfügung zu stellen.

Hiergegen erhob die Apotheke Einspruch bzw. Klage, da sie aus ihrer Sicht bereits hinreichend ihren Mitwirkungspflichten genügt habe und der Erwerb zusätzlicher Auswertungsmodule nicht verhältnismäßig sei.

 

 

Lösung

Das FG Münster folgt in seinem Urteil der Auffassung der Klägerin. In der Urteilsbegründung lässt es das Finanzgericht dahingestellt, ob überhaupt ein Datenzugriffsrecht auf solche Daten besteht, die freiwillig oder aus berufsrechtlichen Gründen geführt werden. Selbst für den Fall, dass ein solches Datenzugriffsrecht bestünde, wäre für die Aufforderung auch eine ordnungsgemäße Ermessensausübung erforderlich. Hieran mangelt es im vorliegenden Fall. Der § 147 Abs. 6 AO nennt drei Formen des Datenzugriffs, für die kein Rangverhältnis besteht:

  • „Nur-Lese-Zugriff“ (gemäß § 147 Abs. 6 Satz 1 AO): das Recht der Finanzverwaltung, „Einsicht in die gespeicherten Daten” zu nehmen und das DV-System zur Prüfung der Unterlagen zu nutzen (Zugriffsform 1 = Z 1), d.h., der Prüfer navigiert selbst im ERP-System des Unternehmens.
  • Mittelbarer Datenzugriff (nach § 147 Abs. 6 Satz 2 Alternative 1 AO): das Recht der Finanzverwaltung, die maschinelle Auswertung „der Daten“ nach ihren Vorgaben auf der DV-Anlage des Steuerpflichtigen zu verlangen (Zugriffsform 2 = Z 2), d.h., ein Mitarbeiter des Unternehmens recherchiert auf Anweisung des Prüfers.
  • Vollständige Datenträgerüberlassung (gemäß § 147 Abs. 6 Satz 2 Alternative 2 AO): das Recht, zu verlangen, dass ihr die „Unterlagen und Aufzeichnungen” auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Verfügung gestellt werden (Zugriffsform 3 = Z 3).

Bei der Auswahl der Zugriffsmethode hat das Finanzamt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Das heißt: Die Mitwirkung des Steuerpflichtigen darf nur verlangt werden, wenn dies zur Feststellung eines steuerlich erheblichen Sachverhalts

– verhältnismäßig,

– erfüllbar und

– zumutbar

ist. Eine solche auf dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beruhende Ermessensausübung wurde vom Finanzamt nicht durchgeführt. Im Einzelnen führt das Finanzgericht an:

  • Es wird nicht näher begründet, warum die vollständige Datenträgerüberlassung den geringstmöglichen Eingriff darstellt.
  • Nicht berücksichtigt wird, dass die Klägerin sämtliche angeforderten Unterlagen in schriftlicher Form vorgelegt hat, ein uneingeschränkter Zugang zum Warenwirtschaftssystem gewährt wurde und ein Ansprechpartner im Datenzentrum zur Verfügung stand.
  • Die von der Finanzverwaltung angeführte Manipulationsanfälligkeit des Warenwirtschaftssystems wird nicht näher begründet (untermauert) und stellt daher lediglich eine Behauptung dar. Konkrete Anhaltspunkte für Manipulationen lagen nicht vor.
  • Die mit dem Erwerb des Zusatzmoduls verbundenen Kosten wurden bei der Ermessensentscheidung außer Acht gelassen. Hier hätte eine Abwägung zwischen den zusätzlichen Kosten des Steuerpflichtigen und dem zusätzlichen Nutzen für den Prüfungsausgang erfolgen müssen.

Aufgrund der fehlerhaften Ermessensausübung ist die angeforderte Datenträgerüberlassung nicht rechtmäßig. Die Revision wurde nicht zugelassen.

 

 

Praxishinweise:

  • Das Urteil verdeutlicht, dass auch bei steuerlichen Betriebsprüfungen die Verhältnismäßigkeit zwischen Kosten und Nutzen gewahrt bleiben muss. Der Betriebsprüfer hat die Auswahl der Datenzugriffsmethode schlüssig zu begründen.
  • Ein reiner Hinweis auf die allgemeine Manipulationsanfälligkeit von Systemen ist keine hinreichende Begründung, wenn keine konkreten Verdachtsmomente für eine Manipulation vorliegen.

 

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Lead Auditor Europe in der Internen Revision, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 1/2015 

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