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Außenprüfung/Abgabenordnung
   

Nachzahlungszinsen aufgrund zeitlich falsch zugeordneter Umsätze

Christian Thurow

FG Baden-Württemberg, Entscheidung vom 4.8.2020, 1 K 610/18 (Revision zugelassen)

 

Bei einer verspäteten Steuerzahlung kann es zu einer Verzinsung des zu entrichtenden Steuerbetrags kommen. Doch ist eine solche Verzinsung auch dann gerechtfertigt, wenn die Verspätung einzig aufgrund zeitlich falsch zugeordneter Umsätze entstanden ist? Nicht nur der Kläger hat hier so seine Zweifel.


 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die Klägerin versteuerte ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten (Soll-Versteuerung). Eine Dauerfristverlängerung lag nicht vor. Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung bemerkte der Prüfer, dass nur in etwa 10% der Fälle der Monat der Rechnungsstellung auch dem Monat entsprochen hatte, in dem die Dienstleistung ausgeführt worden war. Überwiegend wurden die Umsätze der Klägerin erst im Folgemonat (nach Erbringung der Leistungen) angemeldet und die Umsatzsteuer abgeführt. Infolgedessen rechnete der Prüfer für die Streitjahre 90% der Januar-Umsätze dem Dezember des Vorjahres zu.

Das Finanzamt folgte der Auffassung des Prüfers und erlies geänderte Umsatzsteuerbescheide, in denen auch Nachzahlungszinsen festgesetzt wurden. Die Zinslaufzeiträume betrugen dabei zwischen 8 und 56 Monate.

Die Klägerin widersprach der Zinsfestsetzung mit Hinweis auf die BFH-Rechtsprechung. Der durch die zu niedrige Voranmeldung im Dezember erlangte Liquiditätsvorteil sei durch die überhöhte Umsatzsteuer-Voranmeldung im Januar wieder entfallen.

 

 

Lösung

Der Erlass von Nachzahlungszinsen liegt gemäß § 227 AO im Ermessen des Finanzamts. Bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung kann das Finanzgericht (FG) nur die Verpflichtung aussprechen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Genau dies unternimmt das FG Baden-Württemberg in seiner Entscheidung.

Die Verzinsung von Steuernachforderungen im Sinne des § 233a AO ist gerechtfertigt, wenn dem Steuerpflichtigen durch die verspätete Steuerzahlung ein Liquiditätsvorteil entstanden ist.

Im Ausgangsfall beruhen die streitigen Zinsen ausschließlich auf einer geänderten zeitlichen Zuordnung der Januar-Umsätze in den Besteuerungszeitraum des jeweiligen Vorjahres. Die Erhöhung der Dezember-Umsätze korrespondiert mit einer Minderung der Januar-Umsätze; Erhöhung und Minderung gleichen sich dabei überjährig aus. Zu Recht löst die Erhöhung der Dezember-Umsätze eine Umsatzsteuer-Nachforderung aus, die auch gegebenenfalls zu verzinsen ist. Das Finanzamt hat aber nicht gewürdigt, dass der entstandene Liquiditätsvorteil bereits im Folgemonat – und somit vor Beginn des Zinslaufs – mit der erhöhten Voranmeldung für den Januar des Folgejahres ausgeglichen wurde. Dem Zinslauf von bis zu 56 Monaten steht hier also lediglich ein Liquiditätsvorteil von einem Monat gegenüber.

Die Auffassung des Finanzamts, wonach die Klägerin einen dauerhaften Liquiditätsvorteil aus der laufend um einen Monat verspäteten Voranmeldung erlangt hat, ist irrelevant, da verspätete Vorauszahlungen nicht verzinst werden.

Stellt man darauf ab, dass der Liquiditätsvorteil mit Ablauf der Karenzzeit des § 233a Abs. 2 S. 1 AO (15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist) nicht mehr bestand, wäre der Erlass der gesamten Nachforderungszinsen vertretbar. Das Finanzamt ist daher zur erneuten Bescheidung der Klägerin im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 3/2021

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