Polizeikosten bei Hochrisiko-Spielen: Wer zahlt für eine sichere Bundesliga?
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Wenn Fußball-Fans randalieren und die Polizei mit einem Großaufgebot tätig werden muss, um ein Bundesligaspiel zu sichern, entstehen hohe Kosten. Damit dafür nicht die Allgemeinheit zahlen muss, schickte die Stadt Bremen nach einem Nord-Derby der DFL die Rechnung. Nun entscheidet das BVerfG.

Am gestrigen Dienstag erst veröffentlichte die Gelsenkirchener Polizei Fahndungsfotos von 69 Gewalttätern, die an Ausschreitungen rund um ein Bundesligaspiel des FC Schalke 04 gegen Eintracht Frankfurt beteiligt waren. Bei den Krawallen, die sich im Mai vergangenen Jahres ereigneten, waren eine Mitarbeiterin des Deutschen Roten Kreuzes und mehrere Polizeibeamte leicht verletzt worden. Mindestens 18 weitere Personen – unter ihnen meist unbeteiligte Zuschauer – wurden ebenfalls verletzt, ein Mann und eine Frau so schwer, dass sie im Krankenhaus operiert werden mussten. Insgesamt leitete die Staatsanwaltschaft über 200 Verfahren wegen Straftaten wie schwerem Landfriedensbruch, gefährlicher Körperverletzung, tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte und Beleidigung ein.

Ereignisse wie dieses sind in Deutschland glücklicherweise nicht die Regel, aber doch auch kein Einzelfall. Immer wieder kommt es vor, dass Anhänger am Rande von Bundesligaspielen in Innenstädten randalieren, Straßenbahnen demolieren, Bahnhöfe verwüsten und auch Menschen verletzen. Bei sogenannten Hochrisikospielen, also solchen Begegnungen, bei denen die Polizei aufgrund einschlägiger Erfahrungen mit den jeweiligen Fan-Lagern Grund zu der Annahme hat, dass das Gewaltpotenzial besonders hoch ist, werden regelmäßig über hundert Polizistinnen und Polizisten aus umliegenden Bundesländern und von der Bundespolizei entsandt, um der Lage Herr zu werden. Für diese Einsätze entstehen enorme Kosten: All die Beamtinnen und Beamten müssen bezahlt, oft auch untergebracht und verpflegt werden. Das summiert sich schnell auf Beträge im sechsstelligen Bereich. Geld, das am Ende die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aufbringen, um ein privates Event zu sichern.

Gebührenbescheid über 425.000 Euro

Das empfand die Stadt Bremen, die auch für Spiele ihres Bundesligavereins SV Werder Bremen beträchtliche Kosten hatte, als ungerecht. Sie schuf einen Gebührentatbestand, wonach bei "gewinnorientierten Veranstaltungen" mit mehr als 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern und "erfahrungsgemäß zu erwartenden Gewalthandlungen" der Veranstalter bzw. die Veranstalterin die zusätzlichen Polizeikosten tragen muss.

Auch wenn der Tatbestand offen formuliert ist, dürfte kaum ein Zweifel daran bestehen, dass er speziell Fußballspiele erfassen soll. Und so war der erste Anwendungsfall das berühmte "Nord-Derby" zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV im April 2015, rund 1.000 Beamtinnen und Beamte waren im Einsatz. Hierfür erließ die Freie Hansestadt einen Gebührenbescheid in Höhe von rund 425.000 Euro. Gebührenschuldnerin war die Deutsche Fußballliga (DFL), die nach eigenen Angaben gemeinsam mit ihren Tochtergesellschaften für die Organisation und Vermarktung des deutschen Profifußballs zuständig ist. Sie ging gerichtlich dagegen vor, unterlag aber in letzter Instanz vor dem BVerwG. Nun muss sich das BVerfG mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil aus Leipzig und gegen den Gebührentatbestand befassen (1 BvR 548/22).

Die DFL argumentiert in ihrer Verfassungsbeschwerde, die Norm in § 4 Abs. 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes (BremGebBeitrG) sei verfassungswidrig. Weil es damit an einer gesetzlichen Grundlage für den Eingriff fehle, sieht sie sich vor allem in ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Zudem würde sie durch die gerichtlichen Entscheidungen und die Anwendung der Norm im konkreten Fall in ihrem Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Schließlich rügt die Fußball-Liga auch eine Verletzung in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG, da die Gerichte die Auswahlentscheidung der Bremer Behörden, die stattdessen auch den Verein SV Werder Bremen als Ausrichter zur Gebührenzahlung hätten heranziehen können, nicht auf Ermessensfehler überprüft hätten.

Aufgedrängter Polizeischutz?

Im Kern ist die DFL natürlich der Meinung, dass sie nicht für die entstandenen Kosten herangezogen werden dürfe. Sie bringt dafür verschiedene Argumente an: Einerseits seien es nicht die DFL oder die von ihr angesetzten Fußballspiele, die einen Polizeieinsatz notwendig machen, sondern die randalierenden Anhänger. Außerdem sei es gemeinhin eine öffentliche Aufgabe, Gefahrenlagen polizeilich zu begegnen. Hierfür zahlt die Allgemeinheit – und auch die DLF – auch Steuern. Um gesonderte Gebühren dafür erheben zu können, dass der Staat im Rahmen seiner Aufgaben tätig wird, gelten daher naturgemäß gewisse Hürden. So muss, wie schon das BVerwG referierte, zwischen der staatlichen Leistung und dem Gebührenschuldner eine besondere Beziehung bestehen, aufgrund derer ihm die Amtshandlung individuell zugerechnet werden kann. Diese Zurechenbarkeit ist also Grundlage dafür, dass die Kosten nicht aus allgemeinen Steuermitteln, sondern per Gebühr finanziert werden.

Die Kosten für den Polizeieinsatz beim Hochrisikospiel zwischen Bremen und Hamburg hat das BVerwG der DFL zugerechnet, da es sich um einen "besonderen Aufwand" gehandelt habe, "der aus Anlass einer bestimmten Hochrisiko-Veranstaltung, die zudem auf Gewinnerzielung ausgerichtet sein muss, nach polizeilicher Lagebeurteilung notwendig wird". Die DFL ziehe außerdem aus der polizeilichen Absicherung ihrer Veranstaltung einen wirtschaftlichen Vorteil, da sie als Veranstalterin die Sicherheit der Veranstaltung gewährleisten müsse, weshalb es gerechtfertigt sei, ihr auch die Kosten hierfür aufzuerlegen, so der Senat in seiner damaligen Entscheidung.

Das leuchtet zunächst einmal ein, offenbart aber auch eine gewisse Leerstelle: Viele der Ausschreitungen, für welche die Polizeikräfte abgestellt werden, geschehen gar nicht im Stadion oder seiner unmittelbaren Umgebung, sondern zum Beispiel in der Innenstadt. Dass die DFL darauf angewiesen wäre, dass die Polizei auch dort ihre Veranstaltung absichert, wie es das BVerwG unterstellt, scheint jedenfalls zweifelhaft.

Eine Frage der Gerechtigkeit?

Dem Einwand der DFL, man hätte auch den Heim-Verein SV Werder Bremen als Ausrichter in Betracht ziehen müssen, hielt das BVerwG entgegen, die DFL sei Mit-Veranstalterin, und betonte, bei der DLF handele es sich um einen "konzernähnlich strukturierte(n) Ligaverband", dem auch der Fußballverein SV Werder Bremen angehöre. Man könne daher "ohne Weiteres erwarten, dass die Klägerin sich um einen angemessenen internen Ausgleich bemühen wird".

Schließlich kritisiert die DFL auch, der Gebührentatbestand sei zu unbestimmt – insbesondere, da die Höhe der entstehenden Kosten für sie nicht kalkulierbar sei. Hiermit hat sich vor allem das VG Bremen, das ihr in erster Instanz noch recht gegeben hatte, intensiv und kritisch auseinandergesetzt. Die Höhe der festzusetzenden Gebühr ergibt sich dabei gar nicht aus dem Gesetz selbst, sondern nach der Kostenverordnung für die innere Verwaltung des Landes Bremen. Danach erfolgt die Abrechnung nach tatsächlichem Aufwand sowie Pauschsätzen für den Einsatz von Kraftfahrzeugen und Booten und Stundensätzen für den Einsatz von Beamten. Die anderen Bundesländer und die Bundespolizei rechnen die Kosten ihres Einsatzes nach einer Verwaltungsvereinbarung der Länder ab. Durch dieses Geflecht sei für die Gebührenschuldnerin nicht erkennbar, welche Kosten auf sie zukämen, befand das VG damals.

Löst man den Blick einmal vom rein juristischen Aspekt der Materie, offenbart sich etwas, das auch in der Entscheidung des BVerwG mitschwang: Es geht hier nicht nur um Gebührentatbestände und die Definition des Veranstalters bzw. der Veranstalterin, sondern irgendwie auch um Gerechtigkeit – oder, im Duktus des Leipziger Senats: "Herstellung von Lastengerechtigkeit". Auf der einen Seite steht der große, mächtige Profifußball, der in Deutschland pro Jahr über fünf Milliarden Euro umsetzt – auf der anderen Seite die Allgemeinheit, die am Ende für die Kosten des teuren Spaßes zahlen soll. Ganz gleich, wie die Sache juristisch ausgeht, da kommen selbst eingefleischte Fußballfans vermutlich ins Grübeln.

Redaktion beck-aktuell, Maximilian Amos, 24. April 2024.