Trotz gesichert rechtsextremistischer Bestrebung: Dürfen AfD-Mitglieder Waffen tragen?
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Das OVG Münster hat zur Frage der waffenrechtlichen Einordnung von AfD-Parteimitgliedern drei wichtige Entscheidungen getroffen. Nach der Neueinstufung der AfD erscheinen sie jedoch in einem anderen Licht. Andreas Nitschke ordnet ein, was die Hochstufung der AfD waffenrechtlich bedeutet.

In den vergangenen Monaten und Jahren beschäftigte sowohl Behörden als auch Verwaltungsgerichte die Frage, wie die Mitgliedschaft in einer politischen Partei waffenrechtlich zu beurteilen ist, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als sogenannter rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird. Bei einer solchen Verdachtsfallpartei besteht, wie der Name verdeutlicht, zwar der konkrete Verdacht, dass die Partei Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolgt. Mit Gewissheit steht dies aber – anders als bei der erwiesen extremistischen Bestrebung – gerade noch nicht fest.

Kann aber schon die Mitgliedschaft in einer Verdachtsfallpartei die waffenrechtliche Regelunzuverlässigkeit mit der Konsequenz begründen, dass die Erlaubnis, Waffen und Munition zu besitzen, abhängig von den weiteren Umständen des Einzelfalles nicht erteilt oder widerrufen wird? An dieser Frage scheiden sich die Geister. Ihre Beantwortung hängt von der Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b WaffG ab.

OVG: Bloßer Verdachtsfall reicht nicht

Überwiegend – und insbesondere von den OVG bzw. VGH – wird mittlerweile die Sichtweise vertreten, dass die Mitgliedschaft in einer bloßen Verdachtsfallpartei noch nicht für die Annahme der Regelunzuverlässigkeit ausreicht. Erforderlich sei vielmehr, dass das Bestehen der Bestrebungen der Partei gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung feststeht. Nach diesem Verständnis muss also das Stadium des Verdachtsfalles stets überschritten und eine erwiesen extremistische Bestrebung gegeben sein. Andere Gerichte gehen weiter. Nach ihrer Auffassung ist aufgrund des "bereits risikovermeidenden Ansatzes" des WaffG ein strengerer Maßstab mit der Konsequenz geboten, dass bereits die Mitgliedschaft in einer Verdachtsfallpartei zur Regelunzuverlässigkeit führe. So sieht es auch das VG Düsseldorf, die Vorinstanz für das OVG Münster im vorliegend relevanten Fall.

Dem tritt das OVG Münster mit deutlichen Worten und einer ausführlichen Begründung entgegen (Beschlüsse vom 30.04.2025 – 20 A 1507/24, 20 A 1506/24, 20 A 1519/24). Es beruft sich auf den Wortlaut der Norm, die Entstehungsgeschichte des § 5 WaffG, die Gesetzessystematik und teleologische Erwägungen. Argumentation und Ergebnis des Gerichts überzeugen. Für die künftige Entwicklung wohl mindestens ebenso wichtig: Mit seinen Entscheidungen liegt das OVG Münster auf der Linie der übrigen OVG. Es dürfte damit einiges dafür sprechen, dass sich in Bezug auf die waffenrechtliche Relevanz der Mitgliedschaft in einer Partei nunmehr eine herrschende Meinung herauskristallisiert hat.

Waffenrechtliche Konsequenzen der Neueinstufung der AfD

So bedeutsam die Beschlüsse des OVG Münster damit für die Grundsatzfrage der waffenrechtlichen Einordnung der Mitgliedschaft in einer Verdachtsfallpartei auch sind, so sehr könnte die Relevanz dieser Entscheidungen (und damit generell die des eben kursorisch dargelegten Meinungsstreits) konkret für Mitglieder der AfD nur kurze Zeit später spürbar relativiert worden sein. Denn Anfang Mai stufte das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD-Bundespartei als gesichert rechtsextremistisch ein. Ausgehend hiervon kommt es damit auf den so intensiv diskutierten Status als Verdachtsfallpartei zumindest bezogen auf die AfD nun gar nicht mehr an. Es stellt sich für AfD-Mitglieder mit Waffenschein vielmehr die Frage, was diese Hochstufung in waffenrechtlicher Hinsicht für die Zukunft genau bedeutet.

Konkret geht es zunächst darum, welche waffenrechtliche Relevanz die Einstufung einer Partei durch den Bundesverfassungsschutz als erwiesen rechtsextremistisch ganz grundsätzlich im Waffenrecht hat bzw. haben kann. Weil der Verfassungsschutz als Frühwarnsystem die Aufgabe hat, im Vorfeld eines möglichen Verbotsverfahrens politische Parteien zu beobachten und in Bezug auf mögliche verfassungsfeindliche Bestrebungen einzustufen, ist eine solche Einstufung auch im Waffenrecht ein bedeutender Faktor.

Nach der Gesetzesbegründung (S. 36) sind die Waffenbehörden sogar ausdrücklich befugt (vgl. auch § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 WaffG), die Einschätzung der Verfassungsschutzämter im Rahmen der waffenrechtlichen Bewertung einzuholen. Damit ist eine Einstufung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz für die Waffenbehörden zwar nicht unmittelbar bindend, ihr kommt aber in der Praxis ein großer Stellenwert zu. Häufig folgen Behörden und Gerichte dieser Einschätzung. Dies tut auch das OVG Münster, das zwar auf die Möglichkeit hinweist, bei anderweitigen Erkenntnissen eine andere Sichtweise vertreten zu können, solche im von ihm zu entscheidenden Sachverhalt aber nicht mit "hinreichender Sicherheit" erkannt hat.

Auch wenn die Verwaltungsgerichte damit von der Einschätzung des Verfassungsschutzes eher selten abweichen, kann dies gleichwohl im Einzelfall geschehen. Als Praxisbeispiel hierfür sei eine Entscheidung des VG Gera aus dem Jahr 2023 genannt. In diesem Beschluss ist das Gericht der Ansicht, dass sich im konkreten Fall weder aus einem streitgegenständlichen Vermerk des Landesverfassungsschutzes noch aus dem einschlägigen Verfassungsschutzbericht mit der erforderlichen Sicherheit die Verfassungsfeindlichkeit des gesamten Landesverbands ergebe.

Stillhaltezusage des Verfassungsschutzes: waffenrechtlich relevant?

Ferner ist in Bezug auf die Neueinstufung der Bundes-AfD noch etwas anderes bedeutsam, nämlich die Frage, ob bzw. wie sich die inzwischen abgegebene Stillhaltezusage des Bundesamtes für Verfassungsschutz in diesem Zusammenhang waffenrechtlich auswirkt. Zwar führt sie dazu, dass der Verfassungsschutz die AfD bis auf Weiteres wieder als Verdachtsfall beobachten und behandeln wird, also die Einstufung der Bundes-AfD als erwiesen extremistisch vorläufig aussetzt. Allerdings ist damit eine inhaltliche Aussage gerade nicht verbunden. Vielmehr agiert die Behörde "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" mit "Blick auf das laufende Verfahren und aus Respekt vor dem Gericht".

Da aber die neue Einstufung der Bundes-AfD nun bildlich gesprochen in der Welt und auch in der Sache nicht zurückgenommen wurde, ferner mittlerweile auch das Gutachten selbst bekannt geworden ist, erscheint es denkbar, dass sich die Waffenbehörden an der neuen Einstufung orientieren und die Bundes-AfD im Rahmen der eigenen waffenrechtlichen Einschätzung als erwiesen extremistische Bestrebung ansehen könnten.

Auf der anderen Seite könnten allerdings auch die Waffenbehörden aufgrund der Stillhaltezusage des Verfassungsschutzes im Rahmen der eigenen Entscheidung bis auf Weiteres weiter von einem Verdachtsfall ausgehen. Dann würde der oben dargestellte Meinungsstreit relevant bleiben – und damit auch die hier eingeordneten Entscheidungen des OVG Münster.

Regelunzuverlässigkeit entkräften: AfD-Mitglieder müssten sich distanzieren

Für den Fall, dass die waffenrechtlich zuständigen Behörden die Bundes-AfD als gesichert extremistische Bestrebung einstufen sollten, hätte dies keinen Automatismus in Bezug auf die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit zur Folge, sondern "nur" die sogenannte Regelunzuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 2 WaffG im Sinne einer widerlegbaren Vermutung. Diese kann im Einzelfall entkräftet werden.

Allerdings würde das AfD-Mitglied hierbei gewissermaßen gegen den Strom schwimmen. Gelingen kann die Entkräftung insbesondere durch glaubhafte Distanzierungen des Mitglieds von den verfassungsfeindlichen Zielen der Partei. Dies könnte sich einzelfallabhängig deswegen als Drahtseilakt darstellen, weil einerseits die Distanzierungen nach den Anforderungen der Rechtsprechung "beharrlich" und überzeugend sein müssen (also nicht auf Zuruf geglaubt werden dürfen). Andererseits muss aber zugleich auch plausibel erklärt werden, warum man gleichwohl noch in einer solchen Partei verbleibt. Unter anderem drei aktuelle Entscheidungen des VG Magdeburg – in Sachsen-Anhalt ist der AfD-Landesverband als erwiesen extremistisch eingestuft, sodass in besagten Entscheidungen die Bundes-AfD nicht relevant ist – deuten zumindest an, wie hoch die Hürden diesbezüglich im Einzelfall liegen können.

Prof. Dr. Andreas Nitschke ist Professor für Öffentliches Recht und Zivilrecht an der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung in Schleswig-Holstein.

OVG Münster, Beschluss vom 30.04.2025 - 20 A 1507/24

Prof. Dr. Andreas Nitschke, 20. Mai 2025.

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