Wer in Deutschland eine Waffe besitzen möchte, braucht eine entsprechende Erlaubnis. Diese erhält man nur unter bestimmten Voraussetzungen, wobei die hier entscheidende die in § 5 WaffG geregelte waffenrechtliche Zuverlässigkeit ist. Liegt sie nicht (mehr) vor, so darf die zuständige Behörde keine Erlaubnis erteilen bzw. muss eine einmal erteilte Erlaubnis zurücknehmen oder widerrufen.
Um einen solchen Widerruf geht es auch in den beiden Urteilen des VG Düsseldorf (Urteile vom 19.06.2024 – 22 K 4836/23 und 22 K 4909/23). Dabei sieht das Gericht die zum Widerruf führende fehlende Zuverlässigkeit der Klägerinnen in deren AfD-Mitgliedschaft begründet.
Die Frage bezüglich des Verhältnisses von Parteimitgliedschaft und waffenrechtlicher Zuverlässigkeit stellt sich gerade im Zuge des Erstarkens der AfD bei zunehmend wahrgenommener Radikalisierung der Partei immer häufiger und dringlicher. Um sie beantworten zu können, hilft zunächst ein Blick ins Gesetz. So unangenehm es auf den ersten Blick erscheinen mag, sich dem eher dröge daherkommenden Gesetzeswortlaut zu widmen, so gewinnbringend ist die Lektüre.
Mitgliedschaft in verfassungsfeindlicher Partei führt zur Regelunzuverlässigkeit
In § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b WaffG heißt es, dass die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht besitzen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren Mitglied in einer Vereinigung waren, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat. Mit "solche Bestrebungen" sind im hier relevanten Kontext gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) aa) WaffG "gegen die verfassungsmäßige Ordnung" gerichtete gemeint. Sie werden regelmäßig auch als verfassungsfeindliche Bestrebungen bezeichnet.
Das bedeutet, dass ein Mitglied einer verfassungsfeindlichen Partei (oder jemand, der dort innerhalb der letzten fünf Jahre Mitglied war) in der Regel als waffenrechtlich unzuverlässig gilt. Oder mit anderen Worten: Schon die bloße Mitgliedschaft in einer als verfassungsfeindlich eingestuften Partei führt nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut zur waffenrechtlichen Regelunzuverlässigkeit. Dies gilt sogar dann, wenn lediglich ein sogenannter tatsachenbegründeter Verdacht für eine solche Mitgliedschaft gegeben ist. Allerdings stellen sich vor dem Hintergrund des auf den ersten Blick klaren Gesetzeswortlauts gleich mehrere grundsätzliche Fragen.
Wer stellt fest, ob eine Partei verfassungsfeindlich ist?
So ist zunächst zu klären, wer überhaupt feststellt, wann eine Partei verfassungsfeindlich im waffenrechtlichen Sinne ist. Während das Verbot einer Partei bzw. ihre Verfassungswidrigkeit nur vom BVerfG ausgesprochen werden kann, hat der Verfassungsschutz unter anderem die Aufgabe, im Vorfeld eines möglichen Verbotsverfahrens politische Parteien zu beobachten und sie bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte als verfassungsfeindlich einzustufen. Eine solche Einstufung hat auch für das Waffenrecht Bedeutung. Nach der Gesetzesbegründung (S. 36) sind die Waffenbehörden sogar ausdrücklich befugt, die Einschätzung der Verfassungsschutzämter im Rahmen der waffenrechtlichen Bewertung einzuholen.
Wie eine solche Einschätzung im konkreten Fall aber waffenrechtlich einzuordnen und zu gewichten ist, wird derzeit uneinheitlich beurteilt. Während sie für das VG Düsseldorf die waffenrechtliche Regelunzuverlässigkeit indiziert, verneint beispielsweise der VGH München eine solche Indizwirkung aufgrund der Unterschiede von Verfassungsschutzrecht und Waffenrecht. Behörden und Gerichte müssten demnach selbst nach waffenrechtlichen Kriterien entscheiden, wobei die Einschätzung des Verfassungsschutzes entsprechend berücksichtigt werden kann.
Vereinbarkeit mit dem Parteienprivileg
Weiter stellt sich die Frage, inwiefern eine solche waffenrechtliche Einschätzung mit dem Parteienprivileg gemäß Art. 21 Abs. 2 und Abs. 4 GG vereinbar ist. Ist es verfassungsrechtlich gerechtfertigt, aus der bloßen Mitgliedschaft in einer vom BVerfG nicht verbotenen Partei abzuleiten, dass jemand im Umgang mit Waffen unzuverlässig ist? Hierbei ist einerseits zu berücksichtigen, dass innerhalb einer Partei regelmäßig Richtungskämpfe und Meinungsstreitigkeiten über ihren Kurs ausgefochten werden. Ein Parteimitglied wird daher häufig gerade nicht sämtliche Parteiauffassungen teilen, so dass eine pauschale Zurechnung der verfassungsfeindlichen Ziele einer Partei an sämtliche Mitglieder sehr weitgehend erscheint. Andererseits bezweckt das WaffG einen möglichst weitreichenden Schutz vor Gefahren für Leib und Leben durch Waffen. Um diesen Schutz zu gewährleisten, ist es nach jedenfalls nachvollziehbarer herrschender Meinung verhältnismäßig, bereits die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei für die Regelunzuverlässigkeit genügen zu lassen.
Dies dürfte zwar, wie auch seitens der Oberverwaltungsgerichte zunehmend vertreten, einen mittelbaren Eingriff in das Parteienprivileg darstellen; denn die Aussicht, einen Waffenschein nicht zu erhalten oder wieder zu verlieren, dürfte bei einem Teil der Anhängerinnen und Anhänger einer betroffenen Partei dazu führen, dass sie von Aktivitäten für diese Partei absehen. Angesichts der von Waffen ausgehenden enormen Gefahr spricht aber viel dafür, diesen Eingriff im Ergebnis als gerechtfertigt zu erachten.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Regelunzuverlässigkeit entkräftet werden kann. Bei der Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei muss sich die betreffende Person hinreichend von den verfassungsfeindlichen Parteizielen distanzieren. Die Hürden hierfür liegen allerdings eher hoch. Die derzeitige Rechtsprechung fordert "konkrete Belege für die aktive Bekämpfung verfassungsfeindlicher Tendenzen in der Partei und ihrem unmittelbaren Umfeld". Solche Belege konnten die Klägerinnen nach Ansicht des VG Düsseldorf nicht vorlegen.
Genügt auch ein Verdachtsfall?
In den Düsseldorfer Verfahren kommt allerdings noch die (entscheidende) Besonderheit hinzu, dass die Bundes-AfD, auf die das Gericht abstellt, seitens des Verfassungsschutzes (noch?) gar nicht als verfassungsfeindlich eingestuft wird, sondern "lediglich" als sogenannter Verdachtsfall, vor Kurzem bestätigt vom OVG Münster. Bei einem solchen Verdachtsfall stehen für den Verfassungsschutz die Bestrebungen der Partei gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerade noch nicht eindeutig fest, vielmehr sind zunächst nur Tatsachen vorhanden, die einen hinreichenden Verdacht diesbezüglich hervorrufen.
Damit stellt sich die gegenwärtig das Waffenrecht prägende Frage, ob bereits die Mitgliedschaft in einer bloßen Verdachtsfallpartei zur waffenrechtlichen Regelunzuverlässigkeit führt. Ausgangspunkt ist auch hier der Gesetzeswortlaut des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG, namentlich die Formulierung "bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen".
An dieser Stelle könnte ein Selbsttest seitens der Leserschaft hilfreich sein: Lesen Sie sich § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. b WaffG einmal durch und fragen Sie sich, ob sich die Formulierung "bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen" lediglich auf die Mitgliedschaft in einer Partei bezieht oder weitergehend auch auf die verfassungsfeindlichen Bestrebungen dieser Partei. Mit anderen Worten: Ist der tatsachenbegründete Verdacht nur bezüglich der Mitgliedschaft in einer Partei erforderlich oder erstreckt er sich auch auf die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Partei?
Das VG Düsseldorf vertritt die zweite Ansicht. Die Formulierung "bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen" sei gewissermaßen vor die Klammer gezogen und erfasse sowohl die Mitgliedschaft in einer Partei als auch die Frage, ob diese Partei verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge. Damit begründe bereits die Mitgliedschaft in einer Verdachtsfallpartei die waffenrechtliche Regelunzuverlässigkeit. Anders sehen es derzeit diverse Oberverwaltungsgerichte. Für sie bezieht sich die Formulierung lediglich auf die Mitgliedschaft in einer Partei. Die verfassungsfeindlichen Bestrebungen dieser Partei müssten indes eindeutig feststehen.
Gesetzliche Regelung für Verdachtsfälle angezeigt
Der Wortlaut des Gesetzes dürfte eher im Sinne der letztgenannten Auffassung zu verstehen sein. Unterstützt wird ein solches Verständnis dadurch, dass ein mittelbarer Eingriff in das Parteienprivileg bereits im Falle der Mitgliedschaft lediglich in einer Verdachtsfallpartei spürbar intensiver wäre. Daher erschiene eine eindeutige gesetzliche Regelung geboten, sollte schon die Mitgliedschaft in einer Verdachtsfallpartei zur Regelunzuverlässigkeit führen. Ob eine solche Regelung verfassungsgemäß wäre, wäre sodann genauer zu prüfen. In diesem Lichte spricht daher manches dafür, der Rechtsauffassung des VG Düsseldorf mit einer gewissen Zurückhaltung zu begegnen.
Damit richtet sich der Blick nun auf das OVG Münster, das über die zugelassene Berufung zu entscheiden hätte. Ob sie eingelegt wurde, ist bisher nicht bekannt. Das Gericht war bereits im einstweiligen Rechtsschutz mit den hier dargestellten Rechtsfragen betraut. Zwar deutete es vorsichtige Zweifel an der Sichtweise des VG Düsseldorf an, musste sich seinerzeit aber noch nicht eindeutig positionieren. Dies wäre in einem Berufungsverfahren nun anders. Ob und inwieweit dabei angesichts des Parteienprivilegs und der Grundrechte auch mögliche Folgewirkungen insbesondere für Waffen tragende Polizistinnen und Polizisten mit AfD-Parteibuch thematisiert werden, bleibt abzuwarten.
Prof. Dr. Andreas Nitschke ist Hochschullehrer an der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung in Schleswig-Holstein für die Fächer Öffentliches Recht, insbesondere Beamtenrecht, und Zivilrecht.