Die Ausbildung müsse Juristinnen und Juristen mit Blick auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts dazu befähigen, Recht kritisch zu hinterfragen und gesellschaftlich einzuordnen, fordern die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), der Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften (BRF), der Deutsche Anwaltverein (DAV), der Deutschen Juristinnenbund (djb) und die Neue Richtervereinigung (NRV) in einer gemeinsamen Pressemitteilung.
Gelöst werden müsse das durch den demographischen Wandel bedingte Problem des fehlenden Nachwuchses an Volljuristen. Der Mangel erschwere den Rechtszugang der Gesamtbevölkerung, warnen die Berufsverbände. Vor diesem Hintergrund müsse für eine zeitgemäße juristische Ausbildung gesorgt werden. Denn: Immer mehr Studienanfänger und -anfängerinnen entschieden sich von vornherein für einen Bachelor-Studiengang mit juristischen Bezügen, anstatt eine volljuristische Laufbahn einzuschlagen. Und wer eine volljuristische Ausbildung beginne, breche diese häufig ab.
Auch die digitale Transformation müsse in der Ausbildung berücksichtigt werden, fordern die Berufsverbände. Die neuen Bedingungen einer Informationsgesellschaft, der flächendeckende Einzug von KI, intelligente Datenbanken sowie "die allgegenwärtige Datafizierung" erforderten eine gründliche Revision der juristischen Ausbildung. Die Ausbildung müsse den kritischen Umgang mit Daten, mit (Des-)Information und KI lehren. Hierzu gehören für die Verbände auch das Verständnis von Datenqualitätsstandards, das Wissen um biasfreie und geschlechtergerechte Datenerhebung sowie das Erkennen und Bewerten von Diskriminierungsrisiken durch algorithmische Entscheidungssysteme. "Gleichzeitig müssen auch solche Kompetenzen fokussiert werden, welche die Potenziale der digitalen Transformation nachhaltig erschließen, um den deutschen Rechtsstandort wettbewerbsfähig zu halten." Nach den Vorstellungen der Berufsverbände sind entsprechende Maßnahmen in den gesamten Verlauf der juristischen Ausbildung zu integrieren.
Auch die mangelnde Vielfalt unter Volljuristen und -juristinnen sehen die Verbände als Problem. Es gebe vermehrt Hinweise aus der Wissenschaft, "dass die juristische Ausbildung im Allgemeinen und die juristischen Staatsprüfungen im Besonderen Diskriminierungseffekte zeitigen". Auf der einen Seite werde die Gesellschaft immer vielfältiger. Auf der anderen Seite sehen die Berufsverbände verschiedene Gruppen und Diversitätsmerkmale in Anwaltschaft und Justiz unterrepräsentiert. Das könne mittelfristig die gesellschaftliche Akzeptanz sowie das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat untergraben. Auch fehlten vielfältige Perspektiven. "Daher sollte die juristische Ausbildung Ungleichheiten und strukturelle Diskriminierung in unserer Gesellschaft inhaltlich thematisieren sowie eigene Exklusionsmechanismen erkennen und abbauen", fordern die Verbände.
Ob der Appell der Berufsverbände ankommt? Die Berichterstatter der JuMiKo jedenfalls hatten im Frühjahr 2024 keinen grundlegenden Reformbedarf bei der Juristen-Ausbildung gesehen, allerdings nicht, ohne hiermit Unmut und Protest auf den Plan zu rufen. Denn: Absolventen sehen das laut einer Umfrage wohl anders: Das Jurastudium sei "von vorne bis hinten überarbeitungsbedürftig". Die Kritik an der juristischen Ausbildung führte letzten November zur Gründung eines neuen Dachvereins zur Reform des Jurastudiums, der "Gesellschaft für Didaktik der Rechtswissenschaft".