Bericht: Mehr als 100 Rechtsextremisten arbeiten für AfD im Bundestag
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© Bernd Elmenthaler/Geisler-Fotopress

Neonazis, Identitäre, neue Rechte: Für die AfD-Bundestagsfraktion und AfD-Abgeordnete sollen nach einem BR-Bericht mehr als 100 Personen aus Organisationen arbeiten, die von deutschen Verfassungsschutzämtern als rechtsextremistisch eingestuft werden. Die AfD-Fraktion wies den Bericht scharf zurück.

Der Bayerische Rundfunk (BR) stützt sich in dem am Dienstag veröffentlichten Bericht auf "interne Namenslisten" aus dem Bundestag und Mitarbeiterverzeichnisse aus der AfD-Fraktion, die er einsehen konnte. Unter den Mitarbeitern sollen danach Personen sein, die namentlich in Verfassungsschutzberichten erwähnt werden, die Führungspositionen in beobachteten Organisationen innehaben und die als Referenten beim als rechtsextremistisch eingestuften Institut für Staatspolitik (IfS) in Schnellroda aufgetreten sind. Auch ein Vertreter des Vereins "Ein Prozent", der vom Inlandsgeheimdienst zur sogenannten neuen Rechten gezählt wird und ebenfalls als rechtsextremistisch eingestuft wurde, ist demnach darunter.

Einen großen Teil der mehr als 100 Mitarbeiter, von denen die Rede ist, machen den Recherchen zufolge Mitglieder der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) aus, die der Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch einstuft, und Mitarbeiter aus den AfD-Landesverbänden Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die von den dortigen Verfassungsschutzämtern als gesichert rechtsextremistisch eingestuft werden. Allein rund 25 Beschäftigte sind demnach in der JA und "Dutzende" kommen laut dem Bericht aus den drei genannten Landesverbänden.

Nach der BR-Recherche beschäftigt mehr als die Hälfte der AfD-Abgeordneten, darunter auch die Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla, Personen aus vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Organisationen. Darunter sind demnach auch Personen, die sogar der Partei selbst zu extrem waren, etwa Frank Pasemann, der selbst AfD-Abgeordneter war und 2020 aus Partei und Fraktion ausgeschlossen wurde. Einer der Mitarbeiter hat laut BR in den Bundestagsgebäuden Hausverbot: Mario Müller, über den "Correctiv" im Januar berichtete, dass er zu den Referenten des Geheimtreffens in Potsdam gehört habe.

Insgesamt arbeiten den BR-Recherchen zufolge mehr als 500 Personen für die AfD-Bundestagsfraktion oder ihre Abgeordneten, die genaue Zahl ist unklar. Die Fraktion hat 78 Abgeordnete und hat laut BR nach eigener Auskunft 182 Mitarbeiter.

AfD spricht von "übler Kampagne"

Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Katrin Göring-Eckardt (Grüne), nannte die Recherche-Ergebnisse gegenüber dem BR "erschütternd": Man müsse darüber nachdenken, ob Verfassungsfeinde, die im Bundestag arbeiten, weiterhin aus Steuergeld bezahlt werden sollten. "Das sollten wir ändern. Das können wir nicht einfach so laufen lassen."

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, bezeichnete die Veröffentlichung am Dienstag in Berlin als "Teil einer üblen Kampagne". Er verwies auf die in Münster laufende Gerichtsverhandlung zwischen der AfD und dem Verfassungsschutz und sprach von nebulösen Verdächtigungen. Die Veröffentlichung am selben Tag sei kein Zufall. "Da ist nichts dran", sagte Baumann. Er nannte den Verfassungsschutz einen "Büttel der Innenministerien". Die AfD kritisiert die Verfassungsschutzbehörden immer wieder als nicht unabhängig und geht gerichtlich dagegen vor, dass der Inlandsgeheimdienst sie beobachtet.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser brachte in Reaktion auf den Bericht eine Regelverschärfung im Bundestag ins Spiel. "In Regierung und Behörden dürfen nur Menschen arbeiten, die fest auf dem Boden des Grundgesetzes agieren", sagte die SPD-Politikerin der "Rheinischen Post". Der Bundestag könne seine eigenen Regeln überprüfen und Verschärfungen diskutieren. Die Regierung halte sich da wegen der Gewaltenteilung heraus. "Klar ist aber: Wir sind eine wehrhafte Demokratie und müssen alle Mechanismen nutzen, um diese vor ihren Feinden zu schützen", sagte Faeser.

Wer in Gebäuden des Bundestages arbeitet, bekommt für den Zutritt einen Bundestagsausweis. Dieser wird auf Antrag erstellt. Laut Hausordnung des Bundestages wird eine allgemeine Zuverlässigkeitsüberprüfung der betreffenden Person durchgeführt, wofür Polizeidatenbanken genutzt werden. Der Antrag kann abgelehnt werden, "wenn begründete Zweifel an der Zuverlässigkeit der antragstellenden Person bestehen". Der Ausweis kann später aus diesen Gründen auch wieder eingezogen werden.

Vor dem OVG Münster wird seit heute verhandelt, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD 2021 als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen durfteDas VG Köln bestätigte die Einstufung 2022, die AfD legte Berufung ein. Außerdem wehrt sich die AfD vor dem OVG gegen die gegen die Einstufung des "Flügels" als Verdachtsfall sowie "gesichert extremistische Bestrebung". Zudem will die JA kein Verdachtsfall mehr sein, die Klage dagegen hatte das VG Köln abgewiesen. Im Februar bestätigte das VG auch die Höherstufung der JA als gesichert rechtsextremistisch. Auf das Verfahren vor dem OVG richtet sich der öffentliche Blick auch angesichts der Diskussionen um ein Verbotsverfahren gegen die AfD.

Redaktion beck-aktuell, hs, 12. März 2024 (ergänzt durch Material der dpa).