Eine Woche nach ersten Berichten über ein Treffen von rechten Aktivisten mit Politikern von AfD und CDU in Potsdam hat das Medienhaus Correctiv weitere Details enthüllt. Laut Correctiv soll dort der früher in der rechtsextremistischen Identitären Bewegung aktive Mario Müller über seinen "Kampf gegen die Linke" gesprochen haben. Müller ist Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Wenzel Schmidt.
Müller bestätigte der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag, dass er bei dem Potsdamer Treffen "Düsseldorfer Forum" am 25. November 2023 anwesend war und dort "über journalistische Recherchen zum Thema Linksextremismus gesprochen" habe. Mehrere konkrete Vorwürfe aus der Correctiv-Recherche wies Müller auf Anfrage zurück. AfD-Partei- und Fraktionschef Tino Chrupalla sieht dennoch Klärungsbedarf. "Ich werde das Gespräch mit Jan Wenzel Schmidt suchen", teilte er auf Anfrage mit.
Das Medienhaus Correctiv hatte das Potsdamer Treffen vorige Woche öffentlich gemacht. Zentraler Punkt: Der frühere Kopf der rechtsextremistischen Identitären Bewegung Österreichs, Martin Sellner, sprach dort nach eigenen Angaben über "Remigration". Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang. Auch AfD-Politiker nutzen den Begriff. Die Recherche hatte heftige öffentliche Reaktionen bewirkt.
Eine Recherche als szenische Lesung
Correctiv präsentierte das Material aus der investigativen Recherche nun im Rahmen einer szenischen Lesung im Berliner Ensemble. Bei den neuen Details, die auch als Artikel veröffentlicht wurden, ging es vor allem um Müller, der laut Correctiv bei dem Treffen von etwa 20 bis 30 Personen in einer Potsdamer Villa über eine Strategie gegen linke Aktivisten gesprochen haben soll.
Müller erklärte dazu der dpa: "Gewalt lehne ich aus Überzeugung ab." Er habe "an besagtem Tag in meiner Tätigkeit als freier Journalist gesprochen und lediglich am Rande erwähnt, Mitarbeiter eines Bundestagsabgeordneten zu sein." Er sei nicht als Vertreter der Identitären Bewegung bei dem Treffen gewesen. "Ich schätze die gewaltfreien und kreativen Aktionen der Identitären Bewegung zwar nach wie vor sehr, aber übe dort keine Funktion mehr aus."
Auch AfD-Chef Chrupalla betonte auf Anfrage: "Wir lehnen politische Gewalt in jeder Form ab. Herr Müller ist kein Mitarbeiter der Bundestagsfraktion oder Bundespartei und auch kein Parteimitglied." Der Abgeordnete Schmidt kritisierte auf Anfrage Correctiv und deren Art und Weise, "ein privates Treffen von einer Handvoll Oppositioneller auszuspionieren". Er überwache nicht die Freizeitaktivitäten seiner Mitarbeiter. "Herr Müller ist kein Mitglied der AfD und wird auch keins werden", erklärte Schmidt. "Er hat keinen Zugang zu Verschlusssachen oder dergleichen."
Fotografieren vom Saunaboot aus
Die AfD hatte nach den ersten Veröffentlichungen zu dem Potsdamer Treffen vergangene Woche entschieden, einen Vertrag mit Roland Hartwig aufzulösen, der daran teilgenommen hatte. Hartwig ist ehemaliger Bundestagsabgeordneter der AfD. Der Jurist war zuletzt als Berater Weidels tätig. An dem Treffen hatten noch weitere AfD-Funktionäre sowie einzelne Mitglieder der CDU und der Werteunion teilgenommen, wie inzwischen von Beteiligten bestätigt ist. Zweck des Treffens soll auch gewesen sein, Spenden für rechte Aktivitäten zu sammeln.
Im Berliner Ensemble lasen am Mittwochabend Schauspieler die Ergebnisse der Recherche mit verteilten Rollen. Dabei wurde etwas klarer, wie Correctiv an die Informationen gelangte. Unter anderem mietete das Medienhaus nach eigenen Angaben ein Saunaboot und fotografierte von dort aus mit einem Teleobjektiv die Villa. Zudem filmte eine Person mit einer Uhr im Inneren des Gebäudes. Die Journalisten bezogen sich des weiteren auf "Gedächtnisprotokolle" von Teilnehmerinnen oder Teilnehmern.
Im ausverkauften Theater spendeten die Zuschauer minutenlang Applaus nach der Lesung. Aus dem Publikum gab es zudem Sprechchöre: "Alle zusammen gegen den Faschismus." Der Publizist Michel Friedman lobte die Recherche nach der Vorstellung als "großartige Leistung von freiem Journalismus" und forderte Engagement gegen die AfD.
Wagenknecht kennt den Organisator des Potsdamer Treffens
Während in Berlin die Vorstellung lief, machte die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" eine andere Information bekannt: Sie hatte nach eigenen Angaben mehrmals Kontakt zum Veranstalter des Potsdamer Treffens, ohne dessen politischen Hintergrund zu kennen. "Der hat mir vor Jahren mal ein Abendessen mit einem linken deutschen Kabarettisten vermittelt", erläuterte Wagenknecht. "Also das heißt, ich war überhaupt nicht bösgläubig, dass der aus der rechten Szene kommt."
Es geht um einen ehemaligen Zahnarzt aus Düsseldorf, der Correctiv bestätigt hatte, dass er "alleiniger Veranstalter" des Treffens in einer Potsdamer Villa gewesen sei. Wagenknecht fügte hinzu: "Ich will damit nur sagen: Diese Leute sind offenbar sehr umtriebig in dem Versuch, irgendwie an alle Richtungen Kontakte zu knüpfen." Der letzte Kontakt sei mindestens Monate her, "eher Jahre". Die frühere Linken-Politikerin hat kürzlich ihre eigene Partei gegründet, das Bündnis Sahra Wagenknecht.