Aus Sicht des Thüringer Verfassungsschutzchefs Stephan Kramer ist ein Verbotsverfahren die "Ultima Ratio" im Umgang mit der Partei. Auch CDU-Chef Friedrich Merz sprach sich klar gegen ein Verfahren aus.
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sagte dagegen am Rande seiner Israel-Reise am Donnerstag, er halte es für geboten, Beweise gegen die Partei zu sammeln. Man müsse sich genau einzelne Äußerungen, einzelne Personen und einzelne Gliederungen anschauen und dann Beweise sammeln, die hart genug seien, um ein Gerichtsverfahren durchsetzen zu können, eine Beweislage aufzubauen und entsprechend zu agieren. "Das halte ich schon für geboten", sagte Habeck den Sendern RTL/ntv.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte, das Beispiel für gezielte Umsturzfantasien in Kooperation mit Vertretern einer Partei, die im Bundestag und in Landtagen sitze, erfülle sie mit tiefer Sorge. "Angesichts der nun deutlich gewordenen schwerwiegenden Bedrohungslage muss aus meiner Sicht die Strafverfolgung Priorität haben", sagte sie der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft sowie der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten".
Über das Potsdamer Treffen im November hatte zuerst das Medienhaus Correctiv berichtet. Zu den Teilnehmern zählten mehrere AfD-Politiker, darunter Roland Hartwig, Berater von Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel. Auch CDU-Mitglied Ulrich Vosgerau war nach eigenen Angaben dabei. Correctiv nannte zudem mehrere Mitglieder der Werteunion. Diese stand CDU und CSU lange nahe, ist aber keine Parteigruppierung. Sie gilt als besonders konservativ und übte an der CDU-Linie unter der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel teils scharfe Kritik.
Merz: AfD inhaltlich stellen
Redner war bei dem Potsdamer Treffen Martin Sellner, lange Kopf der
rechtsextremistischen Identitären Bewegung in Österreich. Er sprach
nach eigenen Angaben darüber, wie erreicht werden könne, dass mehr
Ausländer und sogar Menschen mit deutschem Pass Deutschland
verlassen, und wie Menschen mit Einwanderungsgeschichte zur
Assimilation gedrängt werden könnten.
Merz sagte der "Rhein-Neckar-Zeitung" (Freitag), man solle der AfD nicht dabei helfen, sich im Rahmen eines Verbotsverfahrens auch noch als Opfer zu gerieren. "Wer die AfD noch stärker machen will, der sollte noch lange über ein Verbotsverfahren reden." Es gelte, die AfD mit politischen und nicht juristischen Mitteln zu bekämpfen. "Wir müssen diese Partei inhaltlich stellen, weil sie nirgendwo realistische Antworten hat", sagte Merz dem Medienhaus Table.Media. Der CDU-Bundesvorstand kommt ab diesem Freitag zu seiner Klausur in Heidelberg zusammen.
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) schließt ein Verbotsverfahren dagegen nicht aus. "Wenn der Verfassungsschutz und die Sicherheitsbehörden hier ausreichend Erkenntnisse für ein Verbotsverfahren sehen, dann ist die Frage eines Verbots der Partei zu beantworten", sagte Strobl dem SWR. Es gebe gute Gründe, dass der Verfassungsschutz die AfD auch in Baden-Württemberg beobachte.
Verfassungsschützer: Aussagen keine Überraschung
Verfassungsschützer Kramer sagte dem "Handelsblatt" (Freitag), er selbst und auch andere Kolleginnen und Kollegen vom Verfassungsschutzverbund hätten den Correctiv-Bericht mit Interesse gelesen. Die dargestellten Aussagen seien keine Überraschung für den Verfassungsschutz. Sie deckten sich mit den Erkenntnissen der Behörden und den Bewertungen in den vergangenen Jahren.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) forderte die CDU zu einer klaren Abgrenzung nach rechts auf. "Die CDU-Führung könnte sich hier deutlich klarer zeigen. Eine schleichende Normalisierung von menschen- und demokratieverachtender Politik am äußersten rechten Rand darf sich nicht fortsetzen", sagte sie der "Frankfurter Rundschau" (Freitag).
CDU-Chef Merz betonte, dass es keine Zusammenarbeit seiner Partei mit der AfD geben werde. Auf die Frage, ob er sich sicher sei, dass kein CDU-Landesverband eine AfD-Minderheitsregierung tolerieren würde, sagte Merz der "Rhein-Neckar-Zeitung": "Wir haben dazu eine klare Beschlusslage, die wir an diesem Wochenende bei der Klausurtagung des Bundesvorstands auch noch einmal bekräftigen werden: Es wird keine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD geben."
SPD will Rechtsradikalen-Treffen zu Thema im Bundestag machen
Die SPD will das Potsdamer Treffen rechtsradikaler Kreise mit AfD-Funktionären im Bundestag thematisieren. Man wolle von der AfD wissen, "ob möglicherweise auch aktive Politiker diesen Kreis entweder auch mitinitiiert haben, vielleicht sogar auch beteiligt gewesen sind", sagte Fraktionschef Rolf Mützenich am Freitag in Berlin. "Ich denke, dass wir versuchen müssen, in der nächsten Sitzungswoche die AfD zu dieser Frage auch zu stellen. Das ist ganz wichtig. Wir brauchen eine politische Auseinandersetzung." Er wolle den anderen Ampel-Fraktionen nun einen Vorschlag machen, wie genau diese Frage im Parlament thematisiert werden kann, sagte Mützenich.
Er sagte auch, dass gerade in den Ländern die Möglichkeit eines Parteienverbots geprüft werden müsse. "Wenn dort die Behörden von klaren verfassungsfeindlichen Tendenzen ausgehen, muss das natürlich auch Konsequenzen haben."
Bisher ist die AfD in drei ostdeutschen Ländern – Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt – vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft. Für ein Verbot muss ihr aber nachgewiesen werden, dass sie aggressiv-kämpferisch gegen die demokratische Grundordnung vorgeht, also einen Umsturz anstrebt. Einen Verbotsantrag können Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat stellen. Darüber entscheiden würde das BVerfG.