Am Montag, den 24. Juni fischten angehende Juristinnen und Juristen im Vorbereitungsdienst ein unerwartetes Schreiben vom Landesjustizprüfungsamt Nordrhein-Westfalen (LJPA NRW) aus ihren Briefkästen. Das Land müsse sparen, heißt es darin. Die schwache Konjunktur habe ein Loch in den Landeshaushalt gerissen. Deshalb werde ihr Referendariat nun früher enden als geplant. Auch bei den Unterhaltsbeihilfen müsse gekürzt werden. „Soweit auch die zweite juristische Staatsprüfung betroffen ist, möchte ich hiermit Sie, die Sie im September 2024 Ihre Examensklausuren schreiben werden, informieren, […] dass die mündliche Prüfung bereits im Januar 2025 und nicht erst im Februar 2025 ansteht.
Konkret will das Land NRW den Vorbereitungsdienst um einen Monat verkürzen. Statt wie bisher nach 26 Monaten werden Prüflinge künftig schon im 25. Monat mündlich geprüft. Die Wahlstation endet einen Monat früher – die Unterhaltsbeihilfe auch. Der Starttermin für die geplante Kürzung ist im Januar 2025, das heißt im laufenden Betrieb, betroffen sind auch Referendarinnen und Referendare, die bereits im Referendariat sind. Ihnen bleiben etwa sechs Monate, um sich auf die Kürzung einzustellen.
Fast zwei Monate weniger Unterhaltsbeihilfe möglich
Bei der Unterhaltsbeihilfe, dem Gehalt der Referendare, gibt es noch eine weitere Änderung. Um zu sparen, will das Land NRW das Ausbildungsverhältnis nicht nur um einen Monat verkürzen, sondern zudem künftig schon mit dem Tag der bestandenen (oder endgültig nicht bestandenen) mündlichen Prüfung beenden.
Damit endet dann auch die Unterhaltsbeihilfe. Bei Prüfungen früh im Monat könnte das Land damit nicht nur einen, sondern fast zwei Monate Unterhaltsbeihilfe einsparen. Bisher fließen die Zahlungen bis zum Ende des Monats, in dem die Prüfung absolviert wurde. Ab 2025 sind Referendarinnen und Referendare hingegen mit dem Prüfungstag beschäftigungslos und müssen sich unmittelbar vor der Prüfung bei der Bundesagentur für Arbeit melden.
Der Pressesprecher des Justizministeriums in NRW, Marcus Strunk, erklärte auf Anfrage von beck-aktuell, dass Referendarinnen und Referendare nach der mündlichen Prüfung schließlich keine Pflichten aus dem Ausbildungsverhältnis mehr träfen, die Zahlungen bis zum Monatsende erfolgten bisher also ohne Gegenleistung.
Immerhin könnten die Termine für die schriftlichen Prüfungen eingehalten werden, sagte der Pressesprecher von Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) und betonte, das sei nicht zwingend. Die betroffenen Referendarinnen und Referendare seien so früh wie möglich informiert worden. Außerdem wies Strunk darauf hin, dass die Prüfungen auch in anderen Bundesländern schon im 25. Monat der Ausbildung anstünden.
Es bleibt bei weniger Referendarstellen
Insgesamt rechtfertigt das Ministerium die Sparmaßnahmen. Die Kürzungen ermöglichten es, insgesamt mehr Referendarinnen und Referendare einzustellen, sagte der Pressesprecher. Erst vor wenigen Wochen war öffentlich geworden, dass NRW im Rahmen des Haushaltsplans für 2025 die Referendariatsstellen von bisher etwa 4.700 auf 3.300 (ab Juni 2024) bzw. 3.000 (ab 2025) Stellen kürzen will.
Von der Opposition, vom Kölner Anwaltverein wie auch in den sozialen Medien hagelte es dafür Kritik: In Zeiten des Fachkräftemangels sei die Ausbildung der falsche Ort für Einsparungen, auf Referendarinnen und Referendare kämen längere Wartezeiten von bis zu sechs Monaten zu. In der Kritik stand auch die mangelnde Kommunikation des Ministeriums. Es habe keine offiziellen Informationen gegeben, die Gerichte seien inoffiziell angewiesen worden, weniger Referendare und Referendarinnen einzustellen. Das hat das Ministerium nun – auch nach einer kritischen Nachfrage im Landesrechtsausschuss – durch eine Mitteilung auf der Website und das Schreiben an die Prüflinge nachgeholt.
Vor dem Hintergrund der schwierigen finanzielle Lage habe man die Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen, heißt es aus dem Ministerium. Maßgebliches Kriterium sei gewesen, dass die Justiz ihre Aufgaben mit den vorhandenen Ressourcen erfüllen müsse. Dazu zähle es, die Gerichte mit den erforderlichen Stellen für Richterinnen und Richter und die Strafverfolgungsbehörden mit ausreichend Stellen für Staatsanwältinnen und Staatsanwälten auszustatten.
An den Stellenkürzungen auf 3.000 Referendariatsplätze hält das Land damit fest: Die eingesparten Kosten durch die kürzere Referendariatszeit und die knappere Unterhaltsbeihilfe seien darin bereits eingepreist, so Sprecher Strunk.
BRF startet Petition gegen das Vorhaben
Inzwischen hat der Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften eine Petition gegen die geplanten Kürzungen bei den Referendariatsstellen auf der Plattform change.org gestartet und bereits 4.734 Unterschriften gesammelt.
Man spreche sich entschieden gegen die Kürzung der Ausbildungsplätze im juristischen Vorbereitungsdienst aus, heißt es auf der Website. Der BRF fordert die Landesregierung auf, die Zahl der Ausbildungsplätze auf dem aktuellen Niveau zu halten und einen Regierungsentwurf für den Haushalt vorzulegen, in dem keine Kürzung des Budgets für die juristische Ausbildung vorgesehen sei.
„Selbst eine noch so angespannte Haushaltslage darf nicht dazu führen, dass die bereits begrenzten Kapazitäten in der juristischen Ausbildung weiter sinken, wenn gleichzeitig die größte Pensionierungswelle seit jeher unmittelbar bevorsteht und bereits jetzt ein enormer Mangel an qualifiziertem juristischem Nachwuchs besteht“, heißt es vom BRF.
Kritik an der juristischen Ausbildung hält an
Die Kürzungspläne beim Vorbereitungsdienst in NRW treffen in der juristischen Welt auf eine ohnehin aufgeheizte Stimmung. Bei der Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und -minister am 5. und 6. Juni in Hannover hatte die JuMiKo beschlossen, dass für die juristische Ausbildung kein grundlegender Reformbedarf bestehe. Auch hier war das Land NRW - gemeinsam mit Berlin - federführend für diesen Beschluss verantwortlich gewesen, der in den sozialen Medien einen Sturm der Entrüstung ausgelöst hatte. Studierendenorganisationen, Professoren und Praktikerinnen wiesen darauf hin, dass der Reformbedarf der juristischen Ausbildung seit Jahren diskutiert werde und durch umfangreiche Studien belegt sei. Die Kritik hält bis heute unter dem Hashtag #iurserious an. Einen offenen Brief an die Justizministerinnen und Justizminster haben inzwischen gut 1.200 Menschen – darunter Professorinnen, Verbände und Praktiker – unterzeichnet.