Die KI erstmal prüfen, weniger Beschuldigtenrechte: Das sind die Themen der JuMiKo
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Bei der anstehenden Justizministerkonferenz stehen mehr Ermittlungsbefugnisse und mehr Einziehung von Taterträgen auf der Agenda. In eigener Sache will die Justiz schneller werden – mit ein bisschen mehr Digitalisierung, dafür weniger Beschuldigtenrechten. Auffällig ist, worum es nicht gehen soll.

Vom 4. bis 6. Juni findet die 96. Justizministerkonferenz im sächsischen Bad Schandau statt. Die dort zu erwartenden Beschlüsse gelten als wichtige Empfehlungen an den Gesetzgeber und die neue Bundesjustizministerin Stefanie Hubig. Vorab erarbeiten die teilnehmenden Justizministerien der Bundesländer stets Beschlussvorschläge zu einer Vielzahl von Themen, über die dann diskutiert und abgestimmt wird. Dieses Mal stehen 47 Tops auf der Liste – nicht alle Vorschläge haben jedoch vorab im Ausschuss eine Mehrheit bekommen.

Unter anderem wollen sich Justizministerinnen und -minister der Länder mit der Frage befassen, wie die Justiz digitaler und effizienter werden kann. Verfahren sollen beschleunigt und Ermittlungsbefugnisse zum Teil ausgeweitet werden. Die Verfahrensrechte von Beschuldigten in Strafverfahren und von Asylsuchenden sollen zugunsten effizienter Ermittlungs- und Gerichtsverfahren eingeschränkt werden.

Beweismittelcloud, Akten und Urteile als KI-Trainingsdaten?

Überhaupt liegt den Berichterstatterinnen und Berichterstattern aus den Justizministerien eine effiziente Justiz, insbesondere Strafjustiz, am Herzen. Steigende Verfahrenszahlen und Komplexität sorgten für eine starke Belastung, heißt es. Die Digitalisierung habe noch nicht ausreichend Einzug in die Strafjustiz gehalten. Deshalb schlagen die Bundesländer Bayern und Hessen die Einführung einer Beweismittelcloud vor. Sie soll den Umgang mit digitalen Beweismitteln verbessern und die Übertragung aus dem Ermittlungsverfahren erleichtern.

Auch soll die Durchführung von Videovernehmungen mit Vernehmungsprotokoll gestärkt werden. Was die Justizministerinnen und -minister dabei nicht vorschlagen: die viel diskutierte Dokumentation der Hauptverhandlung, die die Länder in der vergangenen Legislaturperiode in den Vermittlungsausschuss geschickt hatten, wo sie versickerte, noch bevor die Ampelregierung auseinanderbrach. 

Dafür geht es aber um Künstliche Intelligenz. "Der Einsatz von KI-Anwendungen wird künftig erheblich an Bedeutung zunehmen", heißt es in einem Beschlussvorschlag aus Sachsen. Deshalb hätten sich die Berichterstatter auch mit dem Einsatz von KI-Modellen in der Justiz beschäftigt. Doch zuerst wollen sie den rechtlichen Rahmen geklärt wissen: Sollte die Justiz ihre Echtdaten – also Akten, Urteile etc. – für das Training von KI-Modellen einsetzen, könnte das ihres Erachtens nämlich gesonderte Regelungen erfordern. Die Ländervertreter wollen daher anregen, dass der Gesetzgeber das unter Berücksichtigung der KI-Verordnung genauer prüfen möge.

Strafrechtsrevision und Asylverfahren: Kein Mitspracherecht mehr?

Im Namen einer effizienten Justiz wollen die Justizministerinnen und -minister auch Gerichtsverfahren beschleunigen. Bei strafrechtlichen Revisionen sollen Hauptverhandlungen deshalb die Ausnahme werden, Beschlüsse der Regelfall. In einem Beschlussvorschlag aus Sachsen heißt es deshalb: "Ob eine Hauptverhandlung durchgeführt wird, sollte allein von deren Zweckmäßigkeit nach Einschätzung der Gerichte abhängen." Verfahrensbeteiligte sollen demnach kein Mitspracherecht haben.

Auch nicht mehr mitreden können sollen die Beteiligten in einem Asylverfahren. Auch hier will der Berichterstatter aus Hessen straffen. "Eine zügige Entscheidung über die Bleibeperspektive von Asylbewerberinnen und -bewerbern kann auch dazu dienen, einerseits irreguläre Migration zurückzudrängen und andererseits Integration zu fördern", so der Berichterstatter. Zwar könnten die Verwaltungsgerichte bereits jetzt Ermessensentscheidungen darüber treffen, ob eine mündliche Verhandlung anberaumt oder im schriftlichen Verfahren entschieden wird. Jedoch könnten Beteiligte bisher noch eine mündliche Verhandlung beantragen. Dieses Antragsrecht sollen sie nach dem Willen der Berichterstatter künftig verlieren – "ohne das rechtliche Gehör unangemessen einzuschränken".

Weniger Beschuldigtenrechte, mehr Haftbefehle

Nicht nur im Gerichtsverfahren stehen Beschuldigtenrechte hinten an. Die Berichterstatter aus Bremen wünschen sich zudem eine Verschärfung der Haftgründe in Fällen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a StGB. Hier sollen Haftbefehle bei Wiederholungsgefahr lockerer sitzen.

Außerdem sollen Verdächtige in Straften gegen das Leben und die sexuelle Selbstbestimmung auf Vorschlag Bayerns und Baden-Württembergs zukünftig auch auf ihre biogeografische Herkunft hin überprüft werden – jedenfalls ihre DNA. Ein entsprechender Beschlussvorschlag betrifft die Erweiterung der Ermittlerbefugnisse bei der DNA-Analyse.

Dafür muss die Justizverwaltung nach einem Vorschlag aus Hessen bald weniger ackern – jedenfalls wenn es darum geht, Rede und Antwort über die Telekommunikationsüberwachung zu stehen. Die JuMiKo soll dem Gesetzgeber nach den hessischen Plänen vorschlagen, statistische Berichtspflichten aus der StPO zu reduzieren.

Uneinigkeit bei Einziehung von Taterträgen

Ein großes Thema ist weiterhin die Einziehung von Taterträgen im Strafrecht. "Strafverfolgung kann nur dann wirksam und nachhaltig sein, wenn die Täter die aus der Tat erlangten Vorteile nicht behalten können", heißt es in den Beschlussempfehlungen. Welche rechtliche Neuerung dafür denkbar oder nötig wären, darüber herrscht aber anscheinend Uneinigkeit. Zwar befürwortetet eine Mehrheit der Bundesländer offenbar den Vorschlag Hessens, gegen die Taktik mancher Krimineller vorzugehen, ihr Vermögen ganz einfach zu verschieben und so dem staatlichen Zugriff zu entziehen. Eine solche Verschiebung solle strafrechtlich geahndet werden, so der Vorschlag, an dem aktuell auch schon eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses arbeitet.

Ein Vorschlag aus Berlin, nach dem zukünftig auch teure Autos eingezogen werden sollen, hat der Strafrechtsausschuss der JuMiKo dagegen abgelehnt. Auch zwei Vorschläge zur Anpassung des Ordnungswidrigkeitenrechts – ebenfalls aus Berlin – sind durchgefallen. Die Mehrheit der Bundesländer war auch dagegen, die Vermögensabschöpfung bei erheblichen wirtschaftlichen Vorteilen aus Ordnungswidrigkeiten zwingend zu machen. Dafür wird aber ein Beschlussvorschlag auf die Agenda kommen, nach dem die Vermögensabschöpfung bei illegalem Hawala-Banking erleichtert werden soll, einer informellen Form des Geldtransfers ohne Nachweise.

Kein Jobsharing für Gerichtspräsidenten, Überstunden für Schöffen

Dass die Justiz überlastet ist, hängt auch mit Personalmangel zusammen. Nachwuchs ließe sich womöglich auch mit dem Versprechen guter Arbeitsbedingungen locken. Doch auf einen Beschlussvorschlag, der es erlauben würde, die Gerichtsleitung auf mehrere Schultern zu verteilen, konnten sich die Bundesländer nicht einigen. Mit sieben Ja- und sieben Nein-Stimmen war man in der zuständigen Referentengruppe uneins.

Überstunden müssen schließlich sogar Schöffinnen und Schöffen machen – zumindest nach dem Vorschlag Sachsens. Damit Verzögerung bei der Schöffenwahl nicht zum berühmt-berüchtigten Stillstand der Rechtspflege führt, sollen die Ressort-Chefs der Länder Vorkehrungen treffen: "Sie sprechen sich für eine Regelung aus, nach der die amtierenden Schöffinnen und Schöffen auch nach dem regulären Ende der Amtsperiode noch so lange im Amt bleiben, bis die Neuwahl der Schöffinnen und Schöffen für die neue Amtsperiode abgeschlossen ist", heißt es in dem Beschlussvorschlag aus Sachsen.

Was nicht vorkommt: Ausbildung und Anwaltschaft

Natürlich stehen noch viele weitere Themen auf der Agenda der Justizministerinnen und -minister. Auffällig ist aber auch, worüber sie nicht reden wollen. Die Anwaltschaft kommt in der Agenda nicht nennenswert vor. Und ein anderes Thema, das im vergangenen Jahr noch die Gemüter in der Jura-Bubble erhitzte, schafft es nicht einmal mehr auf die Agenda.

Im vergangenen Jahr ging der JuMiKo in Hannover ein mittelschwerer Eklat auf Social Media voran, die Konferenz war von Demonstrationen begleitet. Denn obwohl eine Reform schon seit Jahren aus allen Richtungen gefordert wird, sahen die Berichterstatter diesen Reformbedarf explizit nicht. Daran scheint sich nichts geändert zu haben, in den Beschlussvorschlägen für die 96. JuMiKo findet sich das Thema juristische Ausbildung gar nicht erst.

Redaktion beck-aktuell, Denise Dahmen, 21. Mai 2025.

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