Nach dem Karlsruher Urteil zum Stopp der staatlichen Finanzierung der früheren NPD haben zahlreiche Politiker gefordert, mögliche Auswirkungen auf die AfD zu prüfen. "Es kann nicht sein, dass der Rechtsstaat seine eigenen Feinde finanziert. Die Folgen des Urteils darüber hinaus müssen jetzt zügig und sorgsam geprüft werden", sagte der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Zuvor hatte bereits Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt, mögliche Auswirkungen des Urteils zu analysieren.
Im Jahr 2021 hatte die AfD laut Rechenschaftsbericht Einnahmen in Höhe von rund 24,9 Millionen Euro. Davon stammten etwa 44% aus staatlichen Mitteln. Rund 26% waren Spenden. Weitere Einnahmen generierte die Partei unter anderem über Mitgliedsbeiträge, Mandatsträgerabgaben und Unternehmenstätigkeit. Zum Vergleich: Von den Einnahmen der FDP im selben Jahr in Höhe von rund 51,5 Millionen Euro stammten rund 31% aus den Mitteln der staatlichen Parteienfinanzierung. Von den rund 86,7 Millionen Euro, die bei den Grünen 2021 an Einnahmen zusammenkamen, waren laut Rechenschaftsbericht etwa 35% staatliche Mittel.Über die Höhe der staatlichen Zuwendungen entscheidet die sogenannte Verwurzelung in der Gesellschaft, die sich an Wählerstimmen sowie an Spenden und Beiträgen misst.
Beispiele für Großspenden, von denen die AfD profitierte: Ein Bauunternehmer, der auch bei Kundgebungen von radikalen Rechten auftritt, ließ der AfD im Januar 2023 eine Spende von rund 265.000 Euro zukommen. Geld war zudem in die Kasse der Partei geflossen, nachdem ein Ingenieur aus Bückeburg 2018 die Partei in seinem Testament als Alleinerbin seines Millionenvermögens eingesetzt hatte. Allerdings seien Jahre später "Anspruchssteller" aufgetaucht, heißt es aus dem Parteivorstand. Die Angelegenheit sei aber noch nicht abgeschlossen. "Im Jahr 2022 war das Spendenaufkommen etwas geringer als im Vorjahr", berichtete der Bundesschatzmeister der AfD, Carsten Hütter. 2023 sei die Entwicklung dann aus Sicht der Partei sehr positiv gewesen, mit einem Anstieg über den Jahresverlauf. "Und für den Januar 2024 kann ich sagen, dass wir deutlich besser dastehen, was neue Spenden angeht, als dies in den Jahren zuvor im Januar der Fall war", sagte Hütter.
Auch Ausschluss von Parteienfinanzierung hat hohe rechtliche Hürden
Das OVG Berlin-Brandenburg hatte im März vergangenen Jahres ein Urteil des VG Berlin aus dem Jahr 2021 bestätigt, wonach die AfD eine hohe Strafzahlung wegen der Annahme einer Spende leisten muss. Die Spende war von zwei Unternehmen aus der Schweiz an den Kreisverband der AfD Bodenseekreis überwiesen worden, wie das OVG mitteilte. Da das Parteiengesetz Parteien verbietet, anonyme Spenden anzunehmen, hatte die Bundestagsverwaltung gegenüber der AfD Sanktionszahlungen in Höhe von rund 396.000 Euro festgesetzt, was dem dreifachen Spendenbetrag entspricht.
Die AfD hatte die Auffassung vertreten, bei den in mehreren Tranchen überwiesenen rund 132.000 Euro, die vor der Bundestagswahl 2017 auf dem Konto des Kreisverbands der damaligen Spitzenkandidatin Alice Weidel eingegangen waren, handele es sich um Zuwendungen an Weidel, die nicht unter das Parteiengesetz fielen. Im Jahr 2020 lenkte die AfD in einem anderen Rechtsstreit mit der Verwaltung des Bundestags um unzulässige Parteispenden für ihren Vorsitzenden Jörg Meuthen ein und akzeptiert eine Strafzahlung von knapp 270.000 Euro.
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) verwies unterdessen auf hohe rechtliche Hürden bei Parteiverboten und der Einschränkung von Finanzströmen. "Das ist eine Frage, die die Gerichte klären müssen auf der Beweislage, die die Dienste ermitteln", sagte der Wirtschaftsminister dem Fernsehsender Welt. Die offene Gesellschaft gebe auch ihren Feinden viel Raum, das gelte auch für die AfD. Er betonte: "Wir müssen zu den Prinzipien der offenen Gesellschaft stehen."
CSU-Generalsekretär Martin Huber sagte, der Ausschluss der AfD von der Parteienfinanzierung müsse dringend und umfassend geprüft werden. "Die AfD wird vom Verfassungsschutz beobachtet, weil sie verfassungsfeindlich ist. Das Urteil könnte eine Blaupause für die AfD sein", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). AfD-Schatzmeister Hütter sieht das naturgemäß anders. Er sagte: "Ich sehe hier keine Parallele und rechne daher auch nicht damit, dass der AfD der ihr zustehende Anteil aus der Parteienfinanzierung in der Zukunft vorenthalten wird."
Markus Ogorek, Professor und Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre an der Universität zu Köln erklärt gegenüber beck-aktuell, die Entscheidung zur NPD-Finanzierung bringe für mögliche Verfahren gegen die AfD kaum Änderungen. "Beim Ausschluss von der staatlichen Finanzierung wie auch im Verbotsverfahren gelten die gleichen Anforderungen an die materielle Verfassungsfeindlichkeit der Partei", so Ogorekt gegenüber beck-aktuell.
Auch die ehemalige Verfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff verwies gegenüber beck-aktuell auf die hohen Hürden eines Verbots. Dennoch betont sie: "Wenn eine Partei auf die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung aus ist und die Gefahr besteht, dass sie das auch erreicht, dann ist ein Verbot nicht undemokratisch, sondern schützt die Demokratie."
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte, Grundlage für die Entscheidung des BVerfG seien jahrelange Recherchen gewesen, um das Wirken der Partei gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu belegen. "Kurzfristig sind solche Schritte gegen die AfD also nicht gangbar, und deshalb sollten wir den Schutz unserer Verfassung nicht allein den Karlsruher Richtern überlassen", sagte er den "Westfälischen Nachrichten".
DasBundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Das ermöglicht auch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, dazu zählt beispielsweise Observation. Die AfD will, dass diese Einstufung zurückgenommen wird. EineKlage der Partei vor dem VG Köln blieb für sie ohne Erfolg. Eine Entscheidung des OVG in Münster dazu wird im März erwartet.
Am vergangenen Wochenende hatten nach Polizeiangaben bundesweit mehr als 900.000 Menschen als Reaktion auf die Enthüllungen des Recherchenetzwerkes Collectiv gegen Rechtsextremismus und für den Schutz der Demokratie demonstriert. Seither gab es weitere Protestkundgebungen, teils auch in kleineren Städten. Bei den Demonstrationen wurden auch Plakate hochgehalten, die sich gegen die AfD richteten.