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Keine Umsatzsteuerpflicht eines Aufsichtsratsmitglieds trotz teilweiser sitzungsabhängiger Vergütung

Christian Thurow

FG Köln Urt. v. 15.11.2023 – 9 K 1068/22 (Revision zugelassen)

 

Sind Aufsichtsräte Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinn? EuGH and Finanzverwaltung hatten dazu in der Vergangenheit eine unterschiedliche Sichtweise. Das Finanzgericht (FG) Köln fasst den aktuellen Stand in einem Urteil zusammen. Für Aufsichtsräte eröffnet sich hier eine zusätzliche Einnahmequelle.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Der Kläger war als Aufsichtsratsvorsitzender für mehrere Gesellschaften innerhalb einer Unternehmensgruppe tätig. Für seine Tätigkeit erhielt er eine Sitzungsvergütung. Entsprechend der bisherigen Rechtslage unterwarf der Kläger die Vergütung in seinen Rechnungen der Umsatzsteuer.

Aufgrund der EuGH-Rechtsprechung zur fehlenden Unternehmereigenschaft von Aufsichtsräten beantragte der Kläger später eine Änderung der noch offenen Umsatzsteuerbescheide. Dies wurde vom Finanzamt abgelehnt, da aus Sicht der Behörde eine Sitzungsvergütung nicht mit der im EuGH-/BFH-Urteil behandelten Festvergütung vergleichbar sei. Außerdem sei das Urteil des Bundesfinanzhofs, das der bisherigen Verwaltungsauffassung widerspreche, nicht anzuwenden, da es bislang noch nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht worden sei.

 

 

Lösung

Das FG Köln widerspricht dem Finanzamt und legt ausführlich dar, warum es an einer Unternehmereigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG fehlt:

  • Schon aus den gesetzlichen Vorschriften ergibt sich, dass der Kläger in seiner Funktion als Vorsitzender des Aufsichtsrats und damit als Mitglied eines gesetzlich vorgesehenen Organs der Aktiengesellschaft nicht in eigenem Namen und nicht in eigener Verantwortung tätig wird.
  • Der Kläger trug mit Blick auf seine Vergütung kein wirtschaftliches Risiko, da seine Vergütung sich aus der Satzung ergab. Sie lag nicht im Einflussbereich des Klägers, sondern wurde von der Hauptversammlung bewilligt. Die Vergütung ist direkt mit der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat verbunden. Eine variable Vergütung liegt nicht vor. Soweit das Finanzamt anführt, dass der Kläger als Vorsitzender jederzeit Sitzungen einberufen und somit sein Einkommen direkt beeinflussen konnte, ist dies nicht ausreichend, um eine variable Vergütung zu unterstellen. Die Vorgaben aus Gesetz, Satzung und Geschäftsordnung sehen eine zurückhaltende Sitzungspraxis vor, die auch in der Praxis gehandhabt wurde.
  • Der Kläger trug zudem kein weiteres wirtschaftliches Risiko aus einer möglichen Pflichtverletzung, da dieses über eine zugunsten des Klägers abgeschlossene D&O-Versicherung (Directors-and-Officers-Versicherung = Organ- oder Manager-Haftpflichtversicherung) abgesichert war.

Da der Kläger weder im eigenen Namen tätig wurde noch ein wirtschaftliches Risiko trug, handelte es sich bei seiner Aufsichtsratstätigkeit nicht um eine unternehmerische Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG. Eine Berichtigung der Rechnungen ist daher aus Sicht des FG Köln möglich.

 

 

Praxishinweis:

Das FG Köln geht in seinem Urteil noch auf einen delikaten Punkt ein. In den Worten des Gerichts:

„Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass der Kläger die von den Rechnungsempfängern an ihn zu Unrecht entrichtete Umsatzsteuer ausgezahlt bekommt, ohne dass die Weiterleitung des Betrages an die Rechnungsempfänger sichergestellt ist. Ob und inwieweit die Rechnungsempfänger die ungerechtfertigte Bereicherung des Klägers in Höhe des Steuerbetrags geltend machen (können und wollen), ist für die Bewertung der steuerlichen Verhältnisse ohne Belang.“

Der Kläger kann also im Ausgangsfall die Umsatzsteuer für einen Mehrjahreszeitraum zurückfordern. Ob er diese Summe dann an die ursprünglichen Rechnungsempfänger weiterleitet oder selbst einbehält, ist aus Sicht des FG Köln nicht relevant. Dies dürfte einige Aufsichtsräte ermuntern, noch einmal alte Steuerbescheide auf einen Vorbehalt der Nachprüfung zu untersuchen und gegebenenfalls Rechnungskorrekturen vorzunehmen.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 2/2024

BC20240222

 

 

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