Dr. Hans-Jürgen Hillmer
Praxis-Info!
Hintergrund
Mit der Neuregelung der Besteuerung von Photovoltaik(PV)-Anlagen durch das JStG 2022 (BStBl. 2023 I 2294, siehe BC 2023, 4 ff., Heft 1; zu einer Übersicht der umsatzsteuerlichen Änderungen siehe BC 2023, 58 f., Heft 2) wurde ein neuer Absatz 3 in § 12 UStG angefügt. Nach Nr. 1 S. 1 dieses neuen Absatzes 3 (in Kraft getreten zum 1.1.2023) ermäßigt sich die Steuer auf 0% für die Lieferungen von Solarmodulen an den Betreiber einer Photovoltaikanlage. Dies gilt einschließlich der für den Betrieb einer Photovoltaikanlage wesentlichen Komponenten und der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, sofern die Anlage auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird. Die Voraussetzungen des Satzes 1 gelten als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der Anlage laut Marktstammdatenregister (MAStR) nicht mehr als 30 kW (peak) beträgt oder betragen wird. Auch die Einfuhr, der innergemeinschaftliche Erwerb und die Installation unterliegen dem Nullsteuersatz, wenn es sich um begünstigte Solarmodule, Speicher oder wesentliche Komponenten im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 1 UStG handelt (vgl. Zepezauer, PKF-Nachrichten 02/2023, S. 4).
Soweit die grundsätzliche Neuregelung – die aber eine Fülle von Anwendungsfragen aufwirft, zu denen das BMF bereits am 16.12.2022 einen ersten FAQ-Katalog herausgegeben hatte, dem nun ein BMF-Schreiben folgen soll. Der vom 26.1.2023 stammende Entwurf dieses BMF-Schreibens sieht schon konkrete Anwendungsbestimmungen mit entsprechenden Änderungen des UStAE (Umsatzsteuer-Anwendungserlass) vor und dürfte in den Grundzügen auch den wesentlichen Details der endgültigen Fassung entsprechen (zu einem Überblick siehe Mateev unter https://www.kmlz.de/de/Umsatzsteuer/Newsletter_05_2023). Deshalb lohnt hier ein näherer Blick auf die Entwurfsfassung, mit der insbesondere zur Wertabgabenbesteuerung, aber auch zum Umfang der begünstigten Lieferungen viele Einzelheiten einer Klärung zugeführt werden.
Lösung
(1) Zeitliche Anwendung: Das BMF-Schreiben soll für alle Umsätze gelten, die nach dem 31.12.2022 bewirkt werden. Erfolgt die Erweiterung einer bereits bestehenden Anlage nach dem 1.1.2023, soll beim Kauf der Komponenten einschließlich der Installation keine Umsatzsteuer anfallen. Für PV-Anlagen, die bereits vor dem 1.1.2023 geliefert oder montiert worden sind, gelten die bisherigen Regelungen und Wahlrechte zur Umsatzsteuer uneingeschränkt weiter.
(2) Eigenverbrauch: Bislang galt, dass ein Anlagenbetreiber ungeachtet des anteiligen Selbstverbrauchs die Anlage vollständig seinem Unternehmensvermögen zuordnen und damit auch den vollen Vorsteuerabzug geltend machen konnte (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Abs. 2 S. 2 UStG). Dabei war für den selbstverbrauchten Strom grundsätzlich eine unentgeltliche Wertabgabe („Eigenverbrauch“) anzusetzen. Mit der Neuregelung plant die Finanzverwaltung gemäß den Angaben im BMF-Entwurf nun eine differenzierte Handhabung im Zusammenhang mit einer Leistung, die dem Nullsteuersatz (§ 12 Abs. 3 UStG) unterliegt:
- Bestand beim Erwerb eines Gegenstands eine Berechtigung zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug (keine Anwendung des Nullsteuersatzes), stellen die spätere Entnahme und die unentgeltliche Zuwendung oder Verwendung des Gegenstands unter den übrigen Voraussetzungen eine unentgeltliche Wertabgabe dar. Eine Entnahme ist nur möglich, wenn mindestens 90% des erzeugten Stroms für nichtunternehmerische Zwecke verwendet werden. Unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 UStG unterliegt diese unentgeltliche Wertabgabe dem Nullsteuersatz.
- Unterlag der Erwerb eines Gegenstands dem Nullsteuersatz, stellen die spätere Entnahme, unentgeltliche Zuwendung oder Verwendung des Gegenstands keine unentgeltliche Wertabgabe dar.
(3) Lieferung einer PV-Anlage: Eine Lieferung ist als Verschaffung der Verfügungsmacht zu verstehen. Nebenleistungen zur Hauptleistung sind einheitlich mit dem Nullsteuersatz zu besteuern. Zu den Nebenleistungen zählen u.a. die Montage der Solarmodule, die Kabelinstallationen, die Lieferung und der Anschluss des Wechselrichters, die Lieferung von Schrauben und Stromkabeln und die Herstellung des AC-Anschlusses.
(4) Miet- und Leasingfälle:Nicht als Lieferung von PV-Anlagen ist die Vermietung anzusehen, die daher dem Regelsteuersatz unterliegt. Demgegenüber können Leasing- oder Mietkaufverträge – je nach konkreter Ausgestaltung – umsatzsteuerrechtlich als Lieferung oder als sonstige Leistung einzustufen sein: Maßgeblich für die Abgrenzung sind die vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien (Laufzeit, Zahlungsbedingungen und mögliche Kombinationen mit anderen Leistungselementen u.Ä.). Soweit eigenständige Serviceleistungen anfallen (wie z.B. Wartungs- und Reparaturarbeiten, die Einholung von behördlichen Genehmigungen, die Versicherung der Photovoltaikanlage mit einer Haftpflicht- und Vermögensschaden-Versicherung oder die Bereitstellung von App- und Browser-Lösungen zwecks Monitoring der PV-Anlage), sind diese vom Nullsteuersatz ausgeschlossen; ein einheitlicher Mietbetrag ist nach der einfachsten möglichen Methode aufzuteilen.
(5) Bestandteile einer PV-Anlage: Unter den Nullsteuersatz fallen sowohl netzgebundene Anlagen als auch nicht-netzgebundene stationäre Anlagen (sog. Inselanlagen). Dabei wird im Entwurf des BMF-Schreibens hinsichtlich der Bestandteile zwischen den Solarmodulen, Batterien und Speichern sowie wesentlichen Komponenten differenziert. Aus Vereinfachungsgründen ist davon auszugehen, dass Solarmodule mit einer Leistung von 500 Watt und mehr für netzgekoppelte oder stationäre Inselanlagen eingesetzt werden. Stationäre Solarmodule, die neben der Stromerzeugung weitere unbedeutende Nebenzwecke erfüllen, sind ebenfalls begünstigt (z.B. Solartische). Dies gilt auch für sog. Hybridmodule, die sowohl Strom als auch Warmwasser produzieren. Batterien und Speicher unterliegen dem Nullsteuersatz, wenn diese ausschließlich genutzt werden können, um Strom aus begünstigten Solarmodulen im vorbeschriebenen Sinne zu speichern. Neben den Solarmodulen und dem Batteriespeicher (auch nachträglich eingebaute Speicher) unterliegen „wesentliche Komponenten“ dem Nullsteuersatz, d.h. die Gegenstände, deren Verwendungszweck speziell im Betrieb oder der Installation von Photovoltaikanlagen liegt. Darunter sind z.B. der bzw. die Wechselrichter, die Dachhalterungen, das Energiemanagement-System sowie Solarkabel etc. zu verstehen.
(6) Installation: Auch die Installation einer Anlage unterliegt der Begünstigung, wenn die Lieferung der installierten Komponenten die Voraussetzungen gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 1 UStG erfüllt. Gemeint sind anlagenspezifische Arbeiten, die ausschließlich dazu dienen, eine PV-Anlage sicher für das Gebäude und für die sich darin befindlichen Menschen zu betreiben (z.B. Elektroinstallation). Die Installationsarbeiten müssen direkt gegenüber dem Anlagenbetreiber erbracht werden, um unter die Steuersatzermäßigung zu fallen. (Vor-)Arbeiten, die auch anderen Stromverbrauchern oder Stromerzeugern oder anderen Zwecken zugutekommen (z.B. Erweiterung des Zählerschranks, Bodenarbeiten, Dacharbeiten), unterliegen nicht dem Nullsteuersatz.
- Zu begrüßen ist, dass das BMF in bestimmten Bereichen mit den vorgesehenen UStAE-Änderungen sehr konkret wird: Beispielsweise wird ausgeführt, dass Schrauben, Nägel und Kabel keine wesentlichen Komponenten sind, auch wenn diese für die Installation der Anlage notwendig sind. Der Eingrenzung des abzusehenden Einfallsreichtums von Steuersparfüchsen dient ferner der Hinweis, dass Stromverbraucher für den neu erzeugten Strom (z.B. Ladeinfrastruktur, Wärmepumpe, Wasserstoffspeicher) nicht zu den wesentlichen Komponenten einer PV-Anlage gehören.
- Bei der Durchsicht des Gesamttexts fällt ferner auf, dass sich das BMF sehr intensiv mit den sog. Belegenheitsvoraussetzungen befasst und z.B. definiert: „Wohnung/Privatwohnung ist jeder umschlossene Raum, der zum Wohnen oder Schlafen benutzt wird. Als Wohnung im Sinne dieser Vorschrift gelten daher auch Gebäude auf Freizeitgrundstücken und Gartenlauben in Kleingartensiedlungen.“ Mobilitätsbewusste Freizeitkapitäne hingegen sind nicht erfasst: „Wohnwagen und Wohnschiffe sind nur dann als Wohnungen anzusehen, wenn sie nicht oder nur gelegentlich fortbewegt werden.“
- Dass darüber hinaus noch viele weitere Fragen vorerst offenbleiben (so zur Behandlung von Anzahlungen und zur Bauabzugsteuer), ist angesichts der Vielschichtigkeit dieser vermeintlichen „einfachen“ Neuregelung nachvollziehbar und wird deshalb zukünftigen Berichtsstoff liefern. Tatsächlich einfach ist die vorgesehene Nachweisregelung: Der leistende Unternehmer hat zwar nachzuweisen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen zur Anwendung des Nullsteuersatzes erfüllt sind. Es genügt aber eine schlichte Erklärung des Erwerbers, dass die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 UStG erfüllt sind; diese Erklärung des Erwerbers kann – so das BMF ausdrücklich – auch im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung (z.B. AGB) erfolgen.
- In ertragsteuerlicher Hinsicht ist die Rückwirkung von besonderer Bedeutung, mit der die einkommensteuerliche Freistellung im Rahmen bestimmter Leistungsgrenzen als zwingende Steuerbefreiung bereits zum 1.1.2022 überraschend im JStG 2022 festgeschrieben wurde (vgl. zu einem Überblick zu den ertragsteuerlichen Aspekten den Beitrag von Zepezauer in den PKF-Nachrichten 01/2023 unter www.pkf.de/infothek/pkf-nachrichten.html) – also ein Jahr früher als die zum 1.1.2023 wirksam gewordene Nullsteuersatz-Regelung.
|
Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld
BC 3/2023
becklink455486