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„Myriaden, Myriaden – weg sind die Milliarden.“ Eines solchen oder ähnlichen Zauberspruchs scheinen sich die Verantwortlichen bei der US-amerikanischen Kryptohandelsplattform Coinbase bedient zu haben. Doch Magie ist leider nicht immer verlässlich.
Praxis-Info!
Problemstellung
Laut dem Quartalsbericht vom 30.10.2024 verfügte Coinbase über Aktiva in Höhe von rund 290,5 Mrd. USD. Im Jahresabschluss vom 31.12.2024, der in dieser Woche (KW 8 2025) veröffentlicht worden ist, werden dagegen nur Aktiva in Höhe von 22,5 Mrd. USD ausgewiesen. Die Differenz von rund 270 Mrd. USD ergibt sich dabei aus einem geänderten Bilanzierungsansatz.
Kunden von Coinbase können diverse Kryptowährungen auf ihrem Konto bei Coinbase halten. Bisher hatte Coinbase die Werte dieser Kundenkonten als eigene Vermögensgegenstände ausgewiesen und in gleicher Höhe eine Verbindlichkeit gegenüber den Kunden bilanziert. Es gab also sowohl einen Vermögensgegenstand „Safeguarding customer crypto assets“ („Schutz der Krypto-Vermögenswerte von Kunden“) als auch einen Passivposten „Safeguarding customer crypto liabilities“ („Absicherung der Krypto-Verbindlichkeiten von Kunden“). Die Bilanzierung beruhte dabei auf einer Richtline der US-Börsenaufsicht SEC (U.S. Securities and Exchange Commission; Staff Accounting Bulletin, No. 121).
Im Zuge des Wechsels der politischen Führung wurde dieses Schreiben aber im Januar 2025 zurückgezogen, sodass Coinbase die Posten nicht mehr in seiner Bilanz ausweisen musste. Coinbase vertritt die Auffassung, dass die Kunden die Eigentümer der Krypto-Assets sind und somit kein Ausweis in der eigenen Bilanz erfolgen muss. Dieser geänderte Ansatz führte zu der oben genannten Bilanzverkürzung.
Der Haken: In ihrem Jahresabschluss weist Coinbase darauf hin, dass es sich bei Kryptowährungen um „Neuland“ handle und Gerichte die Bilanzierung anders sehen könnten. Dies wäre im Falle der Insolvenz von Bedeutung. Durch den bisherigen Ausweis lag ein Vermögensgegenstand bei Coinbase vor, welchem ein unbesicherter Zahlungsanspruch der Kunden gegenüberstand. Im Falle der Insolvenz wären die Kundenguthaben somit Teil der Insolvenzmasse. Nach der neuen Bilanzierung hat Coinbase kein Eigentum an den Guthaben. Sie können somit nicht Teil der Insolvenzmasse werden.
Fazit
Normalerweise folgen BC-Newsletterbeiträge dem Schema „Problemstellung – Lösung“. Im obigen Sachverhalt gibt es aber noch keine abschließende Lösung. Die Tatsache, dass nicht endgültig geklärt ist, bei wem die rund 272 Mrd. USD zu bilanzieren sind, zeigt die großen Herausforderungen, welche sich für Bilanzierende aus der Kryptowelt ergeben können.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Risk Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)
BC 3/2025
BC2025031