BSG Urt. v. 23.4.2024 – B 12 BA 3/22 R
Wird der lohnsteuerliche Aspekt einer Betriebsveranstaltung zunächst „vergessen“, so kann es zu einem späteren Zeitpunkt immer noch zu einer Pauschalbesteuerung des geldwerten Vorteils kommen. Doch schließt eine solche Pauschalbesteuerung die Erhebung zusätzlicher Sozialversicherungsbeträge aus?
Praxis-Info!
Problemstellung
Eine GmbH veranstaltete aufgrund eines Firmenjubiläums im September eine Betriebsfeier. Die Aufwendungen betrugen mehr als 110 € pro Mitarbeiter. Die Kosten wurden zunächst nicht bei den Steueranmeldungen berücksichtigt; es wurde auch keine Lohnsteuer darauf vom Entgelt der Arbeitnehmer einbehalten. Erst im März des Folgejahres wurden die Aufwendungen der Pauschalbesteuerung unterworfen, was vom Finanzamt auch akzeptiert wurde.
Trotz der Pauschalbesteuerung machte die Deutsche Rentenversicherung im Rahmen einer Betriebsprüfung Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung, Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie eine Insolvenzgeldumlage in Höhe von rund 60.000 € geltend.
Das erstinstanzliche Sozialgericht hat der hiergegen erhobenen Klage stattgegeben. Das Beitragsrecht müsse in möglichst weitgehender Übereinstimmung mit dem Steuerrecht ausgelegt werden. Die Deutsche Rentenversicherung habe daher die Entscheidung des Finanzamts, die pauschale Versteuerung zuzulassen, gegen sich gelten zu lassen. Der pauschalbesteuerte Betrag dürfe nicht mehr dem Arbeitsentgelt der Beschäftigten zugerechnet und verbeitragt werden.
Lösung
Das Bundessozialgericht widerspricht der Auffassung von Klägerin und erstinstanzlichem Sozialgericht. Das Beitragsrecht unterscheidet sich vom Steuerrecht darin, dass eine bloße Möglichkeit der pauschalen Besteuerung nicht ausreichend ist. Sie muss tatsächlich und mit der Entgeltabrechnung durchgeführt werden. Die Aufwendungen für die Betriebsfeier hätten somit bis Ende Februar des Folgejahres der Pauschalbesteuerung unterworfen werden müssen, da bis zu diesem Zeitpunkt die Lohnsteuerbescheinigung erstellt werden muss. Tatsächlich erfolgte die Pauschalbesteuerung aber erst im März des Folgejahres. Nach Ablauf der Februarfrist waren die Entgeltabrechnungen aber sowohl sozialversicherungs- als auch steuerrechtlich nicht mehr änderbar. Von daher hat die Deutsche Rentenversicherung im Ausgangsfall zu Recht Sozialversicherungsbeiträge erhoben.
Immer wieder kommt es vor, dass die Besteuerung von Aufwendungen für eine Betriebsfeier den Freibetrag von 110 € übersteigen und dabei die Lohnsteuer „vergessen“ wird. Ein solches Versehen kann teuer werden, wie das aktuelle Urteil des BSG zeigt. Selbst wenn man sich zu einem späteren Zeitpunkt – etwa im Rahmen einer steuerlichen Betriebsprüfung – mit dem Finanzamt auf eine Pauschalbesteuerung einigt, droht die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen. Im Ausgangsfall betrugen die nachgeforderten Sozialversicherungsbeiträge rund 36% der Gesamtaufwendungen für die Feier – ein beachtlicher Aufwandsposten. |
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)
BC 6/2024
BC20240624