VerfGH Bayern bestätigt Kopftuchverbot für Richterinnen und Staatsanwältinnen

Richterinnen, Staatsanwältinnen und Landesanwältinnen dürfen in Bayern bei Gerichtsverhandlungen auch fortan kein Kopftuch tragen. Dies hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof am 14.03.2019 entschieden und die Popularklage einer islamischen Religionsgemeinschaft gegen die bayerische Regelung der Amtstracht bei Gericht abgewiesen. Die Pflicht des Staates, die Neutralität der Justiz zu gewährleisten, überwiege die Glaubensfreiheit. Auch sei unter Gleichheitsaspekten nicht zu beanstanden, dass Kreuze in Gerichtssälen weiterhin zulässig seien, da dadurch die  Neutralität des einzelnen Amtsträgers nicht in Frage gestellt werde (Az.: Vf. 3-VII-18).

Islamische Religionsgemeinschaft rügte Kopftuchverbot für Richterinnen und Staatsanwältinnen

Gemäß Art. 11 Abs. 2 BayRiStAG dürfen Richter und Richterinnen, Staatsanwälte und Staatsanwältinnen sowie Landesanwälte und Landesanwältinnen in Verhandlungen sowie bei allen Amtshandlungen mit Außenkontakt keine sichtbaren religiös oder weltanschaulich geprägten Symbole oder Kleidungsstücke tragen, die Zweifel an ihrer Unabhängigkeit, Neutralität oder ausschließlichen Bindung an Recht und Gesetz hervorrufen können. Die Antragsteller, eine islamische Religionsgemeinschaft und deren Präsident, erstrebten die Nichtigerklärung der Regelung. Sie rügten Verstöße gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie gegen den Gleichheitssatz. Die Regelung sei mit dem Ziel geschaffen worden, Richterinnen mit Kopftuch von den Verhandlungen auszuschließen. Das Kreuz sei hingegen weiterhin in den Verhandlungsräumen erlaubt. Ein Gesetz allein für eine bestimmte Religionsgruppe zu schaffen, verstoße gegen die Grundsätze der Bayerischen Verfassung.

VerfGH: Prozessbeteiligte zwangsweise religiösem Bekenntnis staatlicher Repräsentanten ausgesetzt

Der VerfGH hat die Popularklage abgewiesen. Art. 11 Abs. 2 BayRiStAG verstoße nicht gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit aus Art. 107 Abs. 1 und 2 der Bayerischen Verfassung (BV). Der VerfGH führt aus, dass das Grundrecht der Amtsträger auf freie Bekundung ihres Glaubens im Widerstreit zur negativen Glaubens- und Bekenntnisfreiheit der Prozessbeteiligten stehe. Daraus ergebe sich zwar grundsätzlich kein Anspruch darauf, fremde Glaubensbekundungen oder Symbole zu unterbinden oder durch den Staat vor der Konfrontation mit fremden Glaubensbezeugungen geschützt zu werden. Etwas anderes gelte jedoch dann, wenn der Einzelne durch eine vom Staat geschaffene Lage ohne Ausweichmöglichkeiten dem Einfluss eines bestimmten Glaubens oder seiner Symbole ausgesetzt wird. Für die Prozessbeteiligten stelle es eine unausweichliche Situation in diesem Sinn dar, wenn sie dem Zwang ausgesetzt werden, an einer Gerichtsverhandlung teilzunehmen, an der staatliche Repräsentanten mitwirken, die ein religiöses oder weltanschauliches Bekenntnis nach außen kundtun. Bei der Tätigkeit in der Gerichtsverhandlung oder bei sonstigen gerichtlichen Amtshandlungen mit Außenwirkung trete die Wahrnehmung der staatlichen Funktion in den Vordergrund. Daher könne das Tragen religiös konnotierter Kleidung oder Symbole auch nicht dem Bereich der privaten Selbstdarstellung des Amtsträgers zugeordnet werden.

Neutralitätsgebot beeinträchtigt

Laut VerfGH steht das Grundrecht der Amtsträger auf freie Bekundung ihres Glaubens ferner im Widerstreit zur Pflicht des Staates zu weltanschaulich-religiöser Neutralität, die in besonderer Weise für den Bereich der Justiz gelte. Der Staat müsse gewährleisten, dass die Gerichte mit Richtern besetzt sind, die unabhängig und unparteilich seien und die Gewähr von Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten böten. Im Gegensatz dazu stehe das Tragen religiös oder weltanschaulich konnotierter Kleidungsstücke oder Symbole. Da es grundsätzlich geeignet sei, Zweifel an der Unvoreingenommenheit des jeweiligen Amtsträgers zu begründen, werde das verfassungsrechtliche Gebot der Neutralität der Gerichte beeinträchtigt.

Schutz der Neutralität der Justiz überwiegt Glaubensfreiheit

Im Fall des Aufeinandertreffens widerstreitender Verfassungsgüter müsse der Gesetzgeber einen möglichst schonenden Ausgleich zwischen den kollidierenden verfassungsrechtlich geschützten Werten schaffen, fährt der VerfGH fort. Hier habe er bei seiner Abwägung die institutionelle Neutralität der Justiz in Übereinstimmung mit der verfassungsrechtlichen Wertordnung als besonders schützenswertes Gut angesehen. Auf der anderen Seite habe er berücksichtigen dürfen, dass die Person des Amtsträgers bei der Ausübung der ihm übertragenen Funktion tendenziell hinter seinem Amt zurücktritt und bei der privaten Selbstdarstellung im Rahmen der Amtstätigkeit das Gebot der Mäßigung gilt. Dementsprechend sei es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den Verfassungsgütern, die mit dem Verbot geschützt würden, größeres Gewicht beigemessen hat als der mit der angegriffenen Regelung verbundenen Beeinträchtigung des Grundrechts der Amtsträger auf freie Bekundung ihres Glaubens.

Gleichheitssatz nicht verletzt: Kreuze in Verhandlungsräumen keine Gefahr für Neutralität des Amtsträgers

Auch den Gleichheitssatz des Art. 118 Abs. 1 BV sieht der VerfGH nicht verletzt. Der Popularklage sei nicht zu entnehmen, woraus die Antragsteller einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz herleiten wollten. Sie zeige insbesondere nicht auf, dass das angegriffene Verbot zwischen einzelnen Religionen oder Weltanschauungen unterscheiden würde. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz könne nicht damit begründet werden, Kreuze seien in Verhandlungsräumen weiterhin erlaubt. Die Ausstattung von Verhandlungsräumen betreffe ersichtlich einen anderen Sachverhalt als das Tragen von religiösen oder weltanschaulichen Symbolen durch die betroffenen Amtsträger. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Ausstattung des Verhandlungsraums Angelegenheit der Gerichtsverwaltung und daher nicht geeignet sei, Zweifel an der Unabhängigkeit und Neutralität des einzelnen Amtsträgers hervorzurufen.

Diskriminierungsverbot ebenfalls nicht verletzt

Schließlich verneint der VerfGH auch einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 118 Abs. 2 Satz 1 BV. Die angegriffene Regelung knüpfe nicht am biologischen Geschlecht des jeweiligen Amtsträgers an. Es sei auch nicht ersichtlich, dass in erster Linie Frauen beeinträchtigt würden. Art. 11 Abs. 2 BayRiStAG betreffe nicht nur das Tragen eines Kopftuchs aus religiösen Gründen, sondern vielmehr alle religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke oder Symbole, die Zweifel an der Unabhängigkeit, Neutralität oder ausschließlichen Bindung ihrer Trägerin oder ihres Trägers an Recht und Gesetz hervorrufen könnten. Davon umfasst seien auch Kleidungsstücke, die ausschließlich oder vorwiegend von Männern getragen würden, wie etwa die Kippa oder der Dastar. Im Übrigen verfolge der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise das Ziel, Beeinträchtigungen des verfassungsrechtlichen Gebots der Neutralität der Justiz zu verhindern und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unabhängigkeit der Gerichte zu bewahren. Die angegriffene Regelung habe angesichts dieses Normziels objektiv nichts mit einer Differenzierung aufgrund des Geschlechts zu tun.

Redaktion beck-aktuell, 18. März 2019.