Hateaid: Interessenvertretung als Rechtsdienstleistung
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© Soeren Stache / dpa

Die gemeinnützige Organisation Hateaid darf sich keine Vollmacht für eine "Interessenvertretung im außergerichtlichen Verfahren" erteilen lassen. Eine solche Vollmacht enthalte das Angebot einer Rechtsdienstleistung. Das Angebot zur Prozessfinanzierung und die Werbung auf der Website seien demgegenüber zulässig, entschied das Oberlandesgericht Köln mit Urteil vom 26.06.2020.

Hateaid

Hateaid unterstützt Opfer von Gewalt im Netz. Wie Christian Sahl, Mitgründer der gemeinnützigen GmbH, im Gespräch mit der NJW (Heft 38/2019) erklärte, berät die Vereinigung Betroffene je nach Bedarf, etwa um sie emotional zu stabilisieren. Daneben gibt sie zum Beispiel Hinweise für die Krisenkommunikation oder die IT-Sicherheit. Außerdem vermittelt sie Anwälte, die die Rechte der Betroffenen auf dem Zivilrechtsweg verfolgen, so Sahl weiter.

Ärger mit Medienrechtskanzlei

Nun ging eine auf Medien- und Äußerungsrecht spezialisierte Kanzlei unter verschiedenen Gesichtspunkten gegen das Angebot vor. In einem bekam sie vor dem OLG als Berufungsinstanz recht: Hateaid darf sich keine Vollmacht für eine "Interessenvertretung im außergerichtlichen Verfahren“, unter anderem zur "Beschwerdeführung“ erteilen lassen. Eine solche Vollmacht umfasse aus Sicht der Angesprochenen auch Tätigkeiten, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordern können. Tatsächlich erbringe Hateaid auch Rechtsdienstleistungen, wie das LG Köln unstreitig festgestellt habe. Daran sah sich das OLG gebunden. Dass sich die Plattform hierfür eines zugelassenen Rechtsanwalts bediene, mache ihre Rechtsdienstleistung nicht zulässig. Mit Blick auf die Leistungsbeschreibung auf ihrer Webseite kann der Berufsrechtler Christian Deckenbrock, Akad. Rat an der Universität zu Köln, das Gericht "hier schon verstehen", wie er der NJW sagte. "In wettbewerbsrechtlichen Verfahren geht es ja weniger darum, welche Leistung tatsächlich erbracht wird, sondern was angeboten wird.“ Auf der Homepage werde ausdrücklich der Begriff "Rechtsdurchsetzung" verwendet.

Prozessfinanzierung: Freie Anwaltswahl nicht eingeschränkt

Demgegenüber hatte das OLG keine Bedenken gegen die Bedingungen, unter denen Hateaid eine Prozessfinanzierung anbietet. Die Organisation übernimmt die freiwillige Prozessfinanzierung unter der Voraussetzung, dass eine von ihr vorgeschlagene Anwaltskanzlei mandatiert wird. Soll eine andere Kanzlei beauftragt werden, werden die Kosten nur übernommen, wenn die Vereinigung zugestimmt hat. Der Medienkanzlei war auch dies ein Dorn im Auge. Die insoweit erwirkte einstweilige Verfügung hob das LG Köln aber in erster Instanz auf.
Zu Recht, wie nun das OLG Köln befand. Betroffene, die das Angebot annehmen wollten, müssten sich zwar an die von Hateaid vorgegebenen Regeln halten, seien aber im Zeitpunkt der Anwaltswahl frei. Soweit sie sich in einer psychischen Drucksituation befänden, dann deswegen, weil die Angriffe im Netz persönlich belastend seien. Dies könne der Plattform nicht angelastet werden. Umgekehrt habe Hateaid ein berechtigtes Interesse, das Finanzierungsrisiko nicht unabhängig von der Person des Anwalts zu tragen.

Interne juristische Vorprüfung als Rechtsdienstleistung?

Das überzeugt auch Berufsrechtler Deckenbrock. Dass das Gericht die Frage aufwirft, ob die lediglich interne juristische Vorprüfung zur Abklärung der Prozessfinanzierung ebenfalls eine Rechtsdienstleistung sein kann, sieht er aber kritisch. "Das würde ich mit einem Fragezeichen versehen: Hateaid muss im eigenen Interesse prüfen können, ob die Prozessfinanzierung für sie attraktiv ist. Dieses Ergebnis darf sie der Partei auch mitteilen." Im Ergebnis hatte das Gericht die Frage offen gelassen.

Werbung zur Zusammenarbeit mit verschiedenen "Jurist*innen"

Schließlich war aus Sicht des OLG Köln auch die Werbung auf der Website nicht irreführend. Diese hatte im September 2019 gelautet, Hateaid arbeite für die Durchsetzung der rechtlichen Ansprüche „mit spezialisierten Jurist*innen, unter anderem der L Kanzlei Frankfurt“ zusammen. Die von der antragstellenden Medienkanzlei zusammengetragenen Indizien, dass Hateaid ausschließlich mit dieser Kanzlei zusammenarbeite, konnten die Organisatoren entkräften. Dem Senat genügte hierfür auch die Zusammenarbeit bei vorgerichtlicher Prüfungs- bzw. Beratungstätigkeit. Das hatte das LG Köln noch strenger beurteilt.

Grenzen der erlaubten Rechtsdienstleistungen werden derzeit ausgelotet

Welche Tätigkeiten (erlaubte) Rechtsdienstleistungen sind, wird seit geraumer Zeit auch in anderem Zusammenhang, nämlich von "Legal-Tech-Anbietern" ausgelotet. Mit einem Grundsatzurteil hatte der BGH Ende letzten Jahres zu "wenigermiete.de" entschieden, dass die Rechtsberatung durch einen registrierten Inkassodienstleister von der erteilten Inkassoerlaubnis gedeckt und die Abtretung der Ansprüche an ihn zulässig sein kann. Die höchstgerichtliche Klärung der Frage in Sachen "Smartlaw", ob ein Rechtsdokumentengenerator gegen das RDG verstößt, steht hingegen noch aus.

OLG Köln, Urteil vom 26.06.2020 - 6 U 37/20

Redaktion beck-aktuell, 14. August 2020.