Keine fachgerichtliche Eilüberprüfung der Zuweisung eines Recycling-Vergabestreits an Schiedsgericht

Die verfassungsrechtliche Überprüfung der Zuweisung von Streitigkeiten um Ausschreibungen nach dem Verpackungsgesetz an ein privates Schiedsgericht kann nicht im Wege des Eilverfahrens von einem Fachgericht vorgenommen werden. In solchen Fällen würde sonst die gesetzliche Regelung des Bieterverfahrens im Sinne einer faktischen Vorwegnahme der Hauptsache unterlaufen, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main.

Streit um Zuweisung eines Streits nach dem Verpackungsgesetz an privates Schiedsgericht

Die Antragsgegnerin ist unter der Bezeichnung "Der Grüne Punkt" im Bereich des Recyclings von Verpackungen tätig. Sie schrieb Leistungen nach dem Verpackungsgesetz aus. Leistungsbeginn sollte der 01.01.2021 sein. Die Antragstellerin bewarb sich erfolglos. Nach dem 2019 neu gefassten Verpackungsgesetz ist die Ausschreibung und Entscheidung von Leistungen nach dem Verpackungsgesetz durch ein Schiedsgericht zu überprüfen. Die von der Antragstellerin erhobene Schiedsklage, die sich darauf richtete, der Antragsgegnerin die Zuschlagserteilung an einen anderen Bieter zu untersagen, war erfolglos. Die Antragstellerin begehrte deshalb, die Zuschlagserteilung im Eilverfahren bis zu einer Entscheidung über die Aufhebung dieses Schiedsspruchs zu untersagen. Sie hält die Zuweisung von Streitigkeiten nach dem Verpackungsgesetz an ein privates Schiedsgericht für verfassungswidrig.

OLG weist Eilantrag ab

Das Oberlandesgericht hat den Eilantrag zurückgewiesen. Das Verwerfungsmonopol für eine verfassungswidrige Norm liege grundsätzlich beim Bundesverfassungsgericht (Art. 100 Abs. 1 GG). Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes könne zwar auch ein Fachgericht vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf eine verfassungswidrige Norm gewähren. Dies gelte allerdings nicht, wenn damit die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen würde. Dies wäre hier der Fall. Die von der Antragstellerin begehrte Entscheidung "würde der Sache nach darauf hinauslaufen, die gesetzliche Regelung des Bieterverfahrens - im Sinne einer faktischen Vorwegnahme der Hauptsache - zu unterlaufen, indem sie es der Antragsgegnerin bis zum Abschluss des Hauptsachverfahrens über den Aufhebungsantrag unmöglich machen würde, den Zuschlag zu erteilen."

Untersagung würde Bieterverfahren aushebeln

Das Gericht könnte sich gegebenenfalls erst im Hauptsacheverfahren von der Verfassungswidrigkeit der Regelung überzeugen und dies nach einer Vorlage zum Bundesverfassungsgericht entsprechend in die Entscheidung über eine Aufhebung des Schiedsspruchs einfließen lassen. Eine Untersagung der Erteilung des Zuschlags bis zu diesem Zeitpunkt würde eine Durchführung des gesetzlich geregelten Bieterverfahrens in der vorliegenden Konstellation weitgehend leerlaufen lassen. Die Antragstellerin werde durch die Versagung einstweiligen Rechtsschutzes auch nicht rechtlos gestellt. Sie könne wegen der Versagung des Zuschlags jedenfalls Schadensersatzansprüche geltend machen.

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 30.11.2020 - 26 Sch 17/20

Redaktion beck-aktuell, 1. Dezember 2020.