Frankreich: Conseil d'État zeigt Grenzen für Videoschalten im Strafprozess auf

Frankreichs oberstes Verwaltungsgericht hat die Zuschaltung von Angeklagten per Video am Ende von Strafprozessen ohne deren Zustimmung für rechtswidrig erklärt. Damit würden die Rechte der Verteidigung und das Recht auf ein faires Verfahren verletzt, entschied der Conseil d'État am 27.11.2020 in Paris. Das gelte insbesondere für die Schlussplädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung sowie für das letzte Wort von Angeklagten.

Verteidigung und Nebenkläger gegen Videoschalte

Wegen der Corona-Pandemie hatte die Regierung Videoschalten per Verordnung zugelassen, um die Kontinuität von Prozessen zu gewährleisten. Eigentlich hätte der Prozess um den islamistischen Terroranschlag auf das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo“ am 23.11.2020 fortgesetzt werden sollen. Der Hauptbeschuldigte, der zuvor an Covid-19 erkrankt war, sollte per Video zugeschaltet werden, weil sein Gesundheitszustand immer noch schlecht war. Verteidigung und Nebenkläger stellten sich allerdings dagegen. Der Prozess wurde daraufhin erneut unterbrochen.

Mündlicher Charakter eines Strafverfahrens von besonderer Bedeutung

Der Staatsrat betonte die besondere Bedeutung des mündlichen Charakters eines Strafverfahrens - insbesondere während der Plädoyers. Demnach ist die Anwesenheit von Angeklagten und Nebenklägern während der Schlussplädoyers sowie das letzte Wort von Angeklagten unerlässlich. In anderen Fällen könne der Einsatz von Videoschalten aber ermöglichen, die Verschiebung von Anhörungen zu vermeiden.

Bürgerrechtler zufrieden mit Entscheidung

"Das ist ein großer Sieg“, sagte der Bürgerrechtsanwalt Patrice Spinosi der französischen Nachrichtenagentur AFP zu der Entscheidung des Conseil d'État. Er hofft, dass der "Charlie Hebdo“-Prozess nun in Anwesenheit des Angeklagten weitergeführt werden muss - verweist aber darauf, dass noch eine weitere Berufung gegen die Regierungsverordnung geprüft wird.

Redaktion beck-aktuell, 1. Dezember 2020 (dpa).