Juristinnen und Juristen, die sich aktiv gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betätigen, dürfen nicht zum Referendariat zugelassen werden. Dies hat am Donnerstag das BVerwG klargestellt (Urteil vom 10.10.2024 - 2 C 15.23).
Matthias B. hatte zunächst in Würzburg Jura studiert und wollte dann im April 2020 sein Referendariat im OLG-Bezirk Bamberg beginnen. Der Präsident des OLG lehnte seinen Antrag allerdings ab. B. habe sich für das Referendariat als charakterlich ungeeignet erwiesen, da er in hervorgehobenen Funktionen für die Partei "Der III. Weg" tätig gewesen und seine verfassungsfeindliche Gesinnung in diversen Reden deutlich zu erkennen gegeben habe, hieß es damals zur Begründung.
B. war zuvor bereits jahrelang in der rechtsextremen Szene aktiv gewesen. Nachdem er 2008 für die NPD als Landtagskandidat angetreten und später beim inzwischen verbotenen Kameradschaftsdachverband "Freies Netz Süd" aktiv gewesen war, hatte er sich schließlich dem vom bayerischen Landesverfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften "III. Weg" angeschlossen und trat bei Veranstaltungen auch als Redner auf.
Lange gerichtliche Odyssee
B. versuchte nach der Absage des OLG, gerichtlich zu erzwingen, dass der Freistaat Bayern ihn zum Referendariat zulassen müsste. Doch dies blieb ihm auch vor den bayerischen Verwaltungsgerichten versagt. B. rief gar das BVerfG an, scheiterte hier jedoch an den Begründungsanforderungen. Anschließend probierte er es in Thüringen – ebenfalls ohne Erfolg, letztlich bestätigte auch das Thüringische OVG seine Ablehnung. Als er sich dann in Sachsen für das Rechtsreferendariat bewarb, gab es zunächst wieder eine Absage unter Verweis auf seine rechte Gesinnung, die man aus seinen politischen Aktivitäten und strafrechtlichen Verurteilungen aus den Jahren 2005 bis Ende 2013 ableitete. Es folgten wieder einmal gerichtliche Niederlagen – bis zum VerfGH Sachsen. Das Landesverfassungsgericht sah B. durch die Ablehnung in seinen Grundrechten der Ausbildungs- und der Berufswahlfreiheit verletzt und verfügte, ihn zum Referendariat zuzulassen.
Die Begründung: Das juristische Referendariat sowie ein darauffolgendes zweites Staatsexamen sind Voraussetzungen für den Zugang zu klassischen juristischen Berufen wie Richterin, Rechtsanwalt oder Staatsanwältin. Würde man B. diesen Ausbildungsschritt versagen, wäre ihm ein wesentlicher Teil seiner beruflichen Optionen abgeschnitten. Und noch etwas kam hinzu: Die Voraussetzungen für die Zulassung zur Anwaltschaft sind nicht so hoch, dass sie keine rechtsextreme Gesinnung zuließen. § 7 Nr. 6 BRAO sieht lediglich vor, dass die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft versagt werden kann, wenn die Person die freiheitliche demokratische Grundordnung "in strafbarer Weise bekämpft" hat – für diese Annahme reichte es hier nicht. Für den VerfGH in Sachsen war das ein Wertungswiderspruch: Warum sollten für die Ausbildung zu einem Beruf höhere Maßstäbe gelten als für den Zugang zu diesem?
BVerwG: Andere Maßstäbe fürs Referendariat
Das Verfahren vor dem BVerwG betraf nun nicht etwa die Zulassung B.s zum Referendariat, sondern seine Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die Ablehnung in Bayern. Diese sah der 2. Senat des BVerwG nun aber als unbegründet an (Urteil vom 10.10.2024 - 2 C 15.23). Zwar gälten für Referendarinnen und Referendare, die nicht im Beamtenverhältnis angestellt würden, nicht die strengen beamtenrechtlichen Anforderungen an die Verfassungstreuepflicht. Doch auch sie nähmen an der staatlichen Funktion der Rechtspflege teil und müssten daher Mindestanforderungen an die Verfassungstreuepflicht erfüllen, sich insbesondere nicht aktiv gegen die Grundwerte der Verfassung betätigen. So hätten Menschen, die mit der Justiz im Rahmen eines Rechtsstreits zu tun hätten, ein Anrecht darauf, "dass niemand an der Bearbeitung ihrer Angelegenheiten mitwirkt, bei dem begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er verfassungsfeindliche Ziele verfolgt oder aktiv unterstützt". Aus diesem Grund fanden es die Leipziger Richterinnen und Richter auch angemessen, höhere Anforderungen zu stellen als für die Zulassung zur Anwaltschaft.
Hier hatte man durchaus große Zweifel an B.s Verfassungstreue, was das BVerwG auch auf die Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden zum "III. Weg" stützte, der am "Führerprinzip" ausgerichtet sei und dessen Parteiprogramm "insbesondere auf der Vorstellung der Ungleichwertigkeit von Menschen und der daran anknüpfenden rechtlichen Ungleichbehandlung, die gegen Grundwerte der Verfassung verstößt" beruhe.
Anders als noch der VerfGH in Sachsen sah man den Umstand, dass die Partei nicht verboten ist, hier nicht als wesentlich an. Das Parteienprivileg aus Art. 21 Abs. 2 und 4 GG umfasse keine mittelbaren Beeinträchtigungen. So folge daraus nicht, "dass jedes Parteimitglied bis zum Parteiverbot als verfassungstreu behandelt werden müsste".
Was tun gegen Extremisten im Vorbereitungsdienst?
B. indes hat sein Referendariat erfolgreich abgeschlossen und ist als Anwalt tätig. Sein Fall war nicht der erste, in dem ein Referendar mit rechter Vergangenheit seinen Weg nach Sachsen fand. Schon 2020 sorgte der Fall des Referendars Brian E. für Aufsehen: Ein wegen schweren Landfriedensbruchs verurteilter Rechtsextremist durfte in Sachsen ebenfalls nach einer Gerichtsentscheidung seinen Vorbereitungsdienst absolvieren.
Infolge des Falls dieses Extremisten in den Reihen der Nachwuchs-Juristinnen und -Juristen des Landes sah sich die sächsische Landesregierung gezwungen, zu handeln: Sie verschärfte die Zugangsvoraussetzungen für das Referendariat. 2021 wurde das Sächsische Juristenausbildungsgesetz geändert, wonach nunmehr eine Aufnahme in den Vorbereitungsdienst in der Regel zu versagen ist, wenn die Bewerberin oder der Bewerber die freiheitliche demokratische Grundordnung "in strafbarer Weise bekämpft". Den neuerlichen Fall eines rechtsextremen Referendars konnte man damit nicht verhindern.
Auf Anfrage von beck-aktuell verwies das Sächsische Justizministerium im Vorfeld der Entscheidung aus Leipzig auf den Verfassungsgerichtshof: Eine Ausweitung der Versagensgründe auf das "Bekämpfen in nicht strafbarer Weise" komme nach der Entscheidung des VerfGH in dieser Sache nicht in Betracht. Man werde aber "die anstehende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (…) beobachten und gegebenenfalls prüfen, ob Maßnahmen angezeigt sind".
Indes stellt sich die Frage neu, ob die Vorschriften für den Zugang zur Anwaltschaft überdacht werden müssen. Die 94. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister hatte bereits im Mai 2023 auf Antrag Sachsens und Thüringens das Bundesjustizministerium um Prüfung gebeten, ob zur Verhinderung der Aufnahme von Bewerberinnen und Bewerbern in den juristischen Vorbereitungsdienst, die die freiheitliche demokratische Grundordnung aktiv bekämpfen, die Anpassung bundesrechtlicher Vorschriften, insbesondere der BRAO, erforderlich sei. In Berlin hatte man dazu zunächst keine Veranlassung gesehen. Auch eine von der Justizministerkonferenz eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die sich mit der Prüfung vorbeugender Maßnahmen im Bundes- und Landesrecht zur Stärkung der Resilienz des Rechtsstaats beschäftigt hat, kam zu keinem anderen Ergebnis.