Fall Maja T.: BVerfG liefert Beschlussgründe
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Das BVerfG hatte am 28. Juni per einstweiliger Anordnung verfügt, dass die non-binäre Person Maja T. nicht nach Ungarn ausgeliefert werden darf. Zu diesem Zeitpunkt war die Auslieferung aber bereits vollzogen worden. Nun hat das Gericht die Beschlussgründe veröffentlicht: Das KG hätte die Haftbedingungen in Ungarn genauer prüfen müssen.

Die non-binäre Person Maja T. war in der Nacht des 27. Juni nach Österreich überstellt und von dort aus an die ungarischen Behörden ausgeliefert worden, obwohl die Verteidiger angekündigt hatten, gegen die Auslieferung vor dem BVerfG vorzugehen. Die einstweilige Anordnung, die die Auslieferung verbot, kam zu spät (Beschluss vom 28.06.2024 - 2 BvQ 49/24). Nun hat das BVerfG die Gründe des Beschlusses veröffentlicht. Es bedürfe weiterer verfassungsgerichtlicher Prüfung, ob das KG Bedeutung und Tragweite von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) und die damit verbundenen Aufklärungspflichten in Bezug auf die Haftbedingungen in Ungarn ausreichend berücksichtigt habe. Zudem begegne die Durchführung des Überstellungsverfahrens erheblichen Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit den Anforderungen eines effektiven Rechtsschutzes.

Die Verteidiger von Maja T. haben zudem am Montag gegen den Beschluss des KG Verfassungsbeschwerde eingelegt, mit dem das Gericht die Auslieferung gebilligt hatte. Aktuell befindet sich Maja T. in Ungarn in Untersuchungshaft.

Maja T. hat die deutsche Staatsbürgerschaft. Der Person wird zur Last gelegt, gemeinsam mit anderen Sympathisanten der rechtsextremen Szene in Budapest angegriffen zu haben. Auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls der ungarischen Behörden war Maja T. in Berlin festgenommen worden. Die ungarischen Behörden hatten auf Anfrage der Generalstaatsanwaltschaft Berlin zugesichert, sich an europäische Mindeststandards für Haftbedingungen zu halten. Daraufhin hatte das KG die Überstellung gebilligt und Maja T. war ausgeliefert worden.

BVerfG hält unzureichende Prüfung für möglich

Mit Beschluss vom Morgen des 28. Juni – und damit einige Stunden nach Vollzug der Auslieferung – hatte das BVerfG die Überstellung einstweilen verboten. Ob das KG seinen Aufklärungspflichten zu den Haftbedingungen gerecht geworden sei, müsse genauer geklärt werden, heißt es in der nun veröffentlichten Begründung. Die Garantieerklärung der ungarischen Behörden ohne Bezugnahme auf den konkreten Einzelfall als ausreichend anzusehen, sei mitunter nicht genug. Dass Verstöße gegen die mitgeteilten Haftbedingungen vor den Gerichten des den Europäischen Haftbefehl ausstellenden Staates geltend gemacht werden können, führe jedenfalls nicht ohne Weiteres dazu, dass eine Überstellung trotz bestehender Gefahr unmenschlicher Haftbedingungen zulässig wäre.

Zudem hält das BVerfG es für unklar, ob das KG die nicht-binäre Geschlechtsidentifikation Maja T.‘s ausreichend berücksichtigt hat. Dies erscheine zumindest zweifelhaft. Das BVerfG hielt die Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des KG für offen. Insofern sei es geboten, die Auslieferung – auch mit Blick auf die Folgen für Maja T. – einstweilen zu untersagen.

BVerfG erinnert an seine Rolle als Kontrollinstanz

Hinzu komme, dass die Durchführung des Überstellungsverfahrens erheblichen Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit den Anforderungen eines effektiven Rechtsschutzes ausgesetzt sei, heißt es weiter in der Begründung. Maja T. habe vor dem Beginn der Überstellung keine realistische Möglichkeit gehabt, die Zulässigkeitsentscheidung des KG zu rügen oder verfassungsgerichtliche Rechtsschutzmöglichkeiten zu prüfen.

Dabei die das BVerfG gerade mit der Aufgabe betraut, gegenüber Fachgerichten eine grundrechtsspezifische Kontrollfunktion wahrzunehmen und den Bürgerinnen und Bürgern diesbezüglich besonderen Schutz zukommen zu lassen. Ob es diese Funktion im vorliegenden Fall hatte ausfüllen können, sei zweifelhaft.

Maja T. wird erst zum Vollzug zurückgebracht

Das BVerfG hat in seinem Beschluss die Generalstaatsanwaltschaft Berlin zudem angewiesen, Maja T. ins Land zurückzuholen. Allerdings fehlt es hierfür an der rechtlichen Handhabe. Ist ein Mensch einmal überstellt, bleiben allenfalls diplomatische Kanäle, um seine Auslieferung rückgängig zu machen. Hierauf stützt sich auch die Generalstaatsanwaltschaft. Sie meint, der Beschluss des BVerfG sei mit der Übergabe von Maja T. an die österreichischen Behörden – und damit schon bevor er überhaupt ergangen war – erledigt gewesen. Nach dem Prozess in Ungarn wird Maja T. allerdings wieder zurückgeholt: Eine eventuelle Strafe wird in Deutschland vollzogen.

BVerfG, Beschluss vom 28.06.2024 - 2 BvQ 49/24

Redaktion beck-aktuell, dd, 2. August 2024.