BGH: BVerfG soll über Übergangsregelung zur Vermögensabschöpfung entscheiden

Der Bundesgerichtshof zweifelt daran, dass die Übergangsvorschrift zum neuen strafrechtlichen Vermögensabschöpfungsrecht in einem Teilbereich mit dem in der Verfassung verankerten grundsätzlichen Verbot echt rückwirkender Gesetze vereinbar ist. Deshalb soll das Bundesverfassungsgericht klären, ob Art. 316h Satz 1 EGStGB mit den im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und in den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unvereinbar ist, soweit er § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB in Verbindung mit § 78 Abs. 1 Satz 2 StGB sowie § 76b Abs. 1 StGB jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 in Fällen für anwendbar erklärt, in denen hinsichtlich der rechtswidrigen Taten, aus denen der von der selbstständigen Einziehung Betroffene etwas erlangt hat, bereits vor dem Inkrafttreten der Neuregelung am 01.07.2017 Verfolgungsverjährung eingetreten war (Beschluss vom 07.03.2019 - Az.: 3 StR 192/18).

Erforderliche Genehmigungen nicht beantragt

Das Landgericht Oldenburg hatte im zugrundeliegenden Fall zwei Angeklagte von Vorwürfen des Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz freigesprochen. Darüber hinaus hatte es gegen die beiden von den Angeklagten geleiteten nebenbeteiligten Unternehmen aber die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Nach den vom LG getroffenen Feststellungen beschäftigte eines der nebenbeteiligten Unternehmen auf Vermittlung des anderen im Tatzeitraum vom 25.02.2008 bis zum 31.07.2010 insgesamt 933 bulgarische Arbeiter. Die dafür damals erforderlichen Genehmigungen der Bundesagentur für Arbeit waren nicht beantragt worden. Vielmehr hatten die Angeklagten die Beschäftigungsverhältnisse mittels Scheinwerkverträgen verschleiert. Die Arbeiter hatten mehr als 830.000 Arbeitsstunden geleistet.

LG: Anordnung der selbstständigen Einziehung von Erträgen auch aus verjährten Straftaten zulässig

Das LG hatte die Feststellungen dahin gewertet, dass sich zwar die Angeklagten wegen Beschäftigung von Ausländern ohne Genehmigung in größerem Umfang nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG (beziehungsweise der Beihilfe hierzu) strafbar gemacht hätten, insoweit jedoch ab dem 31.07.2016 Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Gleichwohl sei gegen die nebenbeteiligten Unternehmen auf die Einziehung von Taterträgen zu erkennen, die sich zum einen auf den Wert der geleisteten Arbeitsstunden von mehr als 10,5 Millionen Euro, zum anderen auf den Erlös aus den Vermittlungsleistungen in Höhe von 72.000 Euro bemesse. Denn nach dem durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 (BGBl. I S. 872) mit Wirkung zum 01.07.2017 geänderten Recht sei die Anordnung der selbstständigen Einziehung von Erträgen auch aus verjährten Straftaten zulässig (§ 76a Abs. 2 Satz 1, § 78 Abs. 1 Satz 2, § 76b Abs. 1 Satz 1 StGB). Nach der Übergangsvorschrift des Art. 316h Satz 1 EGStGB sei das neue Recht rückwirkend auch auf Taten anwendbar, die vor dem Inkrafttreten begangen worden seien.

BGH vermutet Verstoß gegen Verbot echt rückwirkender Gesetze

Der Dritte Strafsenat hat jetzt die Revisionen der Staatsanwaltschaft verworfen, mit denen sich diese gegen die Freisprüche gewandt hat. Auf die gegen die Anordnung der selbstständigen Einziehung von Taterträgen gerichteten Revisionen der nebenbeteiligten Unternehmen hat er allerdings das Verfahren ausgesetzt und befragt das BVerfG. Zwar würden die Einziehungsentscheidungen des LG dem neuen Vermögensabschöpfungsrecht entsprechen, das nach Art. 316h Satz 1 EGStGB anzuwenden ist. Die Anwendung der Regelungen über die selbstständige Einziehung von Taterträgen in Fällen, in denen nach altem Recht hinsichtlich der Vermögensabschöpfung bereits vor dem 01.07.2017 Verfolgungsverjährung - aufgrund deren Koppelung an die Verjährung der Tat - eingetreten war, verstößt nach der Überzeugung des Dritten Strafsenats jedoch gegen das in der Verfassung verankerte grundsätzliche Verbot echt rückwirkender Gesetze.

Schutzwürdiges Vertrauen der Rechtsunterworfenen in Verjährungsvorschriften

Das Ziel, das der Gesetzgeber mit dem neuen Vermögensabschöpfungsrecht verfolge, strafrechtswidrig geschaffene Vermögenslagen zukunftsbezogen zu beseitigen, eröffne ihm einen weiten - freilich nicht unbegrenzten - Gestaltungsspielraum. Dieses Ziel legitimiere indes für sich noch kein echt rückwirkendes Gesetz. Der nachträglichen Anordnung der selbstständigen Einziehung von Taterträgen aus bereits vor dem 01.07.2017 verjährten Taten stehe ein schutzwürdiges Vertrauen der Rechtsunterworfenen in die vor der Reform geltenden Verjährungsvorschriften entgegen, betonten die Richter.

Betroffene müssen sich auf Abwägung des Gesetzgebers verlassen können

Sinn der strafrechtlichen Verjährungsvorschriften sei es nämlich, nach Ablauf einer gesetzlich bestimmten Zeit Rechtssicherheit herzustellen. Habe der Gesetzgeber das Gebot der Rechtssicherheit mit dem gegenläufigen Gedanken der materiellen Gerechtigkeit nach seinen Vorstellungen in einen angemessenen Ausgleich gebracht, so dürften sich die Betroffenen grundsätzlich darauf verlassen, dass er nicht im Nachhinein eine abweichende Abwägung vornimmt und die ursprünglichen Verjährungsvorschriften rückwirkend für unanwendbar erklärt.

BGH, Beschluss vom 07.03.2019 - 3 StR 192/18

Redaktion beck-aktuell, 7. März 2019.