Beweislastverteilung bei Sturz im Möbelhaus

Kommt ein Kunde in einem Warenhaus auf einem verunreinigten Boden zu Fall, muss der Inhaber beweisen, dass von ihm und seinem Personal alle Sorgfalt aufgewandt wurde, um den objektiv verkehrswidrigen Zustand im Organisationsbereich zu vermeiden. Damit hält der Bundesgerichtshof an seiner vor mehr als 60 Jahren begründeten Rechtsprechung fest. Zweifel gingen zulasten des Unternehmers.

Kundin rutscht auf Weintraube aus und stürzt

Eine Frau forderte Schadensersatzansprüche von einem Einrichtungsunternehmen in Kiel, in dem sie gestürzt war. Sie hatte die Filiale betreten, um dort einzukaufen. Dabei fiel sie auf ihre linke Körperhälfte. Ihr wurde eine Hüftprothese eingesetzt. Die Klägerin behauptete, sie sei im Erdgeschoss des Hauses vor dem Pflanzenbereich aufgrund einer auf dem Boden liegenden Weintraube ausgerutscht und zu Fall gekommen. Die Firma habe es versäumt, für eine hinreichende Reinigung des Sturzbereichs zu sorgen.

OLG sieht Klägerin in der Beweispflicht

Die Schadensersatzklage scheiterte sowohl beim LG Kiel (nach Beweisaufnahme) als auch beim OLG Schleswig, da das Möbelhaus nicht für Schäden nach §§ 280 Abs. 1241 Abs. 2 BGB wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten hafte. Die Beklagte habe nicht generell für glitschige Weintrauben und ähnliche Essensreste auf dem Fußboden ihres Geschäfts zu haften. Es bestehe immer die Möglichkeit, dass Besucher etwas äßen und dann Essensteile fallen ließen, die rutschig sein könnten. Zudem hätte die Klägerin beweisen müssen, dass die ergriffenen Sicherungsmaßnahmen (Reinigungs- und Kontrollpflicht) nicht erfolgt seien oder zusätzliche Warn- und Sicherungsmaßnahmen geboten gewesen wären. Die Revision der Kundin beim BGH hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung.

BGH sieht zwar ausreichende Sicherungsmaßnahmen vorgetragen

Dem VI. Zivilsenat zufolge können mit der Begründung des OLG Schadensersatzansprüche der Klägerin dem Grunde nach nicht verneint werden. Zwar sei nicht zu beanstanden, dass es die von der Beklagten behaupteten Sicherungsmaßnahmen für ausreichend erachtet habe: Der Pflanzenbereich werde jeden Morgen durch einen externen Dienstleister intensiv gereinigt, die Reinigung dokumentiert. Danach erfolgten alle 60 Minuten intensive Sichtreinigungen. In der Zwischenzeit könne eine Reinigungskraft jederzeit spontan "auf Zuruf" reinigen.

Aber: Das Möbelhaus trägt die Beweislast

Rechtsfehlerhaft sei jedoch die Auffassung des OLG, die Klägerin müsse beweisen, dass die von der Beklagten dargelegten und für ausreichend erachteten Sicherungsmaßnahmen im Unfallbereich nicht erfolgt seien. Damit verkenne es die hinsichtlich der objektiven Verletzung der der Beklagten gegenüber der Kundin obliegenden vorvertraglichen Schutzpflichten nach § 280 Abs. 1 BGB vorzunehmende Beweislastverteilung. Vielmehr hätte die Beklagte beweisen müssen, dass von ihr und ihrem Personal alle Sorgfalt aufgewandt worden sei, um den objektiv verkehrswidrigen Zustand im Organisationsbereich zu vermeiden. Zweifel gingen zu ihren Lasten, weil die Verunreinigung des Fußbodens der Verkaufsfläche ihrem Gefahren- und Organisationsbereich zuzurechnen sei. Das OLG werde sich nunmehr mit den vorgebrachten Einwänden der Klägerin gegen die Beweiswürdigung des LG näher befassen müssen.

BGH, Urteil vom 25.10.2022 - VI ZR 1283/20

Redaktion beck-aktuell, 25. November 2022.