BGH: Insbesondere-Unterlassungsantrag

ZPO § 253 II 2

Verlangt die klagende Partei, dass die beklagte Partei es unterlässt, im geschäftlichen Verkehr eine Bezeichnung einzusetzen, insbesondere wie auf einem näher in Bezug genommenen Produktbild, liegen hierin zwei Anträge: Ein Hauptantrag auf Unterlassung. Und ein unechter Hilfsantrag, über den nur zu entscheiden ist, wenn feststeht, dass die Klage mit dem Hauptantrag keinen Erfolg hat. (Leitsatz des Verfassers)

BGH, Urteil vom 19.07.2018 - I ZR 268/14, BeckRS 2018, 31389

Anmerkung von
Richter am Kammergericht Dr. Oliver Elzer, Berlin

Aus beck-fachdienst Zivilverfahrensrecht 01/2019 vom 11.01.2019

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Sachverhalt

Der Kläger sieht in dem Vertrieb eines Tiefkühlprodukts unter der Bezeichnung „Champagner Sorbet“ eine Verletzung der geschützten Ursprungsbezeichnung „Champagne“. Er beantragt daher, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit Tiefkühlkost die Bezeichnung „Champagner Sorbet“ zu benutzen, insbesondere wenn dies wie in einem im Antrag abgebildeten Produktbild geschieht. Unklar ist, wie der Begriff „insbesondere“ zu verstehen ist.

Entscheidung: Im „Insbesondere-Antrag" liegt unechter Hilfsantrag

Der Klageantrag ist nach Ansicht des BGH dahin auszulegen, der Kläger begehre in erster Linie die Unterlassung der Benutzung der Bezeichnung „Champagner Sorbet“ für das streitgegenständliche Produkt losgelöst von dem konkreten Umfeld ihrer Verwendung. Soweit dem Klageantrag darüber hinaus entnommen werden könne, der Kläger wolle jedenfalls die Verwendung der Bezeichnung „Champagner Sorbet“ in der aus der im Klageantrag eingeblendeten Gestaltung ersichtlichen Art und Weise untersagt wissen, liege hierin ein unechter Hilfsantrag, über den nur zu entscheiden sei, wenn feststehe, dass die Klage mit dem Hauptantrag keinen Erfolg habe.

Praxishinweis

„Insbesondere-Unterlassungsantrag"

Nach Ansicht des I. Zivilsenats führt das Wort „insbesondere“ in einem Klageantrag weder zu einer Einschränkung noch zu einer Erweiterung des Antrags. Es stelle vielmehr eine Auslegungshilfe dar (BGH GRUR 2012, 945 Rn. 22 – Tribenuronmethyl; BGH GRUR 2002, 86 unter II 1 b) – Laubhefter). Der mit „insbesondere“ eingeleitete Teil des Antrags diene zum einen der Erläuterung des in erster Linie beantragten abstrakten Verbots. Zum anderen könne die klagende Partei auf diese Weise deutlich machen, dass Gegenstand ihres Begehrens nicht allein ein umfassendes, abstrakt formuliertes Verbot sei, sondern dass sie – falls sie insoweit nicht durchdringe – jedenfalls die Unterlassung des konkret beanstandeten Verhaltens begehre (BGH GRUR 2018, 324, Rn. 32 – Kraftfahrzeugwerbung; BGH GRUR 2012, 945 Rn. 22 – Tribenuronmethyl).

Einordnung im konkreten Fall

Im Fall sieht der I. Zivilsenat im „insbesondere- Unterlassungsantrag“ einen unechten Hilfsantrag. Dies ist nicht „verfahrenstechnisch“ gemeint. Denn ein unechter Hilfsantrag wird für den Fall des Erfolgs der Hauptsache gestellt, nicht für den Misserfolg (siehe nur Musielak/Voit/Heinrich, 15. Auflage, ZPO § 5 Rn. 12). Gemeint ist vielmehr das Problem, dass die Grenzen einer Verallgemeinerung des Verbotsantrags (dazu etwa von Ungern-Sternberg GRUR 2011, 486 [487]) häufig zweifelhaft sein können (siehe nur Köhler/Feddersen/Bornkamm/Köhler, 37. Auflage, UWG § 12 Rn. 2.47).

Stellt die klagende Partei aus Vorsicht – ggf. stufenweise – einen enger gefassten Antrag, handelt es sich freilich nicht um einen „unechten Hilfsantrag“, sondern um gar keinen eigenständigen Antrag (Ungern-Sternberg GRUR 2011, 486 [489]), wenn die Wendung auch unter Umständen die „Funktion“ eines Hilfsantrags übernehmen können soll (Ungern-Sternberg GRUR 2011, 486 [489]) – was nicht einleuchtet. Es handelt sich beim „insbesondere”-Antrag schlicht um eine Konkretisierung des („Haupt“-)Antrags (siehe etwa Schwippert in Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Auflage, Kap. 51 Rn. 30).

Eventualklagehäufung

Die Klage war im Übrigen, was man dem einheitlichen Antrag nicht ansehen konnte, auf unterschiedliche Anspruchsgrundlagen gestützt, nämlich auf die Verordnungen (EG) Nr. 1234/2007 und (EU) Nr. 1308/2013, auf § 5 UWG, auf das deutsch-französische Herkunftsabkommen und schließlich auf §§ 127 ff. MarkenG. In einem solchen Fall muss – was der BGH in Rn. 14 herausstreicht – die klagende Partei, handelt es sich um verschiedene Streitgegenstände, angeben, in welcher Reihenfolge diese Ansprüche zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden sollen. Insoweit erinnert der Fall daran, dass der I. Zivilsenat bereits im Jahr 2011 geklärt hatte, dass eine sich auf eine alternative Klagehäufung stützende Klage im gewerblichen Rechtsschutz mangels Bestimmtheit (insgesamt) unzulässig ist (BGH GRUR 2012, 304 Rn. 18; grundlegend BGHZ 189, 56 Rn. 6 ff. = GRUR 2011, 521). In vergleichbaren Fällen kann die klagende Partei die Antwort auf die Frage, wie sich die verschiedenen, das einheitliche Rechtsschutzbegehren ggf. jeweils stützenden Klagegründe zueinander verhalten sollen, nach einem vom Gericht gebotenen Hinweis allerdings grds. nachholen (BGH GRUR 2012, 304 Rn. 18; Elzer FD-ZVR 2014, 355754).

Redaktion beck-aktuell, 11. Januar 2019.