"Der Milliardenraub. Eine Staatsanwältin jagt die Steuer-Mafia" hieß der von WDR und NDR produzierte Dokumentarfilm, in dem Ausschnitte von Interviews mit der seinerzeit in den Cum-Ex-Verfahren ermittelnden Oberstaatsanwältin a.D. Brorhilker und dem Präsidenten des LG Bonn, Stefan Weismann, gezeigt wurden.
Mit Blick auf die Cum-Ex-Finanzakteure sagte Brorhilker: "Die fühlen sich halt über allem drüber stehend – auch über dem Gesetz" und "Das ist ein Merkmal, was organisierte Kriminalität auszeichnet". Weismann schloss sich dem an: "Was dort passiert, ist organisierte Kriminalität. Die unterscheidet sich vom Kriminalitätsgehalt in nichts von Rauschgiftbanden, Clan-Kriminalität, Sprengungen von Geldautomaten – das ist alles derselbe kriminelle Gehalt."
Olearius und der Banken-Mitinhaber Max Warburg begehrten die Feststellung, dass diese Äußerungen nicht berechtigt gewesen sind. Gegen beide wurde beziehungsweise wird im Cum-Ex-Komplex ermittelt.
Vorverurteilung zu befürchten
In Bezug auf Olearius, der in der Doku namentlich genannt wird, sieht das VG die "Gefahr einer vorverurteilenden Ächtung in der Öffentlichkeit". Die Äußerungen erweckten den Eindruck, er sei der ihm vorgeworfenen strafbaren Tat bereits überführt worden. Das Ermittlungsverfahren sei damals aber noch nicht abgeschlossen gewesen.
Zwar hätten sich Brorhilker und Weismann nur allgemein zu Cum-Ex-Akteuren geäußert. Der Zusammenhang zu Olearius, der nur an anderer Stelle des Films gezeigt und namentlich genannt wird, sei erst durch die von den Autoren des Films gewählte Gestaltung entstanden. Das müssten die Justizbehörden sich aber zurechnen lassen, so das VG. Durch die Bereitschaft zur Mitwirkung an dem Film hätten sie eine Ursache für die von ihren Äußerungen ausgehende Wirkung gesetzt.
Mittlerweile wird nicht mehr gegen Olearius, der stets seine Unschuld beteuert hatte, ermittelt. Das Verfahren wurde wegen des schlechten Gesundheitszustandes des 82-Jährigen eingestellt. Der Bankier hatte auch vor dem EGMR geltend gemacht, dass er in dem Prozess vorverurteilt und damit in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden sei – hier aber ohne Erfolg.
Klage Warburgs unzulässig
Die Klage Warburgs hat das Gericht als unzulässig abgewiesen. Denn dieser werde an keiner Stelle des Films namentlich erwähnt oder gezeigt. Die Kölner Richterinnen und Richter haben die Berufung zugelassen (Urteile vom 27.09.2024 - 9 K 2971/22 und 9 K 2938/22). Über diese würde das OVG NRW in Münster entscheiden.
Brorhilker beendete ihre Tätigkeit als Oberstaatsanwältin und Cum-Ex-Chefanklägerin im Mai 2024 und wechselte danach zur Bürgerbewegung Finanzwende. Dort will sie den Kampf gegen die Finanzkriminalität weiter führen.
Olearius zeigt Ex-Staatsanwältin Brorhilker an
Die Anwälte des früheren Bankchefs Christian Olerarius haben unterdessen Strafanzeige gegen Ex-Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker erstattet. Sie werfen Brorhilker vor, "vorsätzlich und bewusst unvollständige und falsche Sachverhalte zur Grundlage ihrer Anklagen gegen ehemalige Mitarbeiter der Warburg Bank gemacht zu haben", hieß es in einer Mitteilung. Ein Kronzeuge der Staatsanwaltschaft, gegen den man ebenfalls Anzeige erstattet habe, habe zudem in mindestens sechs Fällen vor dem LG Bonn bewusst die Unwahrheit gesagt und Olearius und weitere Personen zu Unrecht belastet. Die Anzeigen lägen der Staatsanwaltschaft Köln vor, hieß es. Eine Bestätigung dafür war bei der Behörde auf Anfrage zunächst noch nicht zu erhalten.
Kern der Vorwürfe der Olearius-Anwälte ist ein im Lauf des Prozesses angeführtes Beratungsgespräch, in dem es zu einer Tatverabredung gekommen sein soll. Der betroffene Kronzeuge hatte laut Mitteilung ausgesagt, er habe "Anfang des Jahres 2007" an dem Beratungsgespräch in Anwesenheit von Olearius in der Warburg-Bank teilgenommen.
Nach Auswertung von Kalendereinträgen sowie Mail-Daten könne gesichert ausgeschlossen werden, "dass es zu einer solchen Tatverabredung überhaupt gekommen ist. Es hat auch einen solchen Termin nie gegeben", hieß es in der Mitteilung. Tatsächlich habe der Kronzeuge Olearius erstmals Ende 2008 getroffen, "also mehr als ein Jahr nach dem Beginn der Geschäfte im Mai 2007, die Anlass für Verurteilungen von Angehörigen der Warburg-Bank wurden". Damit seien die Aussagen des Kronzeugen vorsätzlich falsch.
Brorhilker habe in mehreren Anklageschriften unwahre und unvollständig belastende Aussagen von Kronzeugen als wahr und vollständig beziehungsweise ausreichend dargestellt, lautet der Vorwurf. Hinweise auf Täuschungen der Kronzeugen habe Brorhilker unterschlagen. Die Juristin hat den Staatsdienst inzwischen verlassen und arbeitet nun für den Verein Bürgerbewegung Finanzwende.