Cum-Ex-Prozess gegen Bankier Olearius eingestellt
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Das Cum-Ex-Strafverfahren gegen den früheren Chef der Hamburger Privatbank M.M.Warburg, Christian Olearius, am LG Bonn wird eingestellt. Ein entsprechendes Urteil fällte die Vorsitzende Richterin Marion Slota-Haaf am Montag. Grund dafür ist die angeschlagene Gesundheit des 82-Jährigen. 

Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung hatten das vorzeitige Ende des im September 2023 begonnenen Verfahrens beantragt. Mit dem Einstellungsurteil bleibt die Schuldfrage unbeantwortet. Staatsanwältin Stephanie Kerkering kündigte noch im Gerichtssaal an, dass man in Revision gehe. Olearius beteuerte am Montag vor Gericht erneut seine Unschuld. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft seien hinfällig.

Mit Hilfe sogenannter Cum-Ex-Geschäfte bekamen Finanzakteure Steuern erstattet, die gar nicht gezahlt worden waren – Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Dividendenanspruch wurden in einem Verwirrspiel hin und hergeschoben. Dem Staat entstand dadurch ein zweistelliger Milliardenschaden. Die Hochphase dieser Geschäfte war in den Jahren 2006 bis 2011. 2021 wertete der BGH Cum-Ex als Straftat.

Die Staatsanwaltschaft hatte Olearius in 15 Fällen besonders schwere Steuerhinterziehung vorgeworfen, wobei ein Steuerschaden von rund 280 Millionen Euro entstanden sein soll. In zwei Fällen soll es beim Versuch geblieben sein. Staatsanwältin Kerkering erläuterte zur angestrebten Revision zum BGH, dass man sich so den Weg offenhalte, um ein sogenanntes Einziehungsverfahren überzuleiten.

Vorerst keine Einziehung von Taterträgen bei Olearius

In diesem Verfahren geht es um die Frage, ob Olearius angebliche Taterträge von 43 Millionen Euro zahlen muss. Normalerweise wird so eine Abschöpfung mit dem Urteil verkündet, angesichts des vorzeitigen Prozess-Endes wollten die Ankläger besagtes Einziehungsverfahren aber in einem selbstständigen Strang fortgesetzt wissen. Das lehnte das Gericht vergangene Woche ab, aus Sicht der Kammer war der Sachverhalt nicht fertig ermittelt – das hätte geheißen, dass die Staatsanwaltschaft später ein neues Einziehungsverfahren anstrengen müsste. Hierbei würde es nicht mehr um die Schuldfrage von Olearius gehen, er müsste auch nicht persönlich erscheinen. Nach Auskunft des Sprechers von Olearius hat der 82-Jährige im Jahr 2020 gemeinsam mit dem Co-Gesellschafter Max Warburg wegen Cum-Ex bereits 230 Millionen Euro an den Staat gezahlt.

Zu Cum-Ex hat es am Bonner LG seit 2020 bereits acht Schuldsprüche gegeben, eine Vielzahl an Verfahren dürften in den kommenden Jahren noch folgen. Denn das LG Bonn ist für die zwischen 2007 bis 2011 begangenen Taten aus dem Cum-Ex-­Bereich als Gericht des Tatortes zuständig, da beim Bundeszentralamt für Steuern mit Sitz in Bonn die verfahrensgegenständ­lichen Steuererstattungsanträge gestellt wurden. Im nun eingestellten Verfahren musste sich zum ersten Mal die Spitze eines Finanzinstituts vor Gericht Cum-Ex-Vorwürfen stellen. Olearius war früher Chef der Warburg-Privatbank und später ihr Aufsichtsratsvorsitzender, inzwischen ist er nur noch Gesellschafter.

Olearius ist einer der bekanntesten Cum-Ex-Akteure. 2016 und 2017 hatte er sich insgesamt dreimal mit dem späteren Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) getroffen, als dieser noch Erster Bürgermeister von Hamburg gewesen war. Das ging aus Tagebucheinträgen des Bankiers hervor. Der genaue Inhalt der Treffen ist unklar. Fakt ist aber, dass die Finanzbehörde danach eine Steuerforderung fallen ließ und die Ansprüche nach damaliger Rechtslage verjährten. Dass ein kausaler Zusammenhang zwischen den Scholz-Olearius-Treffen und der Behördenentscheidung bestand, ist nicht erwiesen. Scholz schließt eine Einflussnahme aus, beruft sich bei der Frage nach dem genauen Inhalt der Gespräche aber auf Erinnerungslücken.

Anm. d. Red.: Ergänzt am Tag der Veröffentlichung, 16.36 Uhr

LG Bonn, Urteil vom 24.06.2024 - 63 KLs 1/22

Redaktion beck-aktuell, dd, 24. Juni 2024 (dpa).