Ultima Ratio: BVerfG-Präsident Harbarth spricht über Parteiverbote*

Immer wieder wird über ein Verbot der AfD diskutiert. Nun spricht Stephan Harbarth in der Wochenzeitung "Die Zeit" über die Problematik von Parteiverboten.*

Das BVerfG habe immer betont, dass Parteiverbote nur die Ultima Ratio seien, also das letzte Mittel, zu dem gegriffen werden könne, sagte Harbarth. "Es darf keine politische Auffassung einfach mundtot gemacht werden, weil sie den Herrschenden nicht passt."

In der 75-jährigen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland seien nur zwei Parteien verboten worden, sagte der Jurist. Und das sei lange her. "Insofern sind wir jedenfalls seit Ende der Fünfzigerjahre doch recht gut ohne den Ausspruch von Parteiverboten zurechtgekommen, wenngleich von diesem Instrument natürlich auch eine präventive Wirkung ausgeht." Harbarth betonte in dem Gespräch indes, sich als Präsident des BVerfG zur Frage nach einem möglichen AfD-Verbotsverfahren nicht äußern zu können.*

Aus historischen Gründen habe Deutschland sich für dieses Instrument entschieden, "das ein wichtiges Element der wehrhaften Demokratie darstellt", antwortete Harbarth auf die Frage, warum andere Demokratien wie England und die Vereinigten Staaten ohne Parteiverbote auskommen. "Man muss aber auch die unterschiedliche Rolle von Parteien sehen: In den Vereinigten Staaten haben Parteien eine andere, geringere Bedeutung als bei uns, ähnlich in Frankreich", sagte der Gerichtspräsident und Vorsitzende des Ersten Senats. "Im internationalen Vergleich sind die bundesdeutschen Parteien stärker als in den meisten anderen Ländern. Deshalb ist auch das Bedrohungspotenzial, das eine verfassungsfeindliche Partei in Deutschland entwickeln kann, größer als in anderen politischen Systemen."

Großer Stellenwert der Meinungsfreiheit in Deutschland

Rechtlich gesehen dürften Menschen in Deutschland sehr viel sagen, machte Harbarth deutlich. "Da ist der Korridor in den vergangenen Jahren auch nicht enger geworden." Von jeher stoße die Meinungsfreiheit an Grenzen, die im Grundgesetz ausdrücklich genannt werden.

"Unabhängig von allen rechtlichen Aspekten stellt sich die Frage: Wozu führen rechtlich zulässige Meinungsäußerungen gesellschaftlich?", fragte der frühere CDU-Politiker. "Führen sie dazu, dass man miteinander ins Gespräch kommt? Dass man sich argumentativ aneinander reibt? Oder werden Andersdenkende in irgendeine Schublade gesteckt?"

Der frühere BVerfG-Präsident Papier hatte im Januar von einem AfD-Verbotsantrag abgeraten.* Hintergrund der neu aufgeflammten AfD-Verbotsdebatte waren ein Treffen rechter Aktivisten und Extremisten in November und das Urteil des OVG Münster vor ein paar Tagen, in dem die Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall bestätigt wurde.

*Anm. d. Red.: Der Artikel wurde an mehreren Stellen  nachträglich korrigiert verändert. Er basierte auf einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa. In einer früheren Fassung erweckte der Artikel fälschlicherweise den Eindruck, Stephan Harbarth habe sich im Interview mit der "Zeit" zu einem möglichen AfD-Verbotsverfahren geäußert. Wir haben die entsprechenden Passagen geändert bzw. ergänzt (mam, pl, geändert am 17.05.2024, 17.37 Uhr).

Redaktion beck-aktuell, gk, 16. Mai 2024 (dpa).