Neue Abstimmung: RAK-Präsidenten wollen Singularzulassung beim BGH doch behalten
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Zuletzt hatten die RAK-Präsidenten für die Abschaffung der Singularzulassung beim BGH votiert. Die Abstimmung stellte sich aber als fehlerhaft heraus. Nun ging eine andere Abstimmung zugunsten der alten Regelung aus. Derweil lässt das BMJ die aktuellen BGH-Anwaltsanwärter warten.

Bei der Präsidentenkonferenz der 28 Rechtsanwaltskammern am Mittwoch haben die Präsidentinnen und Präsidenten für die Beibehaltung der Singularzulassung beim BGH gestimmt, meldet die BRAK. Von der Berliner Kammer war der Antrag gekommen, die seit vielen Jahren geltende Zulassungsregelung durch einen Fachanwalt für Revisionsrecht zu ersetzen. Für den Antrag stimmten nun neun Kammern (39 gewichtete Stimmen), 18 Kammern (55 gewichtete Stimmen) stimmten dagegen, eine Kammer (neun gewichtete Stimmen) enthielt sich.

"Wir müssen dieses – doch etwas überraschende – Ergebnis akzeptieren“, sagte die Präsidentin der RAK Berlin, Dr. Vera Hofmann, im Anschluss an die Sitzung. „Es war immer noch knapp. Spannend bleibt nun, wie die Entscheidung von der Anwaltschaft aufgenommen wird. Ich bin mir sicher, dass es auch künftig eine Diskussion über die Singularzulassung geben wird."

Die Abstimmung ist nicht offen, wer sich für oder gegen den Antrag entschieden hat, ist offiziell nicht bekannt. Angesichts der Stimmverteilung ist dennoch klar, dass mindestens eine Kammer sich seit der ersten Abstimmung im September umentschieden hat – damals waren noch zehn Kammern dafür gewesen. Die einzige Kammer mit einem Stimmgewicht von neun Stimmen ist die Kammer München, die somit als diejenige identifizierbar ist, die sich enthalten hat.

Eine kurze Revolution

Es war eine kleine Sensation, als sich im September die Mehrheit der Kammern für eine Abschaffung der Singularzulassung ausgesprochen hatte. Aktuell braucht, wer als Anwalt oder Anwältin in Zivilsachen vor dem BGH vertreten möchte, dafür eine gesonderte BGH-Zulassung – eine Regelung, die seit Jahren hoch umstritten ist. Seit 2019 kämpfen einige Kammern, allen voran die RAK Berlin dafür, sie zu ersetzen. Ihr Vorschlag: ein Fachanwalt für Revisionsrecht, mit dem der Weg zum BGH allen qualifizierten Anwältinnen und Anwälten offenstehen sollte.

2019 war der Plan noch nicht aufgegangen, doch im September 2024 hatte der Vorschlag scheinbar eine Mehrheit bekommen. Die Hauptversammlung hatte den Beschluss gefasst, beim BMJ auf eine Abschaffung der Singularzulassung hinzuwirken. Denkbar knapp allerdings, mit 48 zu 46 Stimmen, und wohl auch, weil die Stimmgewichtung seit 2019 eine andere ist. Statt einer Stimme pro Kammer haben die großen Kammern nun mehr Gewicht. Doch kurz nach der Abstimmung kam die böse Überraschung: Der Beschluss war fehlerhaft und wurde deshalb nicht umgesetzt. Aufgrund der neuen Abstimmungsregeln hatte die BRAK die Stimmen falsch gewichtet.

Berufsausübungsgesellschaften mitgezählt

Der Fehler: Nach dem 2022 erneuerten § 190 BRAO haben die Kammern zwischen einer und neun Stimmen, das richtet sich nach der Anzahl ihrer Mitglieder. Um diese Mitgliederzahl zu ermitteln, hatte die BRAK aber versehentlich nicht nur die natürlichen Mitglieder jeder Kammer herangezogen, sondern auch die Berufsausübungsgesellschaften mitgezählt. Diese sind seit 2022 ebenfalls Kammermitglieder.

Durch diesen Fehler sind bei der Abstimmung die Kammern Frankfurt und Berlin jeweils mit einer Stimme mehr gewichtet worden als ihnen zustünde (Frankfurt 9 statt 8, Berlin 8 statt 7). Die Abstimmungen erfolgen aber nicht namentlich. Und während man bei Berlin – als Antragstellerin – davon ausgehen konnte, dass die RAK für ihren eigenen Antrag stimmte, ist nicht bekannt, wie die Kammer Frankfurt abgestimmt hat. Laut dem BRAK-Präsidium ist das ein "relevantes fehlerhaftes Abstimmungsergebnis", das nicht durch den Präsidenten der BRAK berichtigt werden könne.

Präsidentenkonferenz statt Hauptversammlung

Bei der BRAK entschied man sich dafür, die Präsidentinnen und Präsidenten der Kammern neu abstimmen zu lassen. Statt der Hauptversammlung – wie bei der ersten Abstimmung – war es nun die Präsidentenkonferenz, die votierte. Den Beschluss aufgrund der fehlerhaften Abstimmung vom September haben die Präsidentinnen und Präsidenten bei der Konferenz am Mittwoch einstimmig aufgehoben.

Die andere Zusammensetzung hält die BRAK für unproblematisch: Es nähmen nur die Präsidenten und Präsidentinnen teil, teilte eine BRAK-Sprecherin auf Anfrage mit. "Von der Funktion her" sei das Treffen wie eine Hauptversammlung ausgestattet. An der Hauptversammlung können mehr Vertreterinnen und Vertreter aus den Präsidien der Kammern teilnehmen, abstimmen dürfen nur die Präsidentinnen und Präsidenten.

Nun haben die Bewahrer der Singularzulassung die Oberhand behalten. Für den Moment dürfte sich im Ergebnis nicht allzu viel ändern. Selbst wenn sich eine Mehrheit für die Abschaffung gefunden hätte, wäre offen gewesen, ob und was aus der Initiative der RAK Berlin geworden wäre. Die BRAK als Vertretung der Anwaltschaft kann dem Gesetzgeber lediglich ans Herz legen, sich mit der Regelung zu befassen. Ob und wie er sie ändert, wäre ihm überlassen. 

BGH-Anwälte beschäftigen auch BMJ

Tatsächlich befasst sich das BMJ dieser Tage mit der BGH-Anwaltschaft – doch nicht, um die umstrittene Singularzulassung zu reformieren. BGH-Präsidentin Bettina Limperg hat – zum ersten Mal seit 2013 – ein Auswahlverfahren für neue BGH-Anwälte in die Wege geleitet. Der Wahlausschuss hat getagt und eine Liste der möglichen neuen Anwältinnen und Anwälte* liegt aktuell auf dem Tisch des Bundesjustizministers Volker Wissing. Doch der lässt die Kandidatinnen und Kandidaten warten.

32 Anwältinnen und Anwälte hatten sich laut dem Branchenmagazin Juve beworben, auf der – noch nicht öffentlichen – Liste stehen wohl weniger Namen. Der BGH wünscht sich sieben neue Gesichter. Nach § 168 Abs. 2 BRAO nennt der Ausschuss dem BMJ die doppelte Zahl jener Kandidaten, die es für geeignet hält. Bei der Zahl der Neuernennungen wäre das BMJ aber frei.

Doch eine Entscheidung wird es ohnehin erst einmal nicht geben. "Das Bundesministerium der Justiz wird über die Anträge auf Zulassung als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt bei dem Bundesgerichtshof nach Abschluss der gebotenen sorgfältigen Prüfung so zügig wie möglich entscheiden", teilte ein Sprecher auf Anfrage von beck-aktuell mit. Und weiter: "Aufgrund des baldigen Endes der laufenden Legislaturperiode kann ich Ihnen hinsichtlich der Singularzulassung und des Wahlverfahrens keine weiteren Auskünfte mitteilen. Die weitere Befassung hierzu obliegt der neuen Bundesregierung." Dass die sich in der kommenden Legislaturperiode auch wieder mit der Singularzulassung wird befassen müssen, ist jedenfalls nach der heutigen Abstimmung unwahrscheinlicher geworden.

*Hier stand zuerst fälschlicherweise Richterinnen und Richter (korrigiert am 23.1., 9:00, dd).

Redaktion beck-aktuell, Denise Dahmen und Joachim Jahn, 22. Januar 2025.